Sommergespräch mit Axel Röckle und Jutta Metz von der Fraktionsspitze der Leonberger Freien Wähler.

Leonberg – - Frau Metz, Herr Röckle, wir stehen hier am Hubschrauber-Landesplatz neben dem Krankenhaus. Warum?

 

Röckle: Der Ort für das Interview ist bewusst gewählt, da ein Gutachten vorschlägt, die Stationierung des Rettungshubschraubers „Christoph 41“ in Richtung Tübingen zu verlegen. Natürlich gibt es keine Denkverbote. Aber hier ist einer der landesweit größten Autobahnknotenpunkte mit einer hohen Unfallquote. In mehr als 30 Jahren haben alle Beteiligten mit dem Hubschrauber nur gute Erfahrungen gemacht. Er ist ein wichtiger Standortfaktor für unser Krankenhaus. Deshalb setzen wir uns für ihn ein.

Metz: Bei dieser Gelegenheit möchten wir dem kompletten Team des Krankenhauses für den großen Einsatz während Corona herzlich danken. Insgesamt hat der Klinikverbund die Krise gut gemeistert, am Anfang musste viel improvisiert werden. Dafür hat das Personal eine finanzielle Anerkennung verdient. In Stuttgart werden zum Beispiel 400 Euro pro Person ausgezahlt.

Corona hat neben der medizinischen eine finanzielle Dimension.

Röckle: Richtig. Im Leonberger Haushalt müssen wir mit Mindereinnahmen von zehn Millionen Euro rechnen. Wir sparen durch einige Projekte, zu denen die Stadt ohnehin nicht kommt. Doch das wird nicht reichen.

Nach den Ferien ist eine Haushaltsklausur terminiert. Kommt, finanziell betrachtet, die Nacht der langen Messer?

Röckle: Derzeit priorisiert die Verwaltung, was umgesetzt wird. Der richtige Weg wäre, dass lediglich Impulse von der Verwaltung kommen. Die Schwerpunkte muss der Gemeinderat setzen.

Wo kann gespart werden?

Röckle: Die laufenden Ausgaben sind ein großes Problem. Irgendjemandem werden wir weh tun müssen. Nehmen Sie den Nahverkehr: Die geplanten Verbesserungen kosten laut Aussage der scheidenden Mobilitätsbeauftragten jährlich rund 350 000 Euro zusätzlich. Branchenkenner haben diese Zahl als geschönt bezeichnet. Diese Position muss wieder auf den Prüfstand kommen, zumal die Corona-Ausfälle gar nicht mit eingerechnet sind.

Ist es mit Blick auf die Verkehrswende nicht kontraproduktiv, gerade beim Nahverkehr zu sparen?

Röckle: Corona hat gezeigt, dass der öffentliche Verkehr nicht das allein seligmachende ist. In einer älter werdenden Gesellschaft kann sich auch nicht jeder aufs Rad setzen. Wie gefährlich das ist, zeigen die zunehmenden Unfälle mit Radfahrern, von denen viele die Straße benutzen, selbst wenn ein Radweg vorhanden ist.

Freie Wähler sind gegen die Haushaltssperre

Wäre die von der CDU geforderte Haushaltssperre ein gutes Sparinstrument?

Metz: Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die hätte früher kommen müssen. Zumal das Verschieben der Haushaltsverabschiedung ins kommende Frühjahr einen ähnlichen Effekt wie eine Sperre hat.

Röckle: Corona führt zu einer Konsolidierungsphase auch in der Stadtentwicklung. Wir müssen uns fragen, wo wir hinwollen und welches Wachstum in welcher Zeit möglich und sinnvoll ist.

Betrifft das auch wichtige Infrastrukturprojekte, etwa eine Verkehrsberuhigung im Zentrum?

Röckle: Ein Rückbau der Eltinger Straße käme nur in Betracht, wenn die Verkehrsprobleme gelöst sind. Wir hatten im vergangenen Jahr eine Umfahrung ins Gespräch gebracht. Aber von der Verwaltung kommt nichts, auch nicht zum verlängerten Altstadttunnel, von dem der OB gesprochen hatte. Seit seine Seilbahn-Idee gefloppt ist, herrscht Funkstille.

Kostenfaktor Stadthalle

Ein großer Kostenfaktor ist die Stadthalle.

Röckle: Der Zuschussbedarf liegt bei rund einer Millionen Euro im Jahr. Aber die Lage ist optimal, sehr zentral und dennoch am Rande des Stadtparks.. Der Nachteil ist der große Sanierungsstau.

Der OB regt einen Neubau an.

Metz: Wenn Geld da wäre, könnte man darüber nachdenken.

Cohn denkt an einen Investor.

Röckle: Der macht es doch nicht, um der Stadt zu helfen, sondern will selbst dran verdienen. Irgendeiner muss es am Ende bezahlen.

Metz: Dass in der Stadthalle etwas läuft, zeigt doch das Festival Leonpalooza: Ein tolles Angebot, das von den Menschen gut angenommen wird. Ohne Corona hätte der neue Hallenmanager Nils Strassburg noch mehr auf die Beine gestellt.

Um Kultur geht es auch bei der Zukunft um die alte Schuhfabrik.

Röckle:Vor mehr als zwei Jahren haben wir gesagt, dass hier etwas geschehen muss. Damals hätte es für die Künstler noch Ausweichmöglichkeiten gegeben. Nichts ist passiert. Auch liegt im Rathaus ein Gutachten zum Gebäude vor, das noch nicht an uns weitergegeben wurde.

Nach den Ferien soll es einen Ortstermin für den Gemeinderat geben.

Metz: Der ist auf eine Stunde terminiert. Wir erwarten einen Rundgang und ein Gespräch mit den Künstlern, beides ohne Zeitdruck.

In dem Zusammenhang wird die Steinturnhalle als Abrissobjekt genannt.

Röckle: Es ist nicht unsere Absicht, am Bestand der Steinturnhalle zu rütteln. Sie ist ein kultureller Treffpunkt, identitätsstiftend und baulich in Ordnung.

Bezahlbarer Wohnraum: OB will nur einen Investor

Wenn Sie dort keinen bezahlbaren Wohnraum wollen, wo dann?

Röckle: Wir haben vor über einem Jahr beschlossen, an der Berliner Straße und am Schützenrain zu bauen. Dass nichts passiert ist, hat der OB zu vertreten, weil er für die Berliner Straße nur einen einzigen Investor will. Er hält daran fest, obwohl der Gemeinderat mehr Auswahl will.

Metz: Auch die von ihm abgelehnten Wohnungen über den Kindertagesstätten Nord und West müssen kommen. Sie sind vom Rat beschlossen.

Die Grünen fordern, nicht alle Flächen für Wohnungen zu opfern, allein schon wegen des Stadtklimas.

Metz: Die grün-rote Landesregierung hat vor zehn Jahren die Nachverdichtung auf den Weg gebracht, die mitverantwortlich für die Stadterwärmung ist. Da ist es doch ein Witz, wenn ausgerechnet die Grünen heute mehr Grün in der Stadt fordern.

Was ist dem Gemeinderat wichtiger?

Im November werden die Bürgermeister für Finanzen und Bauen gewählt. Stimmen Sie für die Amtsinhaber?

Röckle: Die Frage ist, was dem Gemeinderat wichtiger ist: Vorhandenes Erfahrungspotenzial und Sachkenntnis in schwierigen Zeiten oder etwas Neues, Unbekanntes? Wir sind der Meinung, dass wir gerade jetzt Erfahrung und fachliche Expertise benötigen.

Der OB hat vergeblich versucht, die Dezernatsverteilung zu ändern.

Röckle: Er wusste, dass es dafür keine Mehrheit gibt.Für kleinere Änderungen sind wir offen, aber erst nach der Wahl.