Martin Georg Cohn über eine lebendige Stadt mit weniger Autos t, eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat, die kritische Personalsituation im Rathaus und seine erste Halbzeitbilanz.

Leonberg - Im historischen Zentrum Leonbergs lässt es sich gut kommunizieren. Kein Wunder, dass der OB zum finalen Sommergespräch auf den Marktplatz gebeten hat.

 

Herr Cohn, wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Ich freue mich, dass wir hier auf einem belebten Marktplatz mit einer attraktiven Außengastronomie sitzen. Das zeigt, dass das Leben pulsiert. Die Menschen fühlen sich wohl, und deshalb fühle ich mich auch wohl.

Wäre es da nicht logisch, den Marktplatz komplett autofrei zu machen?

Unsere Citymanagerin und unser neuer Mobilitätsbeauftragter haben sich hierzu konkrete Gedanken gemacht. Ich halte es für sinnvoll, dass der Marktplatz an den Wochenenden und den verkaufsfreien Zeiten den Fußgängern vorbehalten ist. Die Menschen sollen in Ruhe sitzen können, ohne eine störende Autofrequenz.

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Der Ruf nach Parkplätzen erschallt auch abends…

Die Anwohner haben natürlich permanenten Zugang. Das lösen wir mit versenkbaren Pollern, die optisch attraktiv sind. Für die Besucher haben wir hervorragende Parkplätze in der Altstadt-Tiefgarage mit sehr günstigen Preisen. Einfacher geht es nicht: Wer sein Auto parkt, geht in den Aufzug und schon steht er mitten auf dem Marktplatz. Um aber das Parken in unserer Tiefgarage noch attraktiver zu machen, denken wir darüber nach, dass Parken von Samstagnachmittag bis Montagfrüh komplett kostenlos anzubieten.

Ist es da nicht konsequent, den Wochenmarkt auf den Marktplatz anzusiedeln?

Der klassische Samstagsmarkt in der Steinstraße hat sich bewährt. Spannend finde ich, Themenmärkte in der Altstadt anzubieten, zum Beispiel in Kooperation mit den Partnerstädten. Kroatische, französische, Thüringer oder Berliner Wochen wären tolle Angebote, die zudem Bürgerinnen und Bürger, welche noch nicht die Vorzüge unseres Marktplatzes kennen, erschließen könnten.

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Einen weiteren Aufschwung für die Altstadt soll das benachbarte Postareal bringen. Sind Sie froh, dass der Bau nun endlich beschlossen wurde?

Wäre die Entscheidung vertagt worden, hätte ich die große Gefahr gesehen, dass der Investor Strabag aussteigt. Eine Jahre andauernde Brache wäre die Folge gewesen. So haben wir die Chance, das gesamte innerstädtische Gebiet kreativ zu entwickeln, einschließlich der Schuhfabrik und des geplanten Stadtgartens auf dem Layher-Gelände.

Was bedeutet das konkret für die alte Schuhfabrik?

Wir wollen alle Nutzungsmöglichkeiten ausloten, deshalb bitten wir potenzielle Investoren, uns Konzepte vorzulegen. Dann werden wir beschließen, was mit dem Gebäude geschieht. Mir ist wichtig, dass Leonberger Kulturtreibende weiter eine Heimat haben.

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Welche Rolle spielt die Eltinger Straße in der Neugestaltung der Innenstadt?

Die CDU hatte ja vorgeschlagen, eine Reduzierung der Spuren für den Autoverkehr zu testen. Diese Idee wollen wir weiterverfolgen. Ich stelle mir vor, dass pro Fahrtrichtung jeweils eine Spur für Busse und Radfahrer und eine für Autos reserviert wird.

Wann soll das umgesetzt werden?

So schnell wie möglich. Wir klären das gerade mit dem Regierungspräsidium ab. Große Probleme erwarte ich nicht, weil wir die Straße nicht umbauen müssen.

Wollen Sie insgesamt weniger Autos ?

Wir sind uns ja mehr oder minder einig, Mobilität neu zu denken. Dabei spielt das Auto weiterhin eine Rolle, aber eben auch die anderen Verkehrsmittel. Gerade für Fußgänger und Radfahrer sollten wir mit attraktiven Wegebeziehungen noch mehr tun. Damit können wir auch Eltingen stärker in die Stadt einbinden und zudem den Handel stärken.

Wie geht es mit der Stadthalle weiter: Wird es einen Neubau geben?

Die hierzu vom Gemeinderat beschlossene Machbarkeitsstudie wird jetzt in Auftrag gegeben. Mit Ergebnissen ist etwa acht Wochen später zu rechnen.

Und dann wird endgültig entschieden?

Es muss eine finale Entscheidung getroffen werden. Angesichts der baulichen Mängel sind wir uns einig, dass etwas geschehen muss. Ich könnte mir eine Kombination aus Kultur und Tagungsgeschäft vorstellen. Wichtig ist, dass sich unsere Vereine darin wiederfinden. Die Frage eines Neubaus ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit.

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Der Wohnungsmarkt ist nach wie vor angespannt. Wann ist mit neuen Wohngebieten zu rechnen?

Für das Quartier in der Berliner Straße läuft das Investorenauswahlverfahren jetzt an. Beim ebenfalls vom Gemeinderat beschlossenen Gebiet am Unteren Schützenrain sind wir noch nicht ganz so weit, weil es ein landschaftlich sensibles Gebiet ist. Damit ist der Bedarf aber noch nicht gedeckt. Wobei wir immer beachten müssen, dass neue Stadtquartiere erweiterte Infrastruktur nach sich ziehen, etwa beim Bedarf an Kindergartenplätzen. Da müssen wir eine dauerhafte Auslastung sicherstellen. Nicht zuletzt dürfen wir beim Ausweisen neuer Wohnflächen die Belange der Landwirtschaft nicht aus dem Blick verlieren. Kurzum: Wir müssen in Qualität investieren, nicht nur in Quantität.

Vor einem Jahr haben wir uns über das nicht spannungsfreie Verhältnis zwischen dem Gemeinderat und Ihnen unterhalten. Ist das besser geworden?

Ich habe den Eindruck, dass die Transparenz, die ich versuche in die Diskussionsprozesse einzubringen, sichtbarer wird. Grundsätzlich ist der Dialog durch Corona schwieriger geworden, weil man sich nicht mehr so oft sieht und weniger Gelegenheit zum direkten Austausch hat. Das ist sehr bedauerlich.

Trotzdem gibt es nach wie vor kritische Bemerkungen aus dem Gemeinderat.

Kritik nehme ich gern auf. Wir haben einen sehr heterogenen Gemeinderat, dessen Mitglieder – auch innerhalb ihrer Fraktion – unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es gibt ja auch sehr viele Themen, bei denen man unterschiedlicher Auffassung sein kann, zum Beispiel bei der Schuhfabrik oder bei Verkehrsfragen. Letztlich kann ein Oberbürgermeister es nicht allen recht machen.

Aber doch vielen, oder?

Wir müssen uns einfach mehr Zeit füreinander nehmen. Deshalb werbe ich schon seit langem dafür, dass Rat und Verwaltungsspitze ein Wochenende in Klausur gehen. Es genügt einfach nicht, samstags von 9 bis 17 Uhr eine Klausur im eigenen Sitzungssaal zu machen. Wir müssen auch mal Freizeit miteinander verbringen, um zu einem persönlichen Austausch zu kommen. Das stärkt die Zusammenarbeit und ist gut für die Atmosphäre untereinander.

Warum verlassen so viele Mitarbeiter das Rathaus?

In der Vergangenheit hat es bemerkenswert viele Abgänge im Rathaus gegeben. Einige Stadträte sorgen sich bereits um die Arbeitsfähigkeit der Stadtverwaltung. Ist diese Sorge berechtigt?

Die Arbeitsfähigkeit ist tangiert, aber nicht beeinträchtigt. Man muss dieses Thema im Lichte der Arbeitsvielfalt und der Fülle der Aufgaben sehen. Die Bürger und die Politik erwarten, dass sie erledigt werden. Auch der Oberbürgermeister hat eine Erwartungshaltung an die eigenen Mitarbeiter.

Sind die Erwartungen zu hoch?

Es gibt zu einem die Vorstellungen des Gemeinderats. Da heißt es dann: Wir haben etwas beschlossen, aber es wird nicht gemacht. Doch wenn die Wünsche überhandnehmen, kann die Verwaltung gar nicht alles abarbeiten. Deshalb müssen wir uns dringend mit den Stadträten unterhalten, wie wir mit den Wünschen umgehen, die momentan nicht zu stemmen sind.

Aber Überlastung kann doch nicht der einzige Grund für die Fluktuation sein…

Unser Personal arbeitet sehr viel, wobei das zu Überlastungen führen kann. Das ist wie eine Spirale. Dann können bereits Kleinigkeiten dazu führen, dass man schnell kündigt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Arbeitsmarkt viel transparenter geworden ist. Wenn ein Angebot von außen kommt, womöglich besser bezahlt, ist die Versuchung groß. Und Angebote findet man heute überall im Internet.

Der Chef hat keine Mitschuld an den Abgängen?

Einfach zu sagen, es liegt allein an der Verwaltungsspitze, das greift zu kurz.

Meinen Sie alle drei Bürgermeister oder nur sich selbst?

Alle drei.

Zumindest in der Öffentlichkeit sind nur Sie als Chef wahrnehmbar.

Das stimmt insofern, als dass der Oberbürgermeister der Leiter Verwaltung ist und die Verantwortung trägt, wenn was schiefläuft. Er ist der oberste Repräsentant der Stadt.

Aber Klaus Brenner und Josefa Schmid leiten auch wichtige Dezernate.

Das ist richtig, sie haben ihre Aufgabenbereiche und sind in alle Themen eingebunden. Wir haben regelmäßige Dezernentenbesprechungen, die protokolliert werden.

Am 1. Dezember haben Sie Halbzeit. Wie fällt Ihr Zwischenresümee aus?

Ich bin in allen Themen voll drin, die Arbeit bereitet mir große Freude. Ich habe den Wechsel nach Leonberg nie bereut.

Cohn zieht nach Leonberg

Trotzdem wird Ihnen von einigen angelastet, dass Sie nicht hier wohnen.

Ich musste damals mein Haus in Rudersberg verkaufen und schnell eine neue Wohnung finden, was schwierig ist. Jetzt habe ich in Leonberg einen Platz gefunden, an dem ich mich sehr wohl fühlen werde. Deshalb ziehe ich im kommenden Jahr nach Leonberg.

In welchem Geiste gehen Sie Ihre zweite Halbzeit an?

Leonberg wird sich gut entwickeln, wenn man den Mut zur Entscheidung hat.