Anfang 2019 hat die ENCW ihre Mobilitätssparte in die neue „Deer GmbH“ ausgegliedert und ihr einen kräftigen Wachstumskurs verordnet.

Calw - Hirsche stehen seit einiger Zeit in Weil der Stadt und Weissach, und zwar mit Calwer Kennzeichen. „Deer“ ist das englische Wort für „Hirsch“, und so heißt der Carsharing-Anbieter aus dem Nordschwarzwald, der sich jetzt auch im Kreis Böblingen ausbreitet.

 

Dahinter steckt der Strom-, Gas- und Wasserversorger „Energie Calw“ (ENCW), eine gemeinsame Tochter der Stadtwerke Calw und der EnBW. Anfang 2019 hat die ENCW ihre Mobilitätssparte in die neue „Deer GmbH“ ausgegliedert und ihr einen kräftigen Wachstumskurs verordnet. Die Calwer wollen zeigen, dass Elektromobilität und Carsharing eben nicht nur in der Stadt funktioniert, wo es, wie etwa in Stuttgart, mit ShareNow und Stadtmobil schon zahlreiche Anbieter gibt.

„Wir wollen diese Art der Mobilität auch im ländlichen Raum erlebbar machen“, sagt Horst Graef, der Geschäftsführer von ENCW und Deer. „Wir wollen das Grundbedürfnis nach flexibler Mobilität auch in Gegenden bedienen, in denen der ÖPNV weniger stark ausgebaut ist.“

Vom 18-jährigen Studenten über Familien mit Kindern bis zu Senioren

Wegen seines Ursprungs in einem Stromversorger konzentriert sich Deer auf Elektroautos. Schon seit 2011 experimentieren die Calwer nach eigenen Angaben mit der Elektromobilität, investieren in die Infrastruktur mit Ladesäulen, sammeln Erfahrungen mit Nutzern und testen Elektrofahrzeuge. Ausgiebig Expertise im Bereich e-Carsharing schreibt man sich in dem futuristisch anmutenden, 2009 eröffneten ENCW-Firmensitz im Calwer Industriegebiet mit dem riesigen Fotovoltaik-Überbau daher zu. „Wir sind im e-Carsharing nicht auf eine bestimmte Zielgruppe fixiert, sondern wollen generell den Menschen nachhaltige Mobilität anbieten“, sagt Deer-Chef Horst Graef unserer Zeitung über den angepeilten Kundenkreis von Deer. Dabei sei man breit aufgestellt und habe vom 18-jährigen Studenten über Familien mit Kindern bis zu Senioren eine breite Nutzerschaft.

Doch es geht nicht nur darum, Autos zur Verfügung zu stellen. „Wir planen und realisieren auch Mobilitätskonzepte“, berichtet Graef. Wer will, dem bauen die Stadtwerke eine Fotovoltaikanlage aufs Dach, aus der dann der Strom für das Fahrzeug kommt. Eine sogenannte Wallbox, also eine private Ladesäule, wird gerne eingerichtet. Der Service werde großgeschrieben, rund um die Uhr erhält man zum Beispiel ein Ersatzfahrzeug, wenn man doch mal eine Panne haben sollte.

Wichtiger Partner für Deer sind die Städte und Gemeinden. Beispiel Weil der Stadt: Dass es dort auf dem zentralen Carlo-Schmid-Platz ein Elektroauto zum Teilen gibt, liegt vor allem an der Stadtverwaltung. Als man im Herbst an dem Plan arbeitete, dort zusätzliche Parkplätze einzurichten, schlug der Beigeordnete Jürgen Katz den Gemeinderäten vor, auch eine Ladesäule für Elektroautos vorzusehen. Etwa 12 000 Euro kostete das. Das Geld stellte Weil der Stadt zur Verfügung, den Bau und die Installation der Säule übernahm Deer aus Calw.

Ein durchaus typischer Fall. „Wir treiben den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit unseren Partnern, wie Kommunen und Stadtwerken, gemeinsam voran“, sagt Horst Graef. Es gebe unterschiedliche Modelle – je nach Anforderung der Nutzer. Auch in Weissach, wo das Deer-Fahrzeug beim Flachter Marktzentrum steht, hat die Gemeinde die Finanzierung der Säule übernommen. Auf Ablehnung sei man bei Kommunen noch nie gestoßen. „Wir haben eine partnerschaftliche Zusammenarbeit“, sagt Graef.

110 Elektrofahrzeuge an insgesamt 195 Ladepunkten

Nach eigenen Angaben hat Deer im ersten Jahr seines Bestehens bereits 1200 aktive Kunden gewonnen und betreibt 110 Elektrofahrzeuge an insgesamt 195 Ladepunkten. Und das soll nicht so bleiben. In diesem Jahr noch wolle er die Anzahl der Fahrzeuge verdoppeln, kündigt der Geschäftsführer auf Nachfrage an: „In ganz Baden-Württemberg wollen wir auch 2020 weiterwachsen.“ Bis nach Geislingen an der Steige und Brackenheim reicht das Verbreitungsgebiet der Calwer bislang.

Punkten will Deer zudem bei den Preisen. Pro Stunde kostet etwa der gut ausgestattete e-Golf oder Renault Zoë 5,90 Euro, pro Tag 34,90 Euro – inklusive Strom an den eigenen Zapfsäulen. Horst Graef ist davon überzeugt, dass das Geschäftsmodell sich trägt – auch auf dem Land, wo die Nutzerstruktur nicht so dicht ist wie in der Stadt. „Wir wollen im ersten Jahr schwarze Zahlen schreiben“, sagt er mit Blick auf 2020.