Ottmar Pfitzenmaier und Christa Weiß von der Fraktionsspitze der SPD Leonberg über hohe Planungskosten, Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum und weniger Verkehr.

Leonberg - Während die bisherigen Gesprächspartner es für die Sommerinterviews zu den großen Umbaugebieten in die Innenstadt gezogen hat, bevorzugen die Sozialdemokraten den Bereich rund um das Ökumenische Zentrum im Leonberger Wohnviertel Ezach. Denn hier, so sagen der Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier und seine Stellvertreterin Christa Weiß, wird die Stadt mehr als 10 Millionen Euro investieren für die Betreuung von Kindern und Schülern investieren.

 

Frau Weiß, Herr Pfitzenmaier, angesichts des bundesweiten Abwärtstrends Ihrer Partei können Sie mit dem Ausgang der Kommunalwahl recht zufrieden sein: Die SPD stellt weiterhin fünf Stadträte.

Pfitzenmaier: Fünf Sitze sind angesichts der schwierigen politischen Großwetterlage in der Tat nicht schlecht. Wir haben den SPD-Trend zumindest ein Stück weit im positiven Sinne gebrochen.

Woran liegt das?

Weiß: Die Persönlichkeitswahl schlägt durch. Man kennt die Kandidaten und wählt Personen und weniger Parteien.

Was sagen Sie zum Ringen um den SPD-Bundesvorsitz?

Pfitzenmaier: Wer sich alles aufgerufen fühlt zu kandidieren, da friert es mich. Die Partei muss dringend aus der großen Koalition raus, um zu sich selbst zu finden.

Weiß: Positiv ist immerhin, dass die Mitglieder wählen können.

Kommen wir zur Kommunalpolitik. Warum treffen wir uns im Ezach?

Pfitzenmaier: Nach dem Abschluss der Leobad-Sanierung findet hier das größte Projekt statt. Die Stadt investiert mehr als 10 Millionen Euro für neue Kindertagesstätten mit insgesamt zehn Gruppen und eine Mensa für die Sophie-Scholl-Schule. Auch ist ein Mehrfamilienhaus für bezahlbaren Wohnraum geplant.

Zehn Millionen sind ein großer Brocken.

Weiß: Wir weisen neue Baugebiete aus, schaffen mehr Wohnraum und damit einen Bedarf an Kinderbetreuung. Die Zuschüsse hierfür sind allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Pfitzenmaier: Um nicht zu sagen: Wir werden von Land und Bund weitgehend alleingelassen. Nicht ohne Grund beträgt das städtische Defizit bei den Ausgaben für Bildung und Betreuung 19 Millionen Euro.

Gibt es keine Möglichkeiten, die Kosten vor Ort zu senken?

Weiß: Tatsächlich wollte die Stadtverwaltung auf den Mensabau verzichten. Aber den Eltern ist die Mensa sehr wichtig. Für   ein Mittagessen müssen die hiesigen Kinder bis zur Mörike-Schule gehen.

Pfitzenmaier: Zumal der Bedarf noch größer werden wird. Die Kinder der künftigen zehn Kita-Gruppen werden danach alle zur Sophie-Scholl-Schule gehen.

Kann man nicht bei den Bauten sparen?

Pfitzenmaier: In der Tat drängen wir darauf, die Kitas möglichst kostenoptimiert zu bauen. Früher wurde uns gesagt, eine Kita-Gruppe kostet eine halbe Million Euro. Dann waren es 650 000 Euro, jetzt sind wir bei einer Million Euro pro Gruppe. Die Philosophie, erst zu planen und dann zu schauen was es kostet, ist nicht mehr zeitgemäß. Ich wundere mich, dass das von vielen im Gemeinderat akzeptiert wird.

Wird in Leonberg zu großzügig gebaut?

Pfitzenmaier: Wir müssen über unsere Standards nachdenken. Bei uns sind schon die Interims-Kindergärten besser als die regulären Einrichtungen in anderen Städten.

Weiß: Zudem werden die Auflagen des Landes immer höher: Jedes Kind hat Anspruch auf mehr Platz und die Lärmschutzvorschriften sind oft überzogen. Bestes Beispiel sind die Vorgaben für die Kita Nord auf dem Engelberg, wo schon der nahe liegende Tennisplatz als starke Lärmquelle bezeichnet wird.

Megaprojekt Postareal

Ein weiteres Megaprojekt ist das Postareal in der Innenstadt. Hier gibt es Aufregung, weil dafür die Bäume vor der ehemaligen Hauptpost wegkommen sollen.

Weiß: Der Grundfehler wurde schon bei der Ausschreibung gemacht, in der die Baum-Problematik nicht klar definiert wurde. So haben wir die Dimension erst erfahren als die Pläne fertig waren.

Pfitzenmaier: Da hätten die Fachleute aus dem Planungsamt dem Gemeinderat vorher sagen müssen, was der Investor vor hat. Jetzt muss ein Kompromiss zwischen Stadt und Investor gefunden werden.

Wie könnte der aussehen?

Weiß: Es muss ein Baum-Mehrwert entstehen. Das heißt, dass für jeden gefällten Baum zwei hochwertige Bäume gepflanzt werden müssen.

Wie finden Sie das Projekt insgesamt?

Weiß: Die Planung gefällt mir. Der Platz ist sehr attraktiv, das Konzept eines Supermarktes mit Öffnung zum Park hin hat Charme.

Pfitzenmaier: Allerdings sind wir mit der   Anlieferungssituation für die Märkte nicht zufrieden. Für eine Lösung brauchen wir noch etwas Zeit, ohne aber gleich alles in Frage zu stellen. So sollte eine zusätzliche Zufahrt von der Bahnhofstraße intensiv geprüft werden. Dann könnte der Verkehr aus Richtung Gebersheim direkt ins neue Gebiet hineinfahren.

Dann gäbe es auch Platz, die Eltinger Straße zweispurig zu machen, so wie es Oberbürgermeister Cohn angeregt hat.

Weiß: Für mich wäre die Reduzierung von vier auf zwei Spuren eine Option. Der Lkw-Verkehr soll nicht durch Leonberg fließen.

Pfitzenmaier: Aber der innerörtliche Verkehr muss fließen. Deshalb möchte ich noch einmal auf unser Konzept hinweisen, das immer wieder irreführend als „Pförtnerampel“ bezeichnet wird. Dabei ist es viel mehr: Durch eine Ampel am Ortseingang wird der Stau aus der Stadt herausgehalten. Es ist doch besser, wenn die Autos außerorts stehen als mittendrin.

Ditzingen wird sich freuen, wenn die Leonberger ihren Verkehr einfach verlagern.

Weiß: So ist es ja nicht. Ein solches Konzept muss natürlich im Dialog mit den Nachbarn und auch mit dem Land umgesetzt werden. Wichtig ist, dass die Navis nicht mehr anzeigen, dass es sich lohnt, durch Leonberg zu fahren. Dann werden die Staus automatisch kleiner, auch jene vor den Stadtgrenzen.

Pfitzenmaier: Die größten Probleme bereitet ohnehin der Schwerlastverkehr. 1000 Lastwagen sind an einem Tag an der Sonnenkreuzung gezählt worden. Da kann mir keiner erzählen, die würden alle heimische Betriebe beliefern.

Weiß: Die Österreicher machen uns vor wie es geht. Die lassen Lkw erst gar nicht in die Orte rein,

Pfitzenmaier: Die Verkehrssteuerung ist freilich nur ein Baustein. Eine wichtige Option ist das Ein-Euro-Ticket für die Stadt. Das jetzt beschlossene Drei-Euro-Tagesticket kann nur ein erster Schritt sein.

Ein-Euro-Ticket?

Warum ist es so schwer, das Ein-Euro-Ticket einzuführen?

Weiß: Der Verkehrsverbund blockiert individuelle Lösungen.

Der VVS feiert doch seine Tarifreform.

Pfitzenmaier: Die kommt in erster Linie Stuttgart zugute, nicht dem Umland. Ich habe den Eindruck, dass es dem VVS nicht in erster Linie darum geht, neue Kunden zu gewinnen.

Ihr großes Thema ist mehr bezahlbarer Wohnraum.

Pfitzenmaier: Gerade hier im Ezach besteht die große Chance, mit einem kommunalen Investor ein Mehr-Familien-Haus mit 100 Prozent bezahlbarem Wohnraum zu realisieren. Wenn der Bauträger das Grundstück von der Stadt günstig bekommt, kann er auch entsprechend günstiger bauen.

Weiß: So etwas gibt es im gesamten Stadtgebiet noch nicht. Das wäre ein echtes Vorzeigeprojekt.

Es tut sich schon einiges. Gerade in der Kernstadt werden vorhandene Lücken zugebaut, oft nicht zur Freude der Nachbarn.

Pfitzenmaier: Es ist immer einfach, mehr Wohnraum zu fordern, aber nicht mitzumachen, wenn es konkret wird. So wie es die Grünen beim Projekt Hinter den Gärten praktizieren. Es ist immer eine Frage des Augenmaßes.

Die SPD hat sich lange dagegen gesperrt, dass es für die Stadthalle wieder einen eigenen Manager geben soll. Nun wird das ganze Kulturamt umgekrempelt und ein Hallenmanager soll auch kommen.

Weiß: Die Stoßrichtung, dass Sport und Kultur fachlich klarer getrennt werden, wollten wir schon immer.

Pfitzenmaier: Wir haben an einen künftigen Manager, der sich auch um den Spitalhof kümmern soll, hohe Erwartungen hinsichtlich eines verbesserten Kultur- und Kongressgeschäftes. Und wir erwarten, dass es eine Lösung gibt, damit die Vereine die Stadthalle besser nutzen können.

Unter Einbeziehung des Stadthallen-Restaurants?

Pfitzenmaier: Die Gastronomie ist viel besser als früher. Aber wir brauchen eine   enge Verknüpfung zwischen Hallenmanagement, Restaurant und dem benachbarten Amber-Hotel. Das gibt eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Grüne, Freie Wähler und CDU haben dem OB ein mäßiges Zwischenzeugnis gegeben.

Pfitzenmaier: Ich kann die Ressentiments der anderen und deren Misstrauen nicht verstehen. Der Umgang mit Martin Cohn ist oft regelrecht despektierlich.

Weiß: In der Bevölkerung hat Martin Cohn nach wie vor einen großen Rückhalt. Obwohl er der SPD angehört, tut er alles, um kein Partei-OB zu sein. Er bewegt unheimlich viel und geht mit seinen Ideen heraus, bevor alles abgesichert ist. Das unterscheidet ihn erheblich von seinem Vorgänger.