Viele Themen schlucken nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Welche Entwicklung hat Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn die meisten Nerven gekostet?
Nerven im Sinne von Kräften hat mit Sicherheit die Ansiedlung des Bosch-Forschungszentrums gekostet. Das waren so langwierige und schwierige Verhandlungen, in denen ein ganzes Netzwerk von Personen auf den verschiedenen Ebenen mitgewirkt hat. Auch gesundheitliche Spuren haben diese jahrelangen Anstrengungen hinterlassen, das gebe ich offen zu. Aber mit der Ansiedlung dieser Grundlagenforschung der Robert Bosch GmbH mit weltweiter Bedeutung, mit Arbeitsplätzen, die ansonsten weltweit gesucht werden müssen, direkt vor unserer Haustüre ist uns etwas Einzigartiges gelungen, wofür es wert war, zu kämpfen. Und der Erfolg gibt uns, denke ich, Recht.
Gibt es sonst noch etwas?
Was auch schwieriger wird, wenn ich die vergangenen 17 Jahre so passieren lasse, sind die Ansprüche der Menschen. Es kommen immer schneller Vorwürfe – und oft auch in harschem Ton. Man erwartet, dass das realisiert wird, was man sich selbst wünscht, aber es fehlt immer mehr der Blick für das große Ganze in unserer Stadt als Bürgergesellschaft. Oft fehlt auch der Blick für notwendige Vorbereitungen, für finanzielle Prioritäten und auch für andere Interessenslagen in der Bevölkerung, die von der Stadt ebenso abzuwägen sind. In Teilen habe ich dafür Verständnis, als junge Familie steht man Situationen gegenüber, die schwierig sind. Dann erwartet man natürlich, dass die Stadt einem hilft. Wichtig ist mir in diesen Situationen der wertschätzende Umgang miteinander.
Haben Sie ein Beispiel parat?
Jemand hat eine Wohnung in Schnallenäcker II an der Nelkenstraße gekauft und wundert sich jetzt, dass auf dieser Straße Verkehr ist – und erwartet von der Stadt, dass dagegen etwas getan wird. Da fällt mir nichts mehr ein. Und doch machen mir die vielfältigen Aufgaben nach wie vor viel Freude. Im Grunde ist Bürgermeister mit der schönste Beruf, den man sich vorstellen kann. Gemeinsam mit vielen engagierten Menschen – im Ehrenamt und im Hauptamt – können wir für unsere Stadt viel bewegen und Neues schaffen – auch wenn dies oft große Anstrengungen und zeitlichen Aufwand bedeutet.
Umso wichtiger ist da vermutlich der Ausgleich. In vergangenen Gesprächen hatten Sie bereits gesagt, dass für Privates oft wenig Zeit bleibt. Mittlerweile sind Ihre drei Kinder erwachsen. Hat das etwas daran geändert, wie Sie Ihren Arbeitsalltag oder die Freizeit gestalten?
Das leerer werdende Haus ist manchmal etwas schmerzhaft, weil man merkt, dass man viel verpasst hat. Aber oft fällt es einem gar nicht so stark auf, weil nach wie vor eine hohe Schlagzahl im Rathaus herrscht. Es ist ganz und gar nicht so, dass ich sage: Dritte Amtszeit, jetzt lässt du es mal etwas ruhiger angehen. Es sind immer wieder neue Projekte, die einen mit Haut und Haar in Beschlag nehmen. Ich bin deshalb weiterhin viel hier im Rathaus und wenig daheim.