Im vergangenen Sommergespräch hatten Sie für einen kostenlosen Nahverkehr plädiert. Bleiben Sie dabei?

 

Wir brauchen neben dem VVS-Angebot mit den S-Bahnen und Schnellbussen eine Leonberger Lösung, mit zwei oder vier Bussen, die in einem verlässlichen Takt von morgens früh bis abends spät alle Stadtteile miteinander verbinden. Das würde rund 1,5 Millionen Euro kosten. Wir zahlen jetzt schon im Jahr 300 000 Euro, um das VVS-Angebot im Stadtgebiet zu verbessern. Der reale Zusatzbetrag zum Ist-Zustand wäre also 1,2 Millionen Euro jährlich.

Verdammt viel Geld...

Viel Geld für den Einzelnen, aber erträglich für eine Stadt mit einem 200-Millionen-Euro-Haushalt. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Seilbahn-Fantasien des Oberbürgermeisters bei schicken 20 bis 50 Millionen Euro im Erstinvest ohne Wartungskosten liegen, kann man da lange Bus fahren – und das sogar sofort.

Sie mögen Herr Cohn erkennbar nicht. Dabei müsste er mit seinen oft unorthodoxen Ideen genau auf Ihrer Linie liegen.

Also noch mehr Feste?

Nein. Mir schwebt eine Art Mini-Biergarten vor. Eine Hütte mit Grill und Zapfanlage und Platz für rund 50 Gäste. Der   hat im Sommer täglich geöffnet und könnte im Wechsel von unseren örtlichen Gastronomen betrieben werden – von den Pächtern im Stadthallen-Restaurant bis zu den Wirten in der Altstadt, in Eltingen oder in den anderen Stadtteilen. Dann hätte jeder was davon, und es wäre ein schönes Gemeinschaftsprojekt.

Trotz aller Naturschönheit: Der Stadtpark hat wegen der Drogenszene nicht den besten Ruf.

Deshalb ja: Mehr Öffentlichkeit verdrängt die Szene.

Ein Baustein, um das Profil von Leonberg in Sachen Lebensqualität zu schärfen?

Es ist ja nicht so, dass wir keine Qualität haben. Der See ist doch das beste Beispiel. Das sieht aus wie ein Altrhein-Arm. Das Strohländle ist gerade zu Ende gegangen. Da kommen die Stuttgarter zu uns, nicht umgekehrt. Der Altstadtgarten, Glemseck 101, der Pferdemarkt – alles Beispiele, dass hier jede Menge los ist.

Es geht ja weniger um die Feste und Aktionen, sondern mehr um den Alltag. Wenn es auf dem Marktplatz 22 Uhr wird, räumen die Bedienungen in der Außengastronomie eiligst alle Gläser ab.

Das ist es ja: Alle wollen alles haben, aber keiner will das auch dulden. Jeder Marktplatz ist ein Ort voller Leben. Das ist schon seit dem Mittelalter so. Wer dort hinzieht, muss sich darüber im Klaren sein.

Vom Zaubertheater entzaubert

Eine echte Profilstärkung für Leonberg wäre das Zaubertheater gewesen, das der Magier Thorsten Strotmann hier bauen wollte. Warum waren Sie als Verfechter einer lebendigen Kulturszene so strikt dagegen?

Ich war überhaupt nicht dagegen. Nur der Standort mitten in der Natur, der geht halt nicht. Ich hatte ja sogar einen Alternativstandort vorgeschlagen, nämlich auf dem jetzigen Parkplatz der Stadthalle. Das wäre dann ein richtiges Kulturzentrum geworden. Aber der Herr Strotmann hat im Gemeinderat eine Riesenshow abgezogen und so getan, als wäre alles schon eingetütet.

Er muss doch für sein Projekt werben.

Werben ja. Aber er hat ja so getan, als sei alles schon geklärt. Dabei hatte er noch nicht einmal mit der Umweltgruppe „Schlammbrüder“ gesprochen, die am ursprünglich geplanten Standort hinter dem Kino ein Biotop angelegt hatten. Und die Alternativplätze hat Strotmann alle abgelehnt und stattdessen immer noch von zauberhaften Visionen gesprochen. Für mich war das aber entzaubernd.

Sie haben die Stadthalle als zentrale Kulturstätte schon erwähnt. Trotzdem sorgt sie ob ihres Defizits und der baulichen Mängel immer wieder für Diskussionen.

Mit rund 800 Plätzen ist sie für echte Top-Acts zu klein. Da bleibt für die Veranstalter finanziell nichts hängen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass es aufwärts geht. Ein neuer Hallenmanager wird neue Impulse bringen.

Was muss der können?

Er muss aus der Praxis kommen und gute Kontakte in der Kulturszene haben. Vor allem aber braucht er finanzielle und gestalterische Freiräume, um in diesem flexiblen Geschäft entsprechend reagieren zu können. Dann könnten sich die Verluste im geplanten Rahmen bewegen und nicht, wie jetzt, ständig wachsen.

Postareal-Entwurf ohne Genialität

Zum Stadtprofil gehört auch Natur. Doch ausgerechnet beim zentralen Vorzeigeprojekt der Stadtentwicklung, dem Postareal, sollen rund zwölf Bäume gefällt werden.

Ob man Bäume zum Sauerstoff-Heilsbringer machen muss, das weiß ich nicht. Wichtig ist, dass man an dieser Ecke bei der ehemaligen Hauptpost keine Schluchten baut. Es muss eine Luftigkeit bleiben.

Dass die Bäume den Umbauten buchstäblich im Wege stehen, ist keine Überraschung, sondern ist Teil des Konzeptes des Investors Strabag, der das städtebauliche Auswahlverfahren gewonnen hat.

Ich war ja sogar in der Jury, aber ohne Stimmrecht. Ganz ehrlich: Mich hat keiner der Entwürfe angesprochen. Ich hätte für keinen gestimmt. Es fehlte überall eine gewisse Genialität.

Muss im Bereich der alten Hauptpost überhaupt etwas geschehen?

Aber ja! Das ist total richtig und wichtig, weil hier der Puls der Stadt schlägt. Aber die Pläne gehen in die falsche Richtung. Ich fürchte, so wird es nur schlimmer.

Was ist falsch?

Der Brückenschlag zur Altstadt ist ein ganz zentrales Element. Doch der Investor will hier keine Radler drauf lassen. Das geht nicht. Außerdem plant Strabag auf dem Postareal zu viele Geschäfte. Das halte ich für nicht gut. Die Menschen sollen in Richtung Altstadt schlendern und dann dort in die Geschäfte gehen.

Würden Sie das Projekt auf Null stellen?

Wenn das rechtlich möglich wäre, bin ich für eine völlige Neuplanung. Fünf Jahre sind in der Stadtentwicklung kein langer Zeitraum.

Ein Problem bei allen Plänen ist der knappe Platz. Wären mehr Hochhäuser ein akzeptabler Ausweg?

Ich bin nicht dagegen, wenn sie architektonisch ansprechend sind. Ein Negativbeispiel ist das Layher-Gebiet. Da hat der Kollege Axel Röckle von den Freien Wählern völlig recht, wenn er sagt, dass es dort so eng ist, dass ein Salzstreuer für vier Haushalte reicht, der von Balkon zu Balkon gereicht werden kann.

Ein wichtiger Aspekt in der Postareal-Diskussion ist die Eltinger Straße. Der OB und andere sind dafür, die vier Spuren auf zwei zu reduzieren.

Wir gehen sogar noch weiter: Wir schlagen ein Einbahnstraßensystem vor: Vom Hirschbrunnen die Bahnhofstraße herunter, am Bahnhof vorbei. Dann gibt es zwei Wege: Rechts in Richtung Autobahn oder links in die Römerstraße. Am Leo-Center links in die Eltinger Straße zur Altstadt oder rechts nach Eltingen. Dafür brauchen wir nur eine Spur und hätten Platz für Busse, Radler und auch mehr Stadtgrün.

Sie hatten sich in Lahr ein Modell für einen autonom fahrenden Shuttle-Bus angeschaut. Ist das ein Modell für Leonberg?

Auf jeden Fall, weil es ein absolut flexibles Fortbewegungssystem ist und wenig Platz benötigt.

Leonberger Lösung für den Nahverkehr

Im vergangenen Sommergespräch hatten Sie für einen kostenlosen Nahverkehr plädiert. Bleiben Sie dabei?

Wir brauchen neben dem VVS-Angebot mit den S-Bahnen und Schnellbussen eine Leonberger Lösung, mit zwei oder vier Bussen, die in einem verlässlichen Takt von morgens früh bis abends spät alle Stadtteile miteinander verbinden. Das würde rund 1,5 Millionen Euro kosten. Wir zahlen jetzt schon im Jahr 300 000 Euro, um das VVS-Angebot im Stadtgebiet zu verbessern. Der reale Zusatzbetrag zum Ist-Zustand wäre also 1,2 Millionen Euro jährlich.

Verdammt viel Geld...

Viel Geld für den Einzelnen, aber erträglich für eine Stadt mit einem 200-Millionen-Euro-Haushalt. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Seilbahn-Fantasien des Oberbürgermeisters bei schicken 20 bis 50 Millionen Euro im Erstinvest ohne Wartungskosten liegen, kann man da lange Bus fahren – und das sogar sofort.

Sie mögen Herr Cohn erkennbar nicht. Dabei müsste er mit seinen oft unorthodoxen Ideen genau auf Ihrer Linie liegen.

Das finde ich auch gut. Aber man muss einen Gedanken erst einmal ausarbeiten und nicht einfach ungefiltert an die Öffentlichkeit geben. Das können die Menschen doch sonst gar nicht richtig einordnen.

Wir haben über viel Geld für Verkehr und Infrastruktur gesprochen. Sehen Sie noch anderswo Investitionsbedarf?

Ganz dringend bei der Schulsozialarbeit. Für die interkulturelle Erziehungsarbeit an den Grundschulen haben wir viel zu wenig Personal. Da gibt es eine Viertelstelle für drei oder vier Grundschulen. Da müssen wir dringend helfen, denn die Gesellschaft verändert sich massiv: Die Aggressivität im Alltag nimmt massiv zu. Respekt im Umgang miteinander muss man schon ganz früh in der Basiserziehung vermitteln.

Sie haben mit dem früheren TSG-Vorsitzenden Harald Hackert einen neuen Partner im Gemeinderat.

Das finde ich richtig gut. Harald schaut extrem über den Tellerrand hinaus. Das tut der SALZ insgesamt gut. Bisher lag der Fokus zu stark auf mir.