Leslie Mandoki geht heute mit Musikstars auf Tournee. In Gerlingen gab man ihm einst eine Zukunft. Für eine Veranstaltung kehrt er zurück.

Er ist Musiker und Produzent, steht mit weltbekannten Musikern auf der Bühne, arbeitete für den FC Bayern, die Automobilindustrie und schrieb Wahlkampfsongs für die CDU. Im Interview spricht Leslie Mandoki über seine Geschichte und den Russland-Ukraine-Krieg.

 

Herr Mandoki, mit welchen Erinnerungen an die Stadt kommen Sie zurück?

Wir – mein Jugendfreund Laszlo Bencker und ich – haben in der Panoramastraße 33 bei Familie Solter gewohnt. Wenn ich jetzt wieder nach Gerlingen komme, ist das natürlich ein Stück weit Heimkehr. Ich habe in diesem Ort damals Deutschland kennen, schätzen und lieben gelernt. In gewisser Hinsicht bin ich dort also Deutscher geworden. Die Herzlichkeit, Bereitschaft und Toleranz, Fremde aufzunehmen, war eine berührende Geste der Menschlichkeit. Es gibt gute Gründe, warum wir bis heute Inge und Franz Solter Mutter und Vater nennen.

Heute sind Sie in der Welt zuhause.

Wir haben von 1975 bis August 1977 in Gerlingen gelebt. Unser Weg führte anschließend nach München, das damals nach London, New York und Los Angeles die wichtigste Stadt für die Musikindustrie war. Donna Summer und Freddie Mercury lebten dort, Giorgio Moroder und Queen nahmen ebenso wie die Rolling Stones, Deep Purple und Elton John Alben auf. Das war die große Zeit des „Munich Sound“, dessen Teil wir wurden. Anschließend ging es nach Los Angeles, dann nach New York, London, aber immer wieder zurück nach München, bis ich vor 28 Jahren am Starnberger See Wurzeln geschlagen habe. Dort haben wir ein Studio gebaut, das unser Studio in München abgelöst hat. Bis heute habe ich aber immer noch einen Koffer in Los Angeles ebenso wie in New York, inzwischen sogar auch in Budapest.

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Was bedeutet es für Sie, in Gerlingen aufzutreten?

Ich trete in Gerlingen keineswegs auf, sondern komme zu Besuch und – deswegen habe ich diese Einladung gerne angenommen – freue mich, den Menschen wieder begegnen zu dürfen. Es ist ein ehrenvolles Privileg, das erleben zu dürfen, da ich getrieben bin von Dankbarkeit und Neugierde, wie die Gerlinger die Flüchtlingswelle 2015 und die Ukrainekrise erlebt haben und inwiefern es gewisse Verbindungen gibt; wie die Gerlinger die aktuelle Weltlage beurteilen aus der Sicht der damals – 1975 – herzlichen Umarmung von Flüchtlingen wie mir. Wie hat sich die Situation gewandelt, hat sie sich überhaupt gewandelt?

Sie flohen einst aus Ungarn. Was geht Ihnen bei den Bildern aus dem Russland-Ukraine-Krieg durch den Kopf?

Ich war noch keine vier Jahre alt, als die sowjetisch-russische Rote Armee den ungarischen Volksaufstand im Herbst 1956 blutig niederschlug. Natürlich hat man als Kleinkind keine zusammenhängenden Erinnerungen, aber die Wunden, die diese Zeit hinterlassen hat, sind tief – und der Schrecken dieser blutigen Tage hat bei mir einige Bilder tief eingebrannt. Mir geht es um die Menschen, die leiden, deren Leben zerstört wird, die sterben, die ihre Existenz verlieren. Es ist so schrecklich, erleben zu müssen, dass wir nichts dazugelernt haben und wir nicht in der Lage sind, diesen Wahnsinn erst gar nicht entstehen zu lassen, oder ihn wenigstens jetzt zu stoppen. Ich war an der ukrainischen Grenze, habe mich mit vielen Flüchtlingen beschäftigt. Das ist so unfassbar, ich glaube, wir müssen viel darüber nachdenken, wenn dieser Krieg zu Ende ist, wie es überhaupt dazu kommen konnte und wie wir das in Zukunft vermeiden. Noch dazu hier vor unserer Haustüre, wo wir Einwirkungsmöglichkeiten gehabt hätten und immer noch haben.

Sie wurden bekannt mit Dschinghis Khan, machten Musik mit den Großen der Branche.

Ich habe damals im Zentrallager für Asylbewerber in Zirndorf zu Protokoll gegeben, dass ich eigentlich mit Ian Anderson von Jethro Tull, Jack Bruce von Cream und Al Di Meola zusammenarbeiten möchte. Natürlich haben eben diese mich geprägt, genauso wie meine Produktionen mit Lionel Richie, Phil Collins, Jennifer Rush oder den No Angels – oder auch die Musikerfreundschaften mit Ausnahmekünstlern wie David Garrett oder Udo Lindenberg, aber vor allem Peter Maffay. Begegnungen musikalischer Natur sind immer große Inspirationen.

Welche Gruppe oder welchen Musiker hören Sie am liebsten?

Ich höre eigentlich viel Musik, aber nur gute Musik, und die gibt es in so ziemlich allen Feldern und Genres. Ich lege mich ungern fest, das ist ein beruflicher Aspekt.

Was erwartet die Veranstaltungsbesucher am Dienstag in Gerlingen?

Diese Wiederbegegnung ist eigentlich eine spannende Geschichte, wie 1975 aus der Sicht eines illegalen Einwanderers Deutschland empfunden werden konnte, und wie zwei sehr herzliche Menschen durch ihre schonungslose Ehrlichkeit, auch über den Zweiten Weltkrieg, junge Künstler aus dem Osten patriotische Deutsche werden ließen. Wenn jemandem diese Geschichte einen Abend wert ist, wird er sicherlich sehr viele persönliche Aspekte erleben.

Mit einem Geschenk fing alles an: Mandoki zu Gast in Gerlingen

Veranstaltung
Ein Musiker, ein Kämpfer für die Freiheit, ein Flüchtling und ein Brückenbauer - so wird er in der Ankündigung einer Veranstaltung beschrieben, die am kommenden Dienstag, 24. Mai, 19 Uhr, in der Gerlinger Stadthalle stattfindet. Die Gerlinger SWR-Moderatorin Regina Beck wird mit Leslie Mandoki ins Gespräch kommen über seine Karriere, vor allem aber über seine Wurzeln in Ungarn, seine Flucht 1975 nach Deutschland, nach Gerlingen. Dort, in Gerlingen, war es war die Zeit der Veränderung, die Stadthalle entstand, das Hallenbad wurde gebaut.

Anlass
Dass die Veranstaltung zustande kommt, hat letztlich mit einem Buchgeschenk zu tun. Wie die Gerlinger Stadtverwaltung mitteilt, war die Idee für die Veranstaltung vor einiger Zeit entstanden, doch die Pandemie machte eine Umsetzung jetzt erst möglich. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit war dem damaligen Gerlinger Bürgermeister Georg Brenner vom ungarischen Kulturinstitut Stuttgart ein Bildband von Mandoki geschenkt worden. Hauptamtsleiterin Ulrike Hoffmann-Heer erinnerte sich in diesem Zusammenhang an die enge Verbindung von Mandoki zu Gerlingen und der, inzwischen verstorbenen, städtischen Mitarbeiterin Inge Solter. Über das ungarische Kulturinstitut und dessen Leiter Deszö Szabo wurde der Kontakt zu Mandoki hergestellt.

Eintritt
Der Eintritt zu der Veranstaltung kostet 6,70 Euro inklusive Vorverkaufsgebühr. Der gesamte Erlös geht an das Integrationsprojekt „Begegnungscafé für alle Geflüchteten in Gerlingen“. Snacks und Getränke gibt es ebenfalls gegen eine Spende. Die Gerlinger Band R.E.A.C.H. Rock & Roll gestaltet das Rahmenprogramm. Eine Anmeldung ist per Telefon unter 0 71 56 / 2 05 81 02 oder im Netz auf der Seite https://www.gerlingen.de/mandoki möglich.