Der AfD-Politiker Markus Frohnmaier aus Weil der Stadt sitzt für den Kreis Böblingen im Bundestag. Seitdem sorgt der 28-Jährige für Wirbel. Warum?

Weil der Stadt - Seit zwei Jahren ist Markus Frohnmaier Bundestagsabgeordneter, den Einzug in den Gemeinderat Weil der Stadt hat er dagegen verpasst. Was treibt ihn an? Und warum provoziert er? Und was hat er als neugewählter Kreisvorsitzender seiner Partei vor? Das wollten wir von ihm wissen.

 

Herr Frohnmaier, zu wenigen Themen haben sich 2019 so viele Leser gemeldet wie zu unserem Text zu Ihrer Gemeinderatskandidatur in Weil der Stadt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Wir sind eine Partei, die polarisiert. Wir sprechen Themen an, die andere sich nicht mehr anzusprechen trauen oder die man vermeiden will. Tatsächlich vertritt die AfD lediglich viele Positionen, die vor der Merkel-Ära Normalität im Programm der CDU waren. Erschwerend kommt hinzu: Zahlreiche Medien zeichnen ein Bild von uns AfD-Politikern, das fernab der Realität ist...

...na, wir sprechen jetzt mit Ihnen. Waren Sie sehr enttäuscht, dass die Weil der Städter Sie nicht gewählt haben?

Nein, so funktioniert eben Demokratie. Ich hatte mich zudem erklärt, unsere Liste aufzufüllen, weil wir für Weil der Stadt nur drei Kandidaten gefunden haben.

Heißt das, Sie hätten Ihr Mandat abgelehnt, wenn Sie gewählt worden wären?

Nein, ich hätte es natürlich angenommen. Wenn ich gewählt worden wäre, hätte ich die Aufgabe sehr ernst genommen. Aber es ist nicht so, dass ich zu wenig zu tun habe.

Die AfD ist aufgrund bundespolitischer Themen entstanden. Erst war das der Euro,   dann die Migrationspolitik. Warum braucht man die AfD überhaupt in der Kommunalpolitik?

Beim Euro stimmt das. Die Folgen der Flüchtlings- und Migrationspolitik hingegen spielen im Kreis und auf kommunaler Ebene tatsächlich eine große Rolle. Die Bundesregierung hat bestellt, und die Rechnung sollen jetzt die Kommunen bezahlen. Gerade was die Unterbringung anbelangt, werden sie alleine gelassen.

Der Kreis sowie die Städte und Gemeinden sind verpflichtet, Flüchtlinge unterzubringen. Was hätten Sie 2015 anders gemacht?

Ich hätte mir gewünscht, dass die Landräte ihr Wort erheben und der Bundesregierung sagen, dass sie mit der Politik der offenen Grenzen nicht einverstanden sind.

Ihr Wahlprogramm für die Kreistagswahl war arg dünn, für Weil der Stadt hatten Sie gar keines. Die Wähler wussten gar nicht, wem sie da ihre Stimme geben.

Wir sind eine sehr junge Partei. Es gibt natürlich einige kommunale Themen, zu denen wir unsere Positionen erst finden müssen. Das tun wir derzeit. Wir hatten zum Kommunalwahlkampf darüber diskutiert, wie wir zur Zukunft der Kreiskrankenhäuser in Leonberg und Herrenberg stehen. Bei jeder Gelegenheit spreche ich den Zustand der Magstadter Straße zwischen Schafhausen und Magstadt an. Das ist für mich ein riesiges Ärgernis.

Das ist eine Landesstraße. Das heißt, Gemeinde- und Kreisräte können da nichts ausrichten.

Ja, der Landrat hat mir selbst schon bestätigt, dass diese Straße auf der Prioritätenliste ziemlich weit hinten ist. Das ist aber ein prinzipielles Problem: Wenn ich von Schafhausen nach Sindelfingen fahre und drei Mal ins Funkloch komme, bin ich erstaunt. Hier soll die Herzkammer der Industrie sein? Ähnlich ist es bei der Internet-Versorgung. Auch meiner Frau ist das als erstes aufgefallen, als sie damals nach Deutschland gekommen ist. Bei ihr zuhause in Moskau gibt es an jeder Ecke öffentliches W-Lan.

Also noch mal: Haben die anderen Parteien wirklich so schlecht gewirtschaftet, dass es jetzt im Kreistag und in den Gemeinderäten zusätzlich noch die AfD braucht?

Für jede Partei ist es wichtig, dass sie auch kommunal verankert ist. Nirgends ist man näher dran am Bürger. Dass wir noch dazulernen müssen, ist klar.

Bleiben wir noch beim Wahlkampf. Sie hatten in großen Städten wie Böblingen oder Sindelfingen nur drei Kandidaten gefunden, in Leonberg überhaupt keine. Besonders stark kann die AfD nicht verankert sein.

Die Verankerung misst man am besten an   den Wählerstimmen, und da sind wir momentan laut aktuellem „ARD-Deutschlandtrend“ auf Bundesebene mit 15 Prozent über dem Ergebnis der jüngsten Bundestagswahl von 2017.

Das nutzt aber nichts, wenn sie keine Kandidaten für die Listen finden.

Über keine andere Partei wurde in den vergangenen sechs Jahren schlechter geschrieben als über die AfD – nicht immer, aber überwiegend unberechtigt. Hinzu kommt, dass viele Bürger, die sich gerne engagieren würden, Angst vor sozialer Ausgrenzung oder beruflichen Konsequenzen haben, wenn sie für die AfD kandidieren. Nach einer repräsentativen Studie des Allensbach-Instituts zur Meinungsfreiheit aus dem vergangenen Jahr wagt nur noch jeder fünfte Deutsche in der Öffentlichkeit seine Meinung frei zu äußern. Das spricht nicht gerade für unsere demokratische Freiheit.

Was wollen Sie tun?

Wir wollen es den Leuten so einfach wie möglich machen, für die AfD zu kandidieren. Wir wollen auf Gewinnerthemen setzen.

Haben Sie diesbezüglich schon Christian Pfaundler, dem neuen Weil der Städter AfD-Stadtrat, Tipps gegeben?

Ja, wir haben uns mittlerweile zusammengesetzt. Die Vernetzung zwischen den Gemeinde- und Kreisräten treiben wir momentan voran. Wir wollen besprechen, wie wir Themen gemeinsam angehen und in die Gremien streuen können.

Protest gibt es viel in der AfD, auch innerparteilichen Streit. Kann man eine eine solche Partei wirklich ernst nehmen?

Wir sind alle in einer Partei – und die Partei täte gut daran, wenn sie sich mehr auf den politischen Gegner konzentriert und weniger Selbstbeschäftigung betreiben würde.

Die Menschen im Kreis Böblingen fragen sich: Wer vertritt uns da in Berlin? Der „Spiegel“ hat im April 2019 aus einem Strategiepapier der russischen Regierung zitiert. Demzufolge werden Sie als „unter absoluter Kontrolle der russischen Regierung stehender Abgeordneter“ bezeichnet.

Ich mache zwar gute Arbeit. Aber ich glaube nicht, dass Wladimir Putin den Markus Frohnmaier aus Schafhausen auserwählt, um die Bundesrepublik zu destabilisieren. Ich fand diese Vorwürfe zu albern.

Haben Sie in Deutschland nicht genügend zu tun, als dass Sie auf der Krim bei einem Wirtschaftsforum in Jalta Vorträge halten müssen?

Da muss man den Kontext sehen. Ich bin entwicklungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Und das Wirtschaftsforum ist eines der größten europäischen Wirtschaftsforen mit Teilnehmern aus mehr als 60 Nationen.

Im Oktober sind Sie zum Böblinger AfD-Kreisvorsitzenden gewählt worden. Was haben Sie da vor?

Wir müssen die Organisationsstrukturen ausbauen und wollen Kreistags- und Gemeinderatsmitglieder im Kreis vernetzen. Und dann will ich die Gemeinschaft aller etwa 200 Mitglieder stärken.

Die AfD verändert die politische Debatte. Als Sie zum Beispiel im Februar im Weil der Städter Klösterle eine Veranstaltung abgehalten haben, haben vor der Tür 200 Menschen dagegen demonstriert. Das gab’s noch nie, dass bei einer Veranstaltung einer Partei alle anderen Parteien vor der Tür dagegen demonstrieren.

Mir tut es leid für die anderen Parteien. Wenn sie dort Veranstaltungen ausrichten, kommen nicht so viele Besucher, wie wenn es gegen die AfD geht. Das bedeutet, mit ihren politischen Inhalten können sie die Bürger nicht mehr erreichen. Wir sind aber froh, dass alles friedlich ablief.

Beunruhigt Sie die Schärfe dieser Auseinandersetzung? Die anderen Parteien nehmen Sie offenbar nicht als seriösen Gesprächspartner auf Augenhöhe ernst.

Man nimmt uns offenbar so ernst, dass man seinen Samstagabend in der Kälte vor dem Klösterle verbringt und irgendwelche Slogans gegen die AfD skandiert. Jeder in Deutschland hat natürlich das Recht, sich friedlich zu versammeln.

Liegt das nicht an der AfD, dass die gesellschaftliche Debatte derzeit so ins Unterirdische abgleitet?

Finde ich nicht.

Finden Sie nicht?

Nein, aber in den sozialen Medien wird gerne auch mal überspitzt formuliert.

Bei Twitter haben Sie die Grünen als „Kinderschänder-Partei“ bezeichnet.

Die Grünen sind die einzige Partei, die eine Pädophilie-Kommission einrichten musste, um die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Umgekehrt skandalisieren die Grünen eines von 30 000 Mitgliedern der AfD, das mal was Deppertes gesagt hat.

Es geht aber darum, wie man so eine Debatte führt.

Auf Twitter äußern sich täglich tausende deutsche Politiker und Journalisten. Insbesondere Journalisten, die nicht nur schreiben, wie es ist, sondern ihre eigene Meinung einfließen lassen. Soziale Medien funktionieren eben so, dass man auch mal deftig formulieren muss, damit man die Debatte anstößt. Wichtig ist, dass man es anschließend begründen kann.

Die Provokation als legitimes Mittel?

Provokation als Stilmittel, ja. Das ist notwendig, weil die Medien über unsere hervorragende Sacharbeit in den Parlamenten überhaupt nicht berichten und versuchen uns totzuschweigen. Sich bei Twitter bei tausenden Tweets von anderen Nutzern abzuheben, ist gar nicht so einfach.