Neue Runde der Sommergespräche: Zum Auftakt bekennen sich Bernd Murschel und Birgit Widmaier von der Fraktionsspitze der Leonberger Grünen zur Stadthalle.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Der Stadtpark ist ein lauschiger Ort mitten im Zentrum. Kein Wunder, dass sich Grünen-Fraktionschef Bernd Murschel und seine Stellvertreterin Birgit Widmaier den See fürs Sommergespräch ausgesucht haben.

 

Frau Widmaier, Herr Murschel, Sie haben sich als Treffpunkt den Stadtparksee ausgesucht. Warum?

Murschel: Hier haben wir eine gute Symbiose von Natur und Stadt. Gerade in den vergangenen Wochen hat sich die Wichtigkeit von Freiflächen im städtischen Raum deutlich gezeigt.

Widmaier: Grüne Oasen im Zentrum sind auch wegen des Klimawandels wichtig. Sie verschaffen Kühlung und Lebensqualität.

Ihr Ratskollege Frank Albrecht hatte im vergangenen Sommergespräch vorgeschlagen, am Stadtparksee eine Art Biergarten einzurichten. Eine gute Idee?

Widmaier: Speziell diesen Bereich möchten wir unberührt lassen. Aber es spricht gar nichts dagegen, den Außenbereich des Stadthallen-Restaurants zu erweitern.

Stichwort Stadthalle: Oberbürgermeister Cohn möchte sie abreißen und durch einen Neubau ersetzen.

Murschel: Das ist so eine typische OB-Idee. Wenn wir nicht einen gewaltigen Berg Schulden hätten, der weit über den vergleichbarer Städte hinausgeht, könnte man vielleicht darüber nachdenken. Aber wir haben ja eine funktionierende Stadthalle. Jetzt geht es darum, sie weiter zu beleben und das Beste draus zu machen.

Sie selbst hatten sich früher dafür ausgesprochen, die Stadthalle abzureißen.

Murschel: Angesichts immer neuer Defizite wollten wir damals ein klares Signal setzen, dass sich etwas ändern muss.

Ändert sich was?

Widmaier: Das aktuell laufende Leonpalooza-Festival zeigt doch, was möglich ist: Wer hätte gedacht, dass der Bürgerplatz zu einer schönen Kulturstätte wird? Besonders angesichts des nicht gerade attraktiven Zustands des Platzes.

Murschel: Ich würde sagen: des katastrophalen Zustands.

Haushaltssperre als falsches Signal

Sprechen wir übers Geld: Kurz vor den Ferien hatte die CDU eine Haushaltssperre gefordert, die bedeutet, dass nur noch das absolut Erforderliche ausgegeben werden darf.

Murschel: Sie würde keine Wirkung entfalten, weil wir Ausgleichszahlungen von Bund und Land in großem Umfang erwarten.Eine Haushaltssperre wäre zudem ein falsches Signal, weil sie Panik verbreiten könnte. Jene würden bestärkt, die sagen, die jetzige Situation sei eine Katastrophe.

Widmaier: Wir haben ja direkt nach den Ferien eine Haushaltsklausur, bei der wir in die Tiefe gehen müssen. Wir haben massive Einnahmeausfälle. Aktuell konnten coronabedingt einige Bauvorhaben nicht durchgeführt werden, weswegen wir noch etwas Luft haben. Aber wir wissen nicht, was kommt. Deshalb tun wir gut daran, das Thema ernst zu nehmen.

In den vergangenen Wochen hat zweimal eine Haushaltsstrukturkommission getagt. Hat das was gebracht?

Widmaier: Sie hat zumindest einen guten Überblick gebracht: Welche Projekte sind wegen Corona oder Überlastung der Ämter weggefallen? Auf dieser Basis kann man weiterarbeiten.

Murschel: Das war ein große Fleißarbeit der Verwaltung. Nun liegt es an uns, die Prioritäten zu setzen und zu definieren, welche Aufgaben Pflicht und welche freiwillig sind. Wobei es da Grauzonen gibt, über die man diskutieren kann.

Für viel Gesprächsstoff hat der misslungene Versuch des Oberbürgermeisters gesorgt, die Dezernate neu zu strukturieren.

Murschel: Im Vorfeld der Gemeinderatssitzung hatten wir das Thema intensiv diskutiert. Niemand hat sich grundsätzlich dem Ansinnen verschlossen. Aber Herr Cohn hat uns nicht überzeugend darlegen können, wo die Verbesserungen sind.

Widmaier: Bei der von ihm vorgeschlagenen Neuverteilung stimmt die Gewichtung nicht. Das Dezernat von Herrn Vonderheid wäre stark benachteiligt. Diese Bedenken wusste der OB.

Murschel: Deshalb war es grottenunnötig, diese Diskussion öffentlich zu führen. Aber Herr Cohn wollte unbedingt mit dem Kopf durch die Wand und hat sich nun eine blutige Nase geholt.

Die Zusammenarbeit im Gemeinderat

Wie ist denn das Klima im Rat?

Murschel: Eine Zusammenarbeit hat es immer gegeben, mal mehr, mal weniger. Jetzt eher mehr. Man spricht mehr miteinander. Das hat auch mit der Spontanität des Oberbürgermeisters zu tun.

Widmaier: Dass er neue Ideen bringt, ist grundsätzlich begrüßenswert. Aber oft sind sie nicht ganz ausgearbeitet, so dass der Gemeinderat die Inhalte nicht richtig nachvollziehen kann und Informationsbedarf aufkommt. Aber dann wird vom OB Zeitdruck aufgebaut.

Eng zusammen mit dem Thema Dezernatsverteilung hängt die Zukunft der beiden Bürgermeister, die sich im November zu Wiederwahl stellen. Es heißt, Sie könnten sich auch Alternativen vorstellen.

Widmaier: Man kann sich denken, dass wir uns eine Politik wünschen, die stärker das Schaffen grüner Zonen und einer neuen Mobilität im Auge hat.

Murschel: Als große Fraktion halten wir es für notwendig, dass wir aufzeigen, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir werden in den kommenden Wochen unsere Themen auf den Tisch legen und auch mit den amtierenden Bürgermeistern darüber sprechen. Das ist ein normaler Vorgang.

Was würden Sie denn an den jetzigen Plänen verändern, etwa beim Postareal?

Murschel: Die Kubatur der Gebäude ist massiv, die Radwegeverbindungen sind mau. Der Gedanke des Brückenschlags ist ziemlich untergegangen. Dabei ist gerade hier der Name das Programm: Es geht um die Verbindung zwischen dem historischen und dem modernen Teil der Stadt.

In der Projektgruppe zum Postareal waren etliche Ratsmitglieder.

Murschel: Wir sind tatsächlich mit der Kritik ein bisschen hinterhergehinkt. Trotzdem müssen wir zum Beispiel beim Thema Hotel neu denken und mit dem Investor im Gespräch bleiben.

Eine Neugestaltung der Eltinger Straße ist mit dem Postareal eng verbunden.

Widmaier: Wir haben uns für die Neugestaltung als Modellkommune bei einem Landesprojekt beworben. Dieser Blick von außen würde uns helfen.

Murschel: Die Zunahme des Radverkehrs zeigt, dass sich die Menschen in den Städten anders bewegen möchten. Dafür müssen wir die Infrastruktur verbessern. Die Eltinger Straße und die Brennerstraße sind allein für Autos ausgerichtet.

Die menschenfreundliche Stadt

Zu einer menschenfreundlichen Stadt gehört ein funktionierender Handel.

Widmaier: Deshalb sind wir ja für schöne grüne Flächen. Wie toll der Marktplatz wirken kann, hat im vergangenen Jahr die Aktion Altstadtgarten gezeigt.

Murschel: Der Marktplatz hat durch die Außengastronomie gewonnen. Die Frequenz und die Stimmung sind gut. Auch das zeigt: Je attraktiver autofreie Innenstädte sind, desto mehr Menschen kommen.

Dem Handel geht es weiterhin schlecht.

Murschel: Es ist die Aufgabe der Politik, die Weichen für diesen Strukturwandel zu stellen, zum Beispiel mit hoher Aufenthaltsqualität in der Stadt.

Widmaier: Wir haben es selbst in der Hand. Man bekommt fast alles in unseren Geschäften. Deshalb sollten wir vor Ort kaufen und unseren Handel unterstützen.