Brüssel hält Geld zurück, weil Budapest die versprochenen Reformen zur Korruptionsbekämpfung nicht umsetzt.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Viktor Orbán war bis zur letzten Minute siegessicher. Aber nun zeichnet sich ab, dass Ungarn vorerst doch die EU-Hilfen in Milliardenhöhe verwehrt bleiben. Zwar hat der Regierungschef in Budapest versprochen, den Kampf gegen Korruption und Missbrauch von EU-Geldern voranzutreiben, doch sind laut einer Expertengruppe der EU-Kommission die Maßnahmen nicht ausreichend. Brüssel wird den EU-Mitgliedstaaten deswegen vorschlagen, rund 7,5 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt nicht an Ungarn zu bezahlen.

 

Rückendeckung aus dem EU-Parlament

Rückendeckung erhält die EU-Kommission aus dem Europaparlament, wo das Thema am Donnerstag zur Debatte stand. „Zu oft hat die Kommission jedes noch so kleine Reförmchen als Feigenblatt genommen, um das eigene Einknicken vor dem Regime Orbán zu kaschieren“, sagt die SPD-Abgeordnete Katarina Barley. Es dürfe keine „faulen Kompromisse mehr geben“.

Brüssel hatte Ungarn die Vorgabe gemacht, bis Mitte November ein Reformpaket umzusetzen, damit die Milliarden freigegeben werden können. Ungarns Justizministerin Judit Varga hatte in diesen Tagen bei einem EU-Ministertreffen in Brüssel noch versichert, Ungarn erfülle alle Verpflichtungen. Das aber sehen die EU-Experten anders. Zentrale Maßnahmen seien angekündigt, aber nicht umgesetzt worden, heißt es aus der Kommission. Zudem fehlten oft die Informationen über geplante Schritte.

Die Gelder sollen eingefroren werden

Deshalb wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorschlagen, die Hilfen für Ungarn zurückzuhalten. Dem könnte dann Anfang Dezember bei einem Treffen der EU-Finanzminister zugestimmt werden. Notwendig wäre dafür eine qualifizierte Mehrheit - mindestens 15 der 27 EU-Staaten müssten zustimmen, und diese müssten zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Möglich wird dieses Verfahren wegen des neuen Rechtsstaatsmechanismus. Der erlaubt es der EU-Kommission, Fördergelder zurückzuhalten, wenn etwa in einem Land die Korruption ausufert oder rechtsstaatliche Strukturen in Gefahr sind.

Einen milliardenschweren Streit gibt es auch um die Auszahlung der Coronahilfen. Brüssel will die Zuschüsse in Höhe von fast sechs Milliarden Euro erst an Budapest überweisen, wenn die Regierung einen Reform- und Investitionsplan vorlegt. Zentral sind auch hier Maßnahmen gegen die Korruption, zudem wird eine Reform des Justizapparates angemahnt.

Orbán könnte EU-Entscheidungen blockieren

Erwartet wird, dass Ungarns Premier Orbán versuchen wird, Druck auf die EU-Kommission auszuüben. Die Regierung in Budapest könnte Entscheidungen blockieren, für die in der EU Einstimmigkeit erforderlich ist – etwa für Sanktionen gegen Russland oder Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine. Der Streit zwischen Brüssel und Budapest wird in Polen mit größtem Interesse verfolgt werden. Die EU-Kommission hält auch im Fall von Warschau Milliardenhilfen zurück.