Nachdem die Defizite in der wichtigsten Leonberger Tagungsstätte kontinuierlich steigen, sollen jetzt die Stadtwerke das Gebäude übernehmen. Die Rathausspitze erhofft sich dadurch vor allem finanzielle Vorteile.

Leonberg - In ihr treten Promis wie Reinhold Messner, Erich von Däniken oder Christoph Sonntag auf. Hier gibt die Lyra ihr Jahreskonzert, die besten Sportler werden geehrt, der alte OB hat sich verabschiedet, der Neue wurde vorgestellt. Selbst der Gemeinderat ist hierin ausgewichen, als das Rathaus neu gebaut wurde. Die Stadthalle ist der wohl wichtigste Veranstaltungsort von ganz Leonberg, eine Mischung aus guter Stube und Eventlocation.

 

Dennoch ist der mittlerweile 35 Jahre alte Bau angesichts des steigenden Defizits immer wieder Anlass für kontroverse Diskussionen. Mit einer organisatorischen Neustrukturierung soll es nun besser werden. Statt eines kommunalen Eigenbetriebes, also einer Tochtergesellschaft der Stadt, soll die Halle Teil der Stadtwerke werden. Hier ein Überblick über die nicht ganz einfache Problematik.

Warum hat die Stadt eine Halle?

Fast jede Kommune ab einer Größenordnung von 30 000 Einwohnern hat eine Veranstaltungs- oder Kongresseinrichtung: Böblingen, Sindelfingen, Fellbach, Ditzingen, aber auch Weil der Stadt oder Korntal. Hier finden Konzerte und andere Kulturabende statt. Ein wichtiger, finanziell wahrscheinlich der wichtigste, Bereich ist das Kongresswesen. Firmen mieten die Halle oder einzelne Säle für Tagungen oder Seminare. Bosch etwa ist Stammkunde der Stadthalle. Hier setzen sich die Entwickler des autonomen Fahrens zusammen, wenn sie einen Tapetenwechsel brauchen.

Wie groß ist das Defizit?

Der vom Rechnungsprüfungsamt festgestellte Verlust liegt für das Jahr 2017 bei knapp 815 000 Euro. Im Jahr davor waren es lediglich 780 000 Euro. Für 2018 gibt es noch keinen Abschluss, doch dürfte sich der Negativtrend fortsetzen. Für das laufende Jahr sind 915 000 Euro eingeplant. Das Finanzloch wird also immer größer. Für die vergangenen Jahre haben die Experten im Rathaus einen durchschnittlichen Verlust von 618 000 Euro errechnet.

Allerdings ist die Stadthalle in Leonberg kein Einzelfall. Die Einrichtungen in Böblingen und Sindelfingen schreiben ähnlich hohe rote Zahlen: rund 600 000 Euro.

Woher kommen die roten Zahlen?

Die Gründe sind vielfältig. Seit knapp acht Jahren gibt es keinen Geschäftsführer mehr, der die Vermarktung der Stadthalle vorantreibt. Als Günther Philippi damals in den Ruhestand gegangen war, wurde die Stelle nicht mehr neu besetzt. Der frühere Oberbürgermeister Bernhard Schuler hatte sich zwar mit Nachdruck für einen Hallenmanager eingesetzt, fand im Rat aber keine Mehrheit. Immer neue Sicherheitsauflagen, unter anderem die Zahl der Bühnenmeister während Veranstaltungen, treiben die Kosten nach oben.

Schließlich ist die Konkurrenz extrem groß. Die Halle ist in die Jahre gekommen. Eine Kooperation beim Kulturprogramm mit Böblingen und Sindelfingen wurde von diesen beiden Kommunen aufgekündigt.

Was soll geschehen?

Von einer Neustrukturierung der Stadthalle erhofft sich die Rathausspitze vor allem Effizienz, aber auch inhaltliche Impulse. So sollen die Mitarbeiter vom bisherigen Eigenbetrieb in das Kulturamt wechseln, das auch für Sport, Bäder und Marketing zuständig ist. Von hier soll der Kultur- und Tagungsbetrieb und der Kartenverkauf organisiert werden. Oberbürgermeister Martin Kaufmann (SPD) will die Personalrochade zum Anlass nehmen, die Struktur dieses Riesenamtes neu zu ordnen. So ist unter anderem vorgesehen, die Bäder ebenfalls bei den Stadtwerken anzusiedeln.

Um die Betreuung der eigentlichen Stadthalle und dem dazugehörigen Parkplatz würden sich künftig die Stadtwerke kümmern. Die kommunalen Stellplätze wären dann in einer Hand. Schon jetzt gehören die Parkhäuser in der Altstadt und am Bahnhof zu den Stadtwerken.

Wie geht es jetzt weiter?

Anvisierter Stichtag für die Auflösung des Eigenbetriebs Stadthalle ist der 30. Juni. Bis dahin will man im Rathaus geklärt haben, was eine Neustrukturierung wirklich bringt und mit welchen Ersparnissen zu rechnen ist. Auch ein neues Profil des Kulturamtes soll bis dahin fertig sein.

Endgültig beschlossen sind die Änderungen freilich noch nicht. Der Gemeinderat hat die Stadt lediglich mit einer entsprechenden Konzeption beauftragt.