Der Malteser Hilfsdienst hat in Korntal-Münchingen die landesweit erste Rettungsdienstschule eröffnet. Warum ist das Ausbildungszentrum so bedeutsam?

Korntal-Münchingen - Johannes Pranghofer rettet Leben – und er bringt anderen Menschen bei, wie das geht. Der 38-Jährige unterrichtet an der Rettungsdienstschule der Malteser im Korntal-Münchinger Stadtteil Korntal, die er zugleich leitet. Das Ausbildungszentrum ist bedeutsam: Es ist die landesweit erste Rettungsdienstschule des Hilfsdienstes, mit der er auch dem branchenweiten Fachkräftemangel entgegenwirken will.

 

Außerdem wächst der Hilfsdienst stetig, da braucht er erst recht Nachwuchs aus den eigenen Reihen, um sich zukunftssicher aufzustellen. Bis 2011 hätten Rettungsdienste viel Nachwuchs über den Zivildienst gewonnen, sagt Johannes Pranghofer, der ihn beim Roten Kreuz leistete – und sich seitdem ein Leben ohne Rettungsdienst nicht mehr vorstellen kann. Auch um den „Kontakt zum Einsatzdienst und zur Straße zu halten“ und als Lehrer aus dem Alltag berichten zu können, übernimmt der 38-Jährige bis zu drei Schichten im Monat.

Dreijährige Ausbildung an drei Lernorten

22 Schülerinnen und Schüler werden zurzeit in Korntal Notfallsanitäter. Bisher besuchte der Nachwuchs aus Baden-Württemberg die Schule im benachbarten Rheinland-Pfalz oder Schulen anderer Hilfsorganisationen. „Die Ausbildung in den Kliniken erfolgt über eine sehr gute und vertragliche Absicherung mit den Kooperationspartnern“, sagt Pranghofer. Er nennt es einen „gewollten Nebeneffekt“, dass die Malteser dank der nun eigenen Schule Mitarbeiter noch besser an sich binden können.

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Drei Jahre lang dauert die Ausbildung: In der Schule lernt der Nachwuchs Theorie – Staatsbürger- und Berufskunde, wissenschaftliches Arbeiten, notfallmedizinische Grundlagen, Gesundheitsförderung –, die Praxis erhält er an einer Lehrrettungswache und in Kliniken. Landesweit haben die Malteser 21 Lehrrettungswachen. Insgesamt zählen sie hier fast 50 Rettungswachen und Notarztstandorte, mehr als 1000 Mitarbeitende und jährlich rund 133 000 Einsätze – Tendenz steigend. Damit bildeten die Malteser „eine der festen Säulen der präklinischen Versorgung im Land“.

Notfallversorgung ist stabil, aber . . .

Wer in Baden-Württemberg in Not ist, dem helfen neben den Maltesern die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und das DRK. Letzteres ist mit einem Marktanteil von 80 Prozent besonders groß und verbreitet, was historisch bedingt ist. Doch der Marktanteil der Malteser lege zu, sagt Johannes Pranghofer, rund um Stuttgart sei man gut vertreten, auch beim Krankentransport. Trotz des Fachkräftemangels könne der Rettungsdienst die Patienten noch gut versorgen – auch in Zeiten von Corona, was zusätzliche Dienste bedeute. Die Notfallversorgung sei stabil, allenfalls müssten längere Transportwege in Kauf genommen werden, wenn eine Klinik ausgelastet ist.

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Insgesamt gibt es laut Pranghofer einen zunehmenden Bedarf der Menschen an Leistungen des Rettungsdienstes und damit auch der Malteser, an schneller Hilfe, den der 38-Jährige mit gesamtgesellschaftlichen Veränderungen erklärt: Es würden immer mehr Haus- und Landärzte fehlen, gleichzeitig kleinere Kliniken schließen.

Job mit zahlreichen Herausforderungen

Pranghofer sagt, die Abbruchquote bei Azubis liege niedrig im einstelligen Bereich, die angehenden Notfallsanitäter seien sich weitgehend bewusst, was ihr Job auch an Herausforderungen mit sich bringt: Schichtdienst, Kranke, Schwerverletzte, Sterbende, Außenstehende, die gaffen, pöbeln, attackieren. „Maßnahmen zum seelischen Selbstschutz sind ein Baustein in der Ausbildung“, so Pranghofer. Als er sich vor 20 Jahren ausbilden ließ, sei das noch nicht so das Thema gewesen. In der Ausbildung hat der Nachwuchs auch Kontakt etwa zur Polizei.

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Rettungsdienstler sollten bereit sein, lebenslang zu lernen, zum Dienst am und mit Menschen und die Fähigkeit haben, sich in andere hineinzuversetzen. „Wir gehen stets empathisch auf die Bedürfnisse unserer Patientinnen und Patienten ein und versuchen, deren Hilfeersuchen wann immer möglich zu lösen, beizustehen und aufzufangen“, sagt Pranghofer. „Daraus ziehen viele von uns viel Kraft und Energie, denn wir wissen, dass wir helfen konnten und können.“

Im Notfall spielt die Kreisgrenze keine Rolle

Woher kommt der bodengebundene Notarzt im Ernstfall?
Der Notarzt kommt in einem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zum Einsatzort. Grundsätzlich wird in der Notfallrettung das Rettungsmittel eingesetzt, das den Notfallort am schnellsten erreichen kann. Im Rettungsdienstbereich Ludwigsburg werden sechs NEF an fünf Standorten vorgehalten: Vier verantwortet der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), zwei das DRK. Außerdem gibt es 15 Rettungswagen (RTW). Davon betreibt acht das DRK, fünf der ASB und je einer die Malteser und Johanniter. Im Kreis Böblingen gibt es sechs Rettungswachen nebst der Standorte an den Krankenhäusern.

Spielen Grenzen in den Randgebieten der Landkreise für die Alarmierung eine Rolle?
Die Integrierten Leitstellen alarmieren nach Eingang des Anrufs das nächstgelegene einsatzbereite Fahrzeug oder den am Leonberger Krankenhaus stationierten Hubschrauber. Weil die Nähe zum Einsatzort entscheidet, erfolgt die Alarmierung im Zweifel bereichs-, also landkreisübergreifend.

Wie sind die Fahrzeuge besetzt?
Grundsätzlich würden die Fahrzeuge des Rettungsdienstes gemäß Rettungsdienstgesetz besetzt, sagt Stefan Kopp vom Bereichsausschuss Ludwigsburg. Es sieht folgende Qualifikationen vor: Im Krankentransportwagen (KTW) sitzen mindestens ein Rettungssanitäter und ein Rettungshelfer, im RTW mindestens ein Notfallsanitäter und ein Rettungssanitäter. Ein NEF ist mit mindestens einem Notarzt und einem Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter besetzt.

Warum ist das DRK regions- und landesweit präsenter als andere Hilfsdienste?
Das ist historisch bedingt. Vor 1933 gab es viele Hilfsorganisationen, das DRK entstand 1921. Im Nationalsozialismus wurde das Krankentransportwesen vereinheitlicht und dem gleichgeschalteten DRK zugewiesen. In der amerikanischen Besatzungszone dominierte das DRK. In den 1950ern gründeten sich wieder andere Hilfsorganisationen, die Johanniter (evangelisch) 1952, die Malteser (katholisch) ein Jahr später. Der ASB (konfessionell-unabhängig) existiert seit 1888.