Dem Land Baden-Württemberg gehören mehr als 200 kulturhistorisch bedeutsame Monumente. Schloss Kaltenstein bei Vaihingen an der Enz steht im Moment leer. Nun werden europaweit die Fühler nach einem Pächter ausgestreckt. Wird es Interessenten geben?

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Schloss Kaltenstein thront weithin sichtbar über Vaihingen an der Enz (Kreis Ludwigsburg) auf einem 271 Meter hohen Muschelkalkfelsen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde ein Bau an dieser Stelle im Jahr 1096 als „Castrum Vehingen“. Seitdem hat die Wehranlage unter der Ägide verschiedener Adelsgeschlechter eine wechselvolle Geschichte erlebt, ehe schon im 14. Jahrhundert das Haus Württemberg die Regie übernahm und einen Obervogt als Statthalter einsetzte, der aber meist durch Abwesenheit glänzte, wie es in den Annalen heißt.

 

Das passt zum Thema. Denn verwaist ist der prächtige Gebäudekomplex aus sogenannten Buckelquadern auch wieder, seit vor einigen Jahren die Bildungseinrichtung des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland sein Domizil dort aufgegeben hat. Jetzt aber bereitet das Finanzministerium des Landes eine europaweite Ausschreibung vor mit dem Ziel, einen neuen Schlossherren, sprich Pächter, zu finden. Da werde sich zeigen, wie groß das Interesse an solch einer Immobilie sei, sagt ein Sprecher der Ministerin Edith Sitzmann (Grüne): Es gebe jedenfalls Impulse aus der Gastronomie, dass das Konzept eines Hotel- und Gaststättenbetriebes „an diesem außergewöhnlichen Ort funktionieren könnte“. Zu bespielen sind immerhin 3500 Quadratmeter Grundfläche. Auch ein Weinberg gehört zu dem Anwesen.

Immer mehr Besucher

Die Ausschreibung erregt Aufmerksamkeit, weil das Land nicht alle Tage nach Obervögten moderner Prägung Ausschau hält. Dabei ist es zumindest in jenen staatlichen Monumenten, die unter dem Dach der Staatlichen Schlösser und Gärten versammelt sind, längst üblich, Teile der Einrichtungen zu vermieten und zu verpachten – um mit Restaurants, Cafés und Devotionalienhandlungen die Attraktivität zu steigern. Denn das kulturelle Erbe allein, die historischen Bauwerke und deren Interieur, ist heutzutage nicht immer ausreichend, um möglichst viele Besucher anzuziehen.

Gäste aus nah und fern wollten in den Schlössern, Burgen und Klöstern ein „Gesamterlebnis“ genießen, wie Michael Hörrmann sagt, der Chef der landeseigenen, dem Finanzministerium angegliederten Staatlichen Schlösser und Gärten. Dort, wo es über Führungen oder reine Besichtigungen hinaus einen Anlass gibt, sich aufzuhalten, strömen die Massen. Insofern hat der Ausbau der Angebote in diesem Bereich in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass in den Palästen und Abteien der Ahnen stetig mehr Besucher zu verzeichnen sind – allein im vergangenen Jahr „erfreuliche“ 3,9 Millionen, rund 1,6 Prozent mehr als 2016, so zuletzt die Rechnung der obersten Schlossherrin des Landes, eben der Finanzministerin Edith Sitzmann.

Bei der Vermarktung sind immer neue Ideen gefragt

Dass der Publikumserfolg kein Selbstläufer ist, macht sogar eine Paradeeinrichtung wie das Heidelberger Schloss deutlich, das zum Standardprogramm von Europatouristen aus den USA, aus China und Japan zählt und dessen Tore pro Jahr 1,2 Millionen Mal passiert werden. Der Patron Martin Scharf, 25 Jahre lang ununterbrochen mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, serviert in drei verschiedenen Gastronomien – Schlossweinstube, Backhaus und Vinothek – für möglichst viele Geschmäcker und unterschiedliche Geldbeutel. Und im April soll zudem ein Gourmetfestival, angelehnt an das von den Schlössern und Gärten ausgerufene Themenjahr „Tisch und Tafel“, als Magnet fungieren. „Stillstand ist Rückschritt“, weiß auch der umtriebige Schlösserchef Hörrmann. „Wir müssen uns ständig hinterfragen und müssen immer neue Ideen entwickeln.“

Am Beispiel des Schlosses in Ludwigsburg lässt sich illustrieren, dass sich Veränderungen im Angebot positiv auswirken können. Ein differenzierteres Führungskonzept und Sonderschauen wie „Faszination Lego“ haben dem Barockschloss im vergangenen Jahr ein Plus von 6,5 Prozent auf 350 000 Besucher beschert – und damit die Einnahmen nach oben getrieben.

60 Kulturschätze in der Obhut

Nach Angaben des Finanzministeriums fallen für das Bau- und Gebäudemanagement im Bereich der Schlösser und Gärten pro Jahr rund 24 Millionen Euro an Kosten an. Dem stehen aber auch Erlöse in deutlich zweistelliger Millionenhöhe gegenüber. Hörrmann ist mit seinen Mitarbeitern Herr über rund 60 Kulturschätze – vom Kloster Maulbronn über das Residenzschloss in Mannheim und die Grabkapelle auf dem Württemberg bis hin zu Schloss Salem unweit des Bodensees und zur Festungsruine Hohentwiel.

Betreut werden diese Kulturgüter von elf sogenannten Ortsverwaltungen, die in 19 Fällen eng mit Pächtern der jeweiligen Burgschenken und Schlossgaststätten zusammenarbeiten – so wie neuerdings auch im Fall des Hohenneuffen, der mit 743 Metern höchstgelegenen Immobilie des Landes. Die Burg – um 1100 von Mangold von Sulmetingen erbaut und viel später, 1948, in einer Dreiländerkonferenz der Geburtsort von Baden-Württemberg – soll in Zusammenarbeit mit der Gastronomenfamilie Vetter noch besser vermarktet werden als bisher. Gerade erst wurde sie renoviert. Hier wie anderswo setzt Hörrmann auf eine „langfristige Zusammenarbeit“ mit den Pächtern. Eine kurzfristige Pachtoptimierung sei nicht das Ziel.

Denn eines weiß Hörrmann aus Erfahrung auch: Gute Schlossherren zu finden ist eine schwere Aufgabe. Ob die Suche im Falle des Schlosses Kaltenstein hoch über Vaihingen/Enz erfolgreich sein wird, muss sich weisen. Der Oberbürgermeister Gerd Maisch ist jedenfalls zuversichtlich, wie er schon im Herbst gesagt hat: „Wir glauben, dass das Schloss eine Zukunft hat.“