Keine Präsenzgottesdienste in der Osterzeit – das ist auch bei den Kirchen im Altkreis auf viel Unverständnis gestoßen.

Leonberg - Nachdem die angekündigte „Osterruhe“ nun endgültig vom Tisch ist, hat das baden-württembergische Staatsministerium mitgeteilt, dass die Forderung nach ausschließlich virtuellen Gottesdiensten in der Osterzeit nicht mehr besteht. Vertreter der großen Kirchen im Altkreis Leonberg begrüßen das einerseits, aber sie warnen auch davor, das Sonderrecht der Kirchen nicht über die Maßen zu strapazieren.

 

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„Angesichts der schwieriger werdenden Pandemiesituation gilt weiterhin verantwortlich abzuschätzen, ob Gottesdienste präsentisch oder in digitalen Formaten gefeiert werden können“, sagt Wolfgang Vögele, der Dekan des evangelischen Kirchenbezirkes Leonberg. Zu den großen Gottesdiensten an Karfreitag um 10 Uhr mit der Aufführung einer Bachkantate mit einem kleinen pandemiekonformen Ensemble und zur Feier der Osternacht am Ostersonntag um 6 Uhr mit einem Flöten- und einem Vokalensemble ist eine vorherige Anmeldung über die Homepage der Kirchengemeinde Leonberg-Nord erforderlich. Als Vorsichtsmaßnahme werden alle Mitwirkenden einen Corona-Schnelltest machen.

Keine Ansteckung im Gottesdienst

„Rückblickend auf die Zeit seit dem ersten Lockdown können wir sagen, dass die Hygienebedingungen so strikt eingehalten wurden, dass nachweislich von diesen Gottesdiensten keine Corona-Ansteckungen ausgegangen sind“, sagt der Dekan. Ausschlaggebend für das Angebot von Präsenzgottesdiensten sei neben den Hygienemaßnahmen auch die Größe des Kirchenraums. In der Gemeinde Leonberg-Nord finden in der Stadtkirche, der Blosenbergkirche und der Versöhnungskirche Präsenzgottesdienste statt, ebenso in der Kirchengemeinde Gebersheim-Höfingen, in der Auferstehungskirche und in der Laurentiuskirche. In Eltingen finden in der Michaelskirche ab Gründonnerstag Online-Gottesdienste statt, die live gestreamt werden und über Youtube abrufbar sind. In der Warmbronner Täufer-Johannes-Kirche, die gerade renoviert wird, finden keine Präsenzgottesdienste statt.

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„Im ersten Lockdown 2020 mussten alle Präsenzgottesdienste zu Ostern ausfallen. Deshalb finde ich es jetzt umso wichtiger, dass wir neben den Online-Angeboten auch reale Gottesdienste anbieten“, sagt der Dekan. Das Osterfest stehe in der öffentlichen Wahrnehmung oft im Schatten von Weihnachten. Dabei sei es aber das wichtigste Fest der Christenheit. „Wir feiern die zentrale Botschaft des Christentums: das Leiden und Sterben und die Auferstehung Jesu Christi. Das ist konstitutiv für unseren Glauben“, sagt Vögele.

Frage nach der Solidarität

„Die Bitte der Bundesregierung, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, finde ich nachvollziehbar, und sie hat mich im Gegensatz zu manch anderen nicht überrascht“, sagt Jürgen Oettel, Pastoralreferent der katholischen Kirchengemeinde Leonberg. Für ihn stehe hinter dieser Bitte der Politik die Frage nach der Solidarität. „Wir sind immer sehr schnell bereit, diese von den anderen zu fordern – aber sind wir bereit, uns ebenfalls solidarisch zu verhalten?“, fragt sich Oettel. Sei Monaten haben die Kirchen Sonderrechte, was die Gottesdienste betreffe. „Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut. Damit und mit den Privilegien, die wir als Kirche haben, sollten, ja müssen wir sehr achtsam umgehen“, meint der Pastoralreferent.

Im Vorjahr konnten die Gottesdienste an Ostern nicht als Präsenzgottesdienste gefeiert werden. „Aber: Die Kirche war nie geschlossen. Zum stillen Gebet, zum Innehalten waren die Türen immer offen“, sagt Oettel. Es tat weh, an Ostern keine Eucharistie feiern zu dürfen. Die Liturgie sei Quelle und Höhepunkt des ganzen Lebens und der christlichen Gemeinde, und innerhalb der Liturgie nimmt die Eucharistie das Zentrum ein, heiße es im Schreiben der deutschen Bischöfe. „Diese Liturgie war uns seit Pfingsten immer möglich, aber unter Hygienebedingungen, bei denen ich manchmal die Würdigkeit des Sakramentsempfanges in Frage stellte“, gibt der Pastoralreferent zu bedenken.

Klientelpolitik der Kirche?

Das Hygienekonzept werde oft ins Feld geführt. „Ja das haben wir, aber andere auch. Theater, Kinos dürfen trotzdem nicht öffnen“, sagt Jürgen Oettel. Die Idee des „Minilockdowns“ über Ostern könne er gut nachvollziehen. Ihn treibe nun die Bitte um Solidarität und die Reaktion der Kirchenleitungen um. „Wen haben wir im Blick? Die Menschen? Das große Ganze? Oder betreiben wir wie viele anderen auch Klientelpolitik? Sind uns die eigenen Schäfchen und deren Erwartungen näher als das notwendige Zusammenstehen in dieser Pandemie?“, fragt Jürgen Oettel. „Was passiert, wenn wir die Gottesdienste an Ostern nicht als Präsenzgottesdienste stattfinden lassen? Gibt es dann keine Auferstehung? Ostern passiert nicht nur am Ostersonntag und Ostermontag. Das passiert jeden Tag, auch dann, wenn wir es nicht im Gottesdienst, in der Liturgie feiern“, macht Oettel Hoffnung.

Es gibt indes auch andere Stimmen. „Die Entscheidung, die in Berlin über Nacht getroffen wurde, konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, obwohl ich die Sorge verstehe, dass unterdessen die dritte Welle vor der Tür steht. Aber wir haben ja gute Hygienekonzepte in unseren Kirchengemeinden und Einrichtungen“, sagt Alexander König, Dekan im katholischen Dekanat Ludwigsburg und gleichzeitig Gemeindepfarrer in St. Maria in Ditzingen. „An Ostern feiern wir das Fest der Auferstehung und stärken uns in der Hoffnung, dass wir für die Ewigkeit geboren sind. Dieser Gedanke war mir im vergangenen Jahr so wichtig, als ich Angst hatte, was in der Pandemie auf uns zukommen würde. Ich war dankbar, dass Ostern und die ersten Schrecken der Pandemie zeitlich beisammen waren. Es war mir Kraft und Hoffnung in der Angst“, sagt König.

Besserwisserei unter den Parteien

Er habe großen Respekt vor allen, die in Medizin und Politik gerade Verantwortung haben, aber ihn ärgere oft die Besserwisserei, vor allem unter den Parteien, sagt der Ditzinger Pfarrer. Aus Solidarität zu anderen müssten die Kirchen wohl auf ihr Angebot verzichten, damit wäre aber nichts gewonnen, ist er überzeugt. Im Gegenteil, wenn zu den vielen Verboten auch noch die gemeinsamen Gottesdienste abgesagt würden, bliebe nichts mehr übrig, außer in der Hausgemeinschaft Ostereier zu suchen und miteinander zu essen und noch mehr zu trinken.