Vier junge Männer wollen vor 25 Jahren im Kostüm beim Umzug mitlaufen. Die Idee der Waldhexen ist geboren. Der Geburtstag wird am Samstag groß gefeiert.

Leonberg - Die Hex – im Wald, die Hex – im Wald, die Hex – im Wald,

 

hot Durscht wie’d Sau,

was drinket m’r?

des stärkste Bier,

d’r beschte Wei –

sott halt immer Fasnet sei!

So schallt es seit 25 Jahren zur Fasnet durch Leonberg. Ein 6. Januar ohne Maskenabstauben auf dem Marktplatz in der Altstadt? Ein Pferdemarkt oder Schmotziger ohne Hexenparty im „Gasthaus Sonne?“ Ein Rathaussturm ohne tatkräftige Hilfe in Grün-Schwarz-Gelb? Im Jahr 2020 undenkbar.

Dabei fing alles 1995 mit einem Späßchen zum Pferdemarkt an. „Die Verkleidung stand am Anfang im Vordergrund“, sagt Andreas Beißwenger. Mit seinem Bruder und zwei Freunden wollte er am traditionellen Pferdemarktumzug teilnehmen – im Kostüm. Und der Pferdemarkt fällt bekanntlich mitten in die Fasnet. Aber Narrenzünfte oder gar Hexen, das gab es damals höchstens in Weil der Stadt. Dennoch blieb die Idee hängen. Aber warum ausgerechnet eine Hexe? „Ein traditioneller Weißnarr hätte nicht gepasst. Die Ortsnecknamen wie Esel oder Schnecke hätten vielleicht gepasst, aber Hexe hat uns einfach besser gefallen“, erinnert sich der jetzige Hexenmeister und Vereinsvorsitzende. Es sei eben nicht reglementiert, wie eine Hexe auszusehen habe.

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Der weite Weg zum Verein

Doch das Kostüm ist aufwendig. Wie stellt man das also an? Zuerst einmal musste Stoff her. Die vier Freunde gingen zur Wolldeckenfabrik in Weil der Stadt und hatten Glück. Es gab tatsächlich den passenden Stoff in Tannengrün für Kopftuch und Rock. Dass es am Ende eine Waldhexe werden würde, war da schon klar. Bei einem Maskenschnitzer wurden vier Larven – so heißen die Masken – in Auftrag gegeben. Aus einem Wollsakko entstand die Jacke, dazu eine Rockschürze. Das erste Halstuch bestand noch aus gelbem Stoff. Und so ging es auf den Umzug. Mit der großen Resonanz dort hatten die vier aber nicht gerechnet. „Plötzlich haben uns viele Leute gefragt, ob sie bei uns mitmachen können“, erinnert sich Andreas Beißwenger.

Anfangs sei das ein Problem gewesen. Man habe überhaupt nicht vorgehabt, eine Narrenzunft oder gar einen Verein zu gründen. Doch schon im nächsten Jahr sind die Waldhexen wieder beim Pferdemarktumzug dabei. Peu à peu stoßen mehr Hexen zur Gruppe. „Wir haben anfangs nur Leute aufgenommen, die Freunde oder Verwandte von jemandem aus der Gruppe waren“, berichtet Beißwenger. Mal waren es nur zwei Leute, mal fünf. Irgendwann habe jemand gesagt, man müsse jetzt einen Verein gründen.

Hexenmeister Andreas Beißwenger packt nach der Fasnet die kleine Hexe zurück in die Kiste. Foto: Factum/Archiv

Hilfe von den Weiler Hexen

Wieder Neuland. Aber eine schlaue Hexe weiß, sich Hilfe zu holen. „Wir haben uns an die AHA in Weil der Stadt gewandt und uns die Satzung von deren Hexen angesehen“, sagt Andreas Beißwenger, der der erste und bislang einzige Vereinsvorsitzende der Waldhexen ist. Das Interesse an der Narrenzunft nimmt indes nicht ab, eher noch weiter zu. Die strengen Aufnahmekriterien sind bald nicht mehr einzuhalten. Auch Neuhexen ohne Verbindungen werden aufgenommen, eine Art Probemitgliedschaft eingerichtet. „Um zu sehen, ob man zueinander passt“, sagt der Hexenmeister. Mittlerweile zählt der Verein 120 Mitglieder. Darunter sind 21 Kinder und Jugendliche sowie 18 Fördermitglieder. Der Rest sind ordnungsgemäß getaufte Hexen.

Über die Jahre werden auch die typischen Hexenbräuche übernommen wie das Maskenabstauben und die Taufe, das Häs weiterentwickelt, Freundschaften zu anderen Hexengruppen entstehen. Mit den Narrenfreunden Seebronn etwa ist man schon seit über 20 Jahren befreundet. Regelmäßig besuchen die Waldhexen in der Fasnet Kindergärten, auch Anfragen aus Seniorenheimen gibt es mittlerweile. Und was eine richtige Hexe sein will, die kümmert sich auch um ihre Ausstattung selbst. „Außer den Masken, Unterhosen und Strohschuhen muss jeder alles selbst machen“, sagt Andreas Beißwenger. Auch das Dreieckstuch selbst häkeln? „Ich prüf’ das jetzt nicht nach“, sagt der Hexenmeister und lacht. „Es gibt sicher immer irgendwo eine Oma, die mithilft. Aber es ist wichtig, dass da jeder selbst ran muss.“ So wird etwa der Hexenbesen bei einer gemeinsamen Veranstaltung gebunden.

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Ein fester Bestandteil des Veranstaltungskalenders

Es habe ein paar Jahre gedauert, bis sich die Waldhexen etabliert hätten. Doch mittlerweile gehören deren Veranstaltungen fest zum Kalender der Stadt. Mit dem 1. Karnevalverein Gesellschaft Engelberg, der den Rathaussturm am Pferdemarktsonntag organisiert, arbeite man gut zusammen. Und als das Kellersterben zur fünften Leonberger Jahreszeit zunahm, sprangen die Waldhexen ein. Seit fünf Jahren schon laden sie ins frühere „Gasthaus Sonne“ an der Sonnenkreuzung an. „Die Sonne hat diesen Charme, wie eine Besenwirtschaft“, schwärmt der Hexenmeister. Feiern sei das eine. Die Möglichkeit, sich im Ort präsentieren zu können und sich zu engagieren, sei ihnen aber genauso wichtig.

Gefeiert wird das große Jubiläum an diesem Samstag – in der Staigwaldhalle Warmbronn. Die „Sonne“ wäre dafür viel zu klein. Denn die Waldhexen haben viele befreundete Narrenzünfte und andere Vereine eingeladen, die im ersten Teil des Abends ein Bühnenprogramm mitgestalten. Im zweiten Teil des Abends spielt die Partyband „Die Grafenberger“, die auch regelmäßig auf dem Cannstatter Wasen auftritt. Einlass ist um 19 Uhr, das Programm startet um 19.50 Uhr. Der Kartenvorverkauf übers Internet ist zwar bereits abgeschlossen. „Kurzentschlossene könnten aber an der Abendkasse noch Glück haben“, sagt Andreas Beißwenger.