Christa Weiß und Ottmar Pfitzenmaier (SPD) über Handel, den Citymanager, das Verhältnis zur Nachbarstadt und mehr.

Leonberg - Im Schatten der Bäume an der Post lässt  sich gut über die Zukunft reden, meinen SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier und seine Vize Christa Weiß.

 

Frau Weiß, Herr Pfitzenmaier, vor der Hauptpost schlägt das Herz der Stadt . . .

Pfitzenmaier: Hier ist zumindest einiges in Bewegung. Hier beginnt der Brückenschlag zum Marktplatz, hier ist die Zufahrt zur Altstadt-Tiefgarage, hier ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, und vor allem entsteht hier ein neues Stadtquartier.

Darüber wird schon seit Jahren gesprochen. Passiert nun endlich etwas?

Weiß: Wir mussten ja warten, bis die Post das Gelände freigibt. Nun ist das Frachtzentrum ins neue Gewerbegebiet Leo-West gezogen. Jetzt kann es konkret werden.

Pfitzenmaier: Im Gegensatz zu einem reinen Wohngebiet muss der Investor Betreiber für ein Hotel und den Einzelhandel suchen. Das wird ein weiteres Jahr dauern.

Braucht Leonberg ein weiteres Hotel?

Weiß: Eine Alternative wäre ein Boardinghaus, also eine Unterkunft für Menschen, die länger als nur ein paar Tage bleiben.

Pfitzenmaier: Ein Hotel ist mehr in einem wirtschaftlichen als in einem touristischen Zusammenhang zu sehen. Da gibt es unzweifelhaft einen Bedarf. Das signalisieren schon lange fast alle Firmen. Bisher wurden diese Signale von interessierter Seite torpediert. Inzwischen sind aber, wie man hört, die Hotels gut ausgelastet.

Das Parkhaus in der Altstadt . . .

Pfitzenmaier: . . . ist nicht an allen Problemen des Handels schuld. Ein wesentlicher Faktor für die Umsatzrückgänge ist das boomende Online-Geschäft. Deshalb warne ich davor, unseren Standort schlechtzureden, ohne dass dafür fundierte Analysezahlen vorliegen.

Kann hier ein Citymanager helfen?

Pfitzenmaier: Ein Citymanager kann den Onlinehandel nicht stoppen. Ob er in der Altstadt einheitliche Öffnungszeiten hinbekommt, bleibt abzuwarten. Er muss sich mit der Wirtschaftsförderung ergänzen und insgesamt für mehr Selbstbewusstsein sorgen: Leonberg braucht sich nicht hinter Rutesheim oder Gerlingen zu verstecken.

Und das Parkproblem?

Pfitzenmaier: Dass im Parkhaus längst etwas hätte passieren müssen, ist unstrittig. Dieser Fehler wurde vor zwei Jahren gemacht, als die Stadtwerke vor der Übernahme der Garagen kein Konzept präsentiert haben, was dort sofort geschehen muss.

Was muss geschehen?

Weiß: Schlecht ist, dass die Fahrer, die vom Leo-Center kommen, an der Sonnenkreuzung nicht links zur Hanggarage abbiegen können. Die ist in einem guten Zustand.

Pfitzenmaier: Wir brauchen ein Parkleitsystem und einen vernünftigen Verkehrsrechner; übrigens eine alte Forderung.

Die grundsätzlichen Verkehrsprobleme sind damit nicht in den Griff zu bekommen.

Pfitzenmaier: Man muss unterscheiden zwischen dem normalen Verkehr, inklusive Berufsverkehr, und dem Überlaufverkehr von den Autobahnen. Richtige Probleme gibt es vor allem, wenn die Stadt voll ist mit Autos, die Staus umfahren. Dagegen würde auch kein Altstadttunnel helfen. Dass die offizielle Umleitungsstrecke mitten durch Leonberg führt, ist ein Skandal!

Weiß: Hier können uns nur Bund und Land helfen. Steffen Bilger, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, kennt die Situation ja aus eigener Anschauung.

Sie machen sich seit Langem für einen verbesserten Nahverkehr stark.

Weiß: Wir halten ein Ticket für 1,40 Euro, das in der Gesamtstadt gilt, für eine gute Lösung. Leider zeigt der Verkehrsverbund wenig Bereitschaft, hier mitzugehen. Ihm schwebt ein Tagesticket für drei Euro vor, so wie es in Ludwigsburg kommen soll. Auf  jeden Fall brauchen wir bessere Takte, optimierte Linienführungen und vielleicht auch einen Bürgerbus.

Moderne Mobilität

Sind die Seilbahn-Pläne des Oberbürgermeisters eine realistische Option?

Pfitzenmaier: Wenn überhaupt, sind sie ein Mosaikstein in einem Verkehrskonzept. Man muss das prüfen. Grundsätzlich schadet Querdenken aber nicht.

Weiß: Zur modernen Mobilität gehört das Fahrrad und der Gang zu Fuß. Es gibt viel zu wenige Radständer in der Stadt, gerade am Marktplatz. Auch das Netz der Leihradstationen muss ausgeweitet werden. Die gibt es nur am Bahnhof und am Leo-Center, das ist zu wenig, um eine echte Alternative zu sein. Die Teilorte könnten so gut angebunden werden.

All das kostet Geld.

Pfitzenmaier: Mit den Millionen für den Altstadttunnel könnten wir einen optimalen Nahverkehr über sehr viele Jahre bezahlen.

Sie kämpfen seit Jahren für ein Wohnquartier an der Berliner Straße. Nun hat Axel Röckle von den Freien Wählern den Vorschlag gemacht, die Bürger abstimmen zu lassen, ob hier gebaut werden soll.

Weiß: Zunächst einmal: Wir wollen keine drei Hektar große Bebauung, von der Herr Röckle spricht. Das ist ein Totschlagargument! Was die Abstimmung betrifft: Es   ist zweifelhaft, dass es eine Mehrheit gibt. Sonst gäbe es ja schon lange politische Entscheidungen. Die auf preisgünstigen Wohnraum angewiesenen Menschen sind aber nicht in der Mehrheit.

Pfitzenmaier: Es geht nicht um irgendein Wohnviertel, sondern um dringend nötigen preisgünstigen Wohnraum. Die Politik sollte sich vor dieser Verantwortung nicht drücken, selbst wenn Mut gebraucht wird, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Selbst wenn an der Berliner Straße gebaut wird: Es reicht nicht aus.

Weiß: Wir brauchen sowohl neue Wohn- als auch Gewerbegebiete. Ein weiteres Wohnquartier könnten wir uns im Bereich Hasensaul westlich des Krankenhauses vorstellen. Der Hubschrauberlandeplatz an der Klinik taugt wohl kaum als Argument gegen eine Bebauung.

Standorte für Gewerbe

Wo kann Gewerbe hin?

Pfitzenmaier: Wir sollten das Thema Schertlenswald erneut angehen. Das Gebiet liegt an der Stadtgrenze zu Rutesheim und hätte den Charme, an ein vorhandenes Gewerbegebiet anzudocken.

Die Vorstellung eines gemeinsamen Gewerbegebietes mit einer anderen Kommune war in Leonberg ein zentraler Hinderungsgrund.

Weiß: Die Rutesheimer wundern sich über unsere Demut.

Pfitzenmaier: In Rutesheim herrscht eine andere Philosophie: nicht problem-, sondern kundenorientiert. Da müssen wir ein Stück weit hinkommen, wohlwissend dass es in Leonberg andere Dimensionen gibt.

Wie meinen Sie das?

Pfitzenmaier: Die Unterstützung der Vereine ist ein gutes Beispiel: In Rutesheim sind die Vereine voll des Lobes für die Verwaltung. Bei der Stadt Leonberg hingegen ist die praktische Hilfe, zum Beispiel durch den Bauhof bei Vereinsveranstaltungen, unkoordiniert. Vielen im Rathaus ist nicht bewusst, welchen wichtigen Beitrag Vereine für das gesellschaftliche Leben leisten. Es gibt Mitarbeiter, die sind schon zufrieden, wenn es keine Beschwerden gibt. Das muss sich ändern!

Wie soll das geschehen?

Pfitzenmaier: Das gehört zur Aufgabenstellung des Oberbürgermeisters, ist allerdings nicht in einem Jahr zu bewältigen.

Wie macht sich der neue OB

Sind Sie zufrieden mit Martin Kaufmann?

Weiß: Er hat tatsächlich den versprochenen frischen Wind ins Rathaus gebracht. Im Gemeinderat ist es erstaunlich, wie er versucht, alle Meinungen zu integrieren, um gute Beschlüsse zu erzielen.

Pfitzenmaier: Er will ein Stück weit weg von einer Konfrontation zwischen Rat und Verwaltung, bei der es nur einen Sieger geben kann. Das ist für viele gewöhnungsbedürftig. Ich persönlich bin froh, denn so können wir mehr erreichen.

In seinem Umfeld gibt es personelle Änderungen, die auch kritisch gesehen werden.

Weiß: Die betreffenden Positionen waren vom früheren OB besetzt worden. Es ist nachvollziehbar, dass ein neuer Chef sich seine engsten Mitarbeiter selbst aussucht. Gerade hier muss die Chemie stimmen.

Pfitzenmaier: Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen lernen, mit dem anderen Führungsstil umzugehen, der mehr Eigenverantwortung einfordert.

In den vergangenen Woche ist verstärkt über das medizinische Profil des Leonberger Krankenhauses diskutiert worden.

Pfitzenmaier: Wir müssen mit der Fehlentscheidung Flugfeldklinik leben. Das bezieht sich nicht nur auf die Dimension, sondern auch auf den Standort. Mit drei gut aufgestellten kleineren Kliniken in Böblingen, Leonberg und Herrenberg hätten wir ein gutes Angebot in der Fläche. Für die ganz schwierigen Fälle gehen die Patienten ohnehin nach Stuttgart oder Tübingen. Daran wird die Flugfeldklinik nichts ändern.

Die Geschäftsführung des Klinikverbundes preist einen Campus für Leonberg an.

Weiß: Der Campus darf nicht zu einem Ersatzkrankenhaus werden. Wir siedeln einen Campus mit Praxen und medizinischen Dienstleistern eher zentrumsnäher an, etwa in der Römergalerie.

Pfitzenmaier: Wir werden dafür kämpfen, eine medizinisch hohe Qualität so lange wie möglich in Leonberg zu halten.