In Merklingen hält Michael Schweda seltene Hochland-Rinder. Die wachsen langsam und sind eigentlich nicht wirtschaftlich. Warum macht er das trotzdem?

Renningen - Angefangen hat alles mit Apfelsaft. Den wollte Michael Schweda pressen und war dafür auf der Suche nach Streuobstwiesen. Plötzlich hatte er aber ganz viel Gras, das unter den Bäumen zu mähen war. Und was macht man mit viel Gras? „Eigentlich wollte ich ja schon immer Kühe haben“, sagt er, und betont das so, wie wenn andere über ihre neuen Welpen und Meerschweinchen sprechen – um dann doch etwas zu schmunzeln.

 

Der 30-jährige Renninger hat einen Bürojob bei einer Friolzheimer Spedition. Ein Hund als neues Haustier würde da besser ins Bild passen. Jetzt aber steht er auf einer Wiese oberhalb von Merklingen und betrachtet zufrieden seine 23 Kühe. Es sind schottische Hochlandrinder, die bedächtig dastehen und ihr zotteliges Fell wuscheln. „Dieses Zottelige liebe ich, die Hochlandrinder haben mir schon immer gefallen, denn es sind wunderschöne Tiere“, erklärt Michael Schweda. „Und es ist eine Rasse, die exakt zu mir passt.“

Denn einen Stall hat er nicht, die Tiere sind das ganze Jahr über draußen. Ihnen macht das nichts, auch in den nordwestschottischen Hebriden leben sie weitgehend auf sich alleine gestellt, im Sommer und im Winter. Zweimal in der Woche bringt er einen frischen Heuballen, alle zwei Wochen gibt es ein neues Fass mit 4000 Litern Wasser. „Viel zu tun gibt es nicht“, sagt Schweda und verharmlost damit die Arbeit vielleicht ein bisschen. Denn er ist mindestens zweimal am Tag bei den Rindern, oft schon um 6 Uhr morgens vor seinem Arbeitsbeginn im Büro.

Zwei Jahre lang besucht er nebenberuflich die Fachschule für Landwirtschaft

Ein umtriebiger schwäbischer Schaffer ist Michael Schweda schon immer gewesen. Nach der Schule hat er mit 15 Jahren erst eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker gemacht, dann eine Ausbildung zum Speditionskaufmann. Er arbeitet noch immer in diesem Beruf, hat Frau und Kinder und ein Nebengewerbe für Landschaftspflege. Zusammen mit vier Mitarbeitern macht und verkauft er da vor allem Brennholz. Und trotzdem hatte er offenbar noch Zeit, denn in den vergangenen zwei Jahren hat Michael Schweda die Fachschule für Landwirtschaft in Nagold besucht und einen Abschluss als Landwirt im Nebenerwerb gemacht.

Als solcher ist es schon ein bisschen logischer, sich Kühe zulegen zu wollen. In Empfingen (Kreis Freudenstadt) hatte Schweda eine Bäuerin gefunden, die schottische Hochlandrinder züchtet. Im März 2017 ist er dorthin gefahren, und hat sich die ersten Tiere geholt. Jetzt ist es eine Herde von 23 Schätzchen, alle haben einen Namen – und alle haben schon Freunde in der Bevölkerung. Bei Spaziergängern sind die seltenen Geschöpfe Gesprächsthema. Vier bis fünf Streuobstwiesen hat Schweda mittlerweile als Weiden gefunden. „Erst gestern hat eine Frau gefragt, warum die Tiere nicht das ganze Jahr über in Merklingen sind“, berichtet der Neu-Landwirt. Aber das geht nicht, wenn die Tiere zu viel trampeln, wächst kein Gras mehr.

Missverständnisse gibt es dann mitunter auch. „Neulich bekam ich einen empörten Anruf, warum die armen Kälbchen nicht im warmen Stall sind“, erzählt Michael Schweda. Dann erklärt er freundlich, dass die schottischen Rinder nirgends lieber als im Freien sind.

Das merkt man auch am Fleisch, das viel langsamer wächst als bei konventionellen Tieren. Es ist ganz feinfasrig, ähnlich wie Wild, und arm an Kalorien und Fett. Natürlich verkauft Michael Schweda die Produkte seiner Hochlandrinder – und dafür muss er sie schlachten.

In Hessigheim (Kreis Ludwigsburg) hat er einen jungen Metzger gefunden, der selbst Hochlandrinder hält, und sie völlig ohne Stress tötet. Alle drei Monate lädt Michael Schweda dann drei Tiere in seinen Anhänger, fährt nachts nach Hessigheim, lädt sie dort um 2 Uhr morgens aus und ist bis zum Schluss bei ihnen. „Das tut mir schon weh“, muss er gestehen. „Mittlerweile bin ich direkt beim Schuss auch nicht mehr dabei.“ Betäubt fällt das Tier zu Boden, bekommt einen Schnitt in die Kehle und wird dann abgehangen.

Das Fleisch ist begehrt. Man kann es bei Michael Schweda bestellen, auch eine Kita in Malmsheim ordert schon regelmäßig ein halbes Rind. Beim Abpacken der verschiedenen Fleisch- und Wurstteile ist mittlerweile die ganze Familie Schweda beteiligt, und ein Renninger Neulandwirt schaut zufrieden auf das, was er sich da aufgebaut hat.

„Ich sehe, dass wirklich was rauskommt dabei“

Einen sechsstelligen Betrag hat er inzwischen investiert, in Anhänger, Maschinen und einen passenden Pick-up. „Es war harte Arbeit bis dahin, wo ich jetzt stehe“, sagt der 30-Jährige. „Aber ich sehe, dass wirklich was rauskommt dabei.“

Aber das ist natürlich noch lange kein Grund, auszuruhen oder stehenzubleiben. „Ich will unbedingt eine Scheune bauen“, sagt er. Momentan stehen seine Geräte im Freien. Michael Schwedas großes Ziel ist es, von der Rinderhaltung leben zu können und hauptberuflicher Landwirt zu werden. Das aber ist für jemanden, der keine Äcker und Wiesen erbt, fast unmöglich. „Ich finde keine Grundstücke“, berichtet er über die Suche. „Niemand will etwas verkaufen.“ Schweda lässt sich natürlich nicht aufhalten, sucht weiter.

Inzwischen hat er sogar einen Bullen, denn auch wenn Nachwuchs ansteht, kommt bei den Hochlandrindern kein Tierarzt mit der Spritze, sondern alles verläuft natürlich. Auch später dann die Geburt. „Ich war nur einmal bei einer Geburt dabei, weil ich zufällig da war“, erzählt der Renninger.

An einem Nachmittag war das, Schweda muss es suchen, weil ein Rind fehlt: „Ich habe es dann im Gebüsch gefunden, wo es lag. Die Pfötchen des Kalbs haben schon rausgeschaut.“ Zwei Minuten später ist das Kalb geboren und wagt sich raus, auf die Merklinger Weide unter den Streuobst-Bäumen.

Michael Schweda ist unter der Nummer 01 74 / 2 17 73 45 zu erreichen.