Unangemeldete „Montagsspaziergänger“ stören in Renningen mit Rufen, Pfiffen und Trommeln die Gemeinderatssitzung.

Renningen - Teilnehmer eines sogenannten Montagsspaziergangs haben sich am vergangenen Montag vor dem Bürgerhaus in Renningen versammelt, während dort die Sitzung des Gemeinderates stattfand. Mit einem Spaziergang hatte das Ganze allerdings nichts zu tun: Die Teilnehmer der offenkundigen Versammlung standen dicht beieinander und begleiteten das Sitzungsgeschehen mit lauten Rufen, Pfiffen und Trommeln, die durch die Straßen hallten. Man sei an einem konstruktiven Austausch interessiert, gab der Bürgermeister Wolfgang Faißt auf Anfrage an. Aber in einer Demokratie müsse man auch Regeln einhalten.

 

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Die Teilnehmer der „Montagsspaziergänge“ kritisieren die aktuelle Coronapolitik und die damit verbundenen Einschränkungen. Darunter befinden sich betroffene Geimpfte und Impfgegner gleichermaßen. Die Zahl der Teilnehmer in Renningen schätzt die Stadt auf durchschnittlich 100 Personen. „Die Montagsspaziergänge laufen zwar auch in Renningen bisher weitestgehend friedlich ab. Allerdings handelt es sich bei den Spaziergängen um unangemeldete Versammlungen, bei denen auch gegen die aktuelle Coronaverordnung des Landes verstoßen wird“, erklärt Alicia Paulus im Namen der Renninger Stadtverwaltung.

Eine Demonstration muss rechtzeitig angemeldet werden

Die Meinungsfreiheit sei durch das Grundgesetz abgesichert. „Allerdings gibt es in einer funktionierenden Demokratie Spielregeln, die es einzuhalten gilt. Und dazu gehört eben auch, dass eine Demonstration bei der Kreispolizeibehörde in Böblingen rechtzeitig und unter Nennung einer verantwortlichen Person angemeldet wird.“

Wenn sich Teilnehmende der Spaziergänge weder an die gültigen Abstandsregeln hielten noch einen Mund-Nasen-Schutz trügen und es vermehrt zu Verkehrsbehinderungen und Lärmbelästigungen komme, „können künftig Personalien festgestellt und erforderlichenfalls sogar Platzverweise ausgesprochen werden, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Die eigene Freiheit findet dort ihre Grenzen, wo die Freiheit des Nächsten dadurch eingeschränkt wird.“

„Jegliche Verschwörungsmythen sind fernab der Wissenschaft“

Der Bürgermeister Wolfgang Faißt appelliert an alle Bürger: „Sofern ein ernsthaftes Interesse besteht, einen Dialog zu führen und einen aktiven Beitrag dazu zu leisten, wie diese Pandemie gemeinsam beendet werden kann, stehe ich jederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.“ Bisher seien jedoch noch keine konstruktiven Vorschläge präsentiert worden. „Fakt ist allerdings auch: Jegliche Verschwörungsmythen sind fernab der Wissenschaft. Äußerungen, in denen beispielsweise die Wirkung der Impfstoffe infrage gestellt wird, teile ich nicht, und ich werde in Diskussionen dieser Art auch nicht einsteigen.“

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Er sei nicht dagegen, dass Menschen ihrem Ärger auf der Straße Luft machen. „Es gibt viel Kritik, die in Teilen sicher auch berechtigt ist.“ Doch die Spaziergänge bekämen durch die Gruppendynamik einen anderen Zulauf, so Faißt. „Es gibt einige Menschen, die die Grenzen überschreiten wollen, – andere, die einfach nur mitziehen.“

Bei einem Spaziergang mit politischem Ziel handle es sich um eine Versammlung, die vorher angemeldet werden muss, betont er. Wer an unangemeldeten Demonstrationen teilnimmt, „bringt gleichermaßen zum Ausdruck, dass unsere demokratischen Spielregeln nicht akzeptiert werden. Es versteht sich von selbst, dass dies ein Bürgermeister als Leiter der Ortspolizeibehörde nicht unterstützen kann.“

Just nach der Aufforderung von Polizeibeamten, der Versammlungsleiter möge sich bei der Polizei melden, stob die Gruppe der „Montagsspaziergänger“ diese Woche in Gerlingen auseinander. Die laut Polizei rund 150 Teilnehmer hatten sich, wie seit Anfang Januar immer zu Wochenbeginn, dort zum Abschluss versammeln wollen. Doch der Platz war – erstmals – bereits belegt. Rund 120 Teilnehmer waren dem Aufruf der neuen Initiative „Zusammenhalt gegen Corona in Gerlingen“ gefolgt. Diese hat angekündigt, weiterhin im Ort präsent sein zu wollen.