Selbst jetzt, da die Pläne weit gediehen sind, gibt es immer wieder Detailprobleme. Doch das Einlaufen in die Zielgrade rückt näher.

Leonberg - Es ist schon nach 22 Uhr, da wird Axel Möhrle deutlich: „Wir müssen uns auf die früheren Festlegungen verlassen können“, bricht es aus dem Bereichsleiter des Stadtentwicklungsunternehmens Strabag Real Estate heraus. „Wenn Beschlüsse des Gemeinderates immer wieder in Frage gestellt werden, dann können wir nicht loslegen.“

 

Der Grund seines Zorns: Regelmäßig gerät der Leonberger Stadtumbau, der mit einem völlig neuen Quartier im Bereich der ehemaligen Hauptpost den Marktplatz mit dem Neuköllner Platz verbinden soll, ins Stocken. Weil regelmäßig Kommunalpolitiker Details ansprechen, die sie anders gelöst sehen möchten.

Diesmal kommen die Einwände von Dieter Maurmaier. Der FDP-Fraktionsvorsitzende bemängelt die geplante Anlieferung für die Geschäfte und den Lebensmittelmarkt im Postareal. Die ist gegenüber der alten Schuhfabrik geplant. „Das ist aber ein wichtiger Teil der Stadt.“

Symptomatische Szenen

Das Wort des Verkehrsprofessors hat Gewicht. Maurmaier gilt im Gemeinderat als echter Experte. Also schlägt Oberbürgermeister Martin Georg Cohn vor, Maurmaier möge mit den Strabag-Leuten gemeinsam überlegen, ob die Läden im Postareal von einer anderen Stelle aus beliefert werden können. Axel Möhrle, der für Strabag das Leonberger Projekt koordiniert und der FDP-Politiker sagen zu.

Die abendliche Szene aus dieser Woche ist symptomatisch für das städtebauliche Jahrhundertprojekt von Leonberg. Es will einfach nicht so richtig vorangehen. Dabei sind die wesentlichen Weichen nach einem fast 15 Jahre andauernden Diskussionsprozess gestellt. Und wenn nun keine weiteren unerwarteten Fallstricke auftreten, könnten in dem Bereich zwischen der Altstadt und dem Rathaus in einem Jahr um diese Zeit endlich die Bagger rollen. Ein Blick auf Vergangenes und Künftiges:

Die ersten kühnen Träume

Schon in der Ära der früheren Baubürgermeisterin Inge Horn war der Stadtumbau ein großes Thema. Als feststand, dass der riesige Verwaltungskomplex der von Wüstenrot geschluckten Leonberger Bausparkasse abgerissen wird, gab es viele Pläne zur künftigen Nutzung des Bereichs.

Rudi Häussler, Anfang des dritten Jahrtausends als Immobilienkönig gefeiert, wollte aus dem „Loch“ inmitten des Zentrums ein glänzendes Viertel machen, in den sich Wohnen, Handel und Kultur begegnen. Krönung wäre ein Amphitheater am Fuße der Altstadt gewesen.

Wäre... Denn Häusslers Pleite machte alle Träume schlagartig zunichte. Lange passierte nichts. Dann kam der Wohnungsbauer Layher um die Ecke und realisierte nach zähen wie langen politischen Diskussionen ein Wohnquartier auf dem alten Bausparkassengelände, das in diesen Monaten in den letzten Zügen liegt.

Die städtebauliche Großchance

Parallel dazu eröffnete sich mit dem Wegzug der Frachtpost aus dem Zentrum ins neue Gewerbegebiet Leo West eine städtebauliche Großchance. Plötzlich war Fläche vorhanden, um die urbane Wunde längs der Eltinger Straße zu heilen. Die Stadt erwarb von der Post das komplette Gelände, ein Architektenwettbewerb sollte Visionen für den lange ersehnten Brückenschlag zwischen der Altstadt und dem Leo-Center bringen.

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Die Entwürfe wurden von einem Expertengremium begutachtet, dem auch Mitglieder des Gemeinderates angehörten. Dies ist wichtig zu erwähnen, weil in der Folgezeit Einzelpunkte der dort beschlossenen Pläne vom Rat gerne wieder in Frage gestellt wurden.

Die konkreten Pläne

Das beim Wettbewerb erfolgreiche Stuttgarter Architektenbüro h4a und der Investor Strabag Real Estate machten sich an die Arbeit. Ein zentraler autofreier Platz, umringt von vier Gebäuden, soll eine Art Zwischenzentrum werden. Geplant sind ein Hotel, ein Boardinghouse, in dem Gäste langfristig wohnen können, Gastronomie, Geschäfte und ein großer Lebensmittelmarkt als Frequenzbringer. Der Bedarf hierfür, das haben Untersuchungen ergeben, ist vorhanden. Denn der nördliche Teil der Kernstadt ist praktisch ohne Nahversorger.

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Coup des Ganzen ist der Brückenschlag: ein architektonisch anspruchsvoll gestalteter Steg für Fußgänger und Radler, der das neue Quartier mit der Altstadt verbindet. Dieser Brückenschlag auch im übertragenen Sinne liegt Baubürgermeister Klaus Brenner besonders am Herzen.

Die Probleme

Was so zukunftsweisend klingt, birgt viele Probleme im Detail. Die fangen mit der Parkplatzfrage an, den Zufahrten und Wegführungen und reichen bis zu ganz praktischen Schwierigkeiten beim Bau durch den massiven Felsuntergrund.

Zum richtigen Streitpunkt gerät das kleine Kastanienwäldchen vor dem alten Postgebäude. Das ist im vom Gemeinderat mitgekürten Siegerentwurf nicht mehr vorgesehen. Der Platz wird für die Neubauten benötigt. Doch als es ernst wird, kommt Widerstand auf. Anwohner wehren sich gegen das Fällen der Bäume und erhalten von Teilen des Rates Rückendeckung. Am Ende steht ein Kompromiss: drei Bäume bleiben erhalten, die anderen werden umgepflanzt.

Diskutiert wird auch über die Einfahrten zum Quartier, im Gespräch ist zeitweise ein Zufahrt von der Bahnhofstraße aus, und eben über die Zulieferwege für den Handel. Hier wird die ursprüngliche Variante in direkter Nachbarschaft zum Haus, in dem die Reinigung Nährich ihre Räume hat, nach Protesten durch eine Zufahrt gegenüber der Schuhfabrik ersetzt.

Die Coronafolgen

Genau diese Frage scheint dann auch einer der letzten Stolpersteine zu sein. Ansonsten hat das Quartier konkrete Formen angenommen. Die freilich sind auch durch Corona geprägt. So hatte die SPD angeregt, auf das Boardinghouse und das Hotel vorerst zu verzichten. Die Möglichkeit, in besseren Zeiten mit solchen Projekten noch einmal aufzusetzen, haben sich die Kommunalpolitiker vorbehalten.

Hickhack hatte es zum Schluss noch um den Stellplatzschlüssel gegeben, also die Zahl der Parkplätze pro Wohnungen. Am Ende gibt es für Wohneinheiten bis zu 65 Quadratmetern einen Platz, für größere und barrierefreie sind 1,5 Stellplätze vorgesehen. Im Herzen des Postareals sind für rund 100 Wohnungen, Geschäfte und Büros rund 270 Parkplätze geplant.

So geht es weiter

Trifft der Gemeinderat nun tatsächlich vor den Sommerferien einen finalen Beschluss, kann das Baudezernat einen Bebauungsplan erstellen. Im kommenden Jahr soll die alte Post abgerissen werden. Dann könnte es wirklich losgehen. Baubürgermeister Klaus Brenner rechnet mit einer Bauzeit von rund drei Jahren.