Der Leonberger führt seine Leser durch eine Zeit, in der aus den einstigen Feinden Freunde werden.

Leonberg -

 

Ein bemerkenswertes Buch hat der Leonberger Frowin Junker (Jahrgang 1927) vorgelegt. Als Autobiografie geschrieben enthält es mehr als einen persönlichen Lebensbericht. Es ist ein Buch entstanden, das ein „Leben in drei Welten“ nachzeichnet.

Mit der „ersten“ Welt ist gemeint das Aufwachsen in einem christlich geprägten Elternhaus, dann aber auch die Vereinnahmung und Irreführung im abgeschirmten und geschlossenen System einer NS-Eliteschule in Sonthofen und Vogelsang; rückblickend mit der (selbst-)kritischen Frage versehen, welche Vorbilder und Einflussgeber sich in der Welt von Jugendlichen breit machen können und wie gerade auch junge Menschen verführbar sind und wie das Gewissen, auch das christliche Gewissen, korrumpiert werden kann.

Neues Deutschlandbild

Nach dem Aufwachsen folgt die „zweite“ Welt des Aufwachens, in der der Autor mit vielen anderen erleben und erkennen musste, welches Unheil, Leid und Schmerzen, bis in die eigene Familie hinein, die Gefolgschaft eines verbrecherischen Regimes über die Länder und Völker dieser Welt gebracht hat. Diese Ereignisse wurden für ihn zum reinigenden Feuer, das jegliche fanatisierte Anhängerschaft zu Asche verbrannte.

Warum haben danach so viele Väter geschwiegen, warum sind sie der schmerzhaften Auseinandersetzung ausgewichen? Diese Fragen hatten bei dem Autor einen völlig veränderten und ungewöhnlichen Lebensentwurf zur Folge. Das angestrebte Berufsziel und die Gründung einer eigenen Familie wurden um Jahre, genauer: um zwei Jahrzehnte, zurückgestellt zugunsten des ganz persönlichen Einsatzes in Laienspiel- und Musikgruppen für Völkerverständigung und Versöhnung. Vergangenheitsbewältigung und Wiedergutmachung (wenn es das überhaupt gibt) und auch die Vermittlung eines neuen Deutschlandbildes war das Ziel dieses Engagements.

Architektur-Diplom mit 52 Jahren

Dies wurde begleitet im persönlichen Aufbau von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung, in der beständigen und verlässlichen Begegnung von Mensch zu Mensch, von Angesicht zu Angesicht, im Besuch der Länder hin und her, im Brücken bauen nahezu rund um den Erdball herum und im Eintreten für demokratische Strukturen. Mit der „dritten“ Welt öffnen sich dann noch einmal ganz andere Tore und Türen in die eigene Lebens- und Familiengeschichte hinein. Äußerlich gesehen war der Zugang in diese „dritte“ Lebenswelt der Erwerb des Architektur-Diploms, und das erst mit 52 Jahren! Nicht weniger unruhig, tätig und engagiert gestalteten sich die folgenden Jahre. Da ist, immer noch, der Einsatz in der Gemeinde und in der Kirche.

Konfrontation mit Verdun und Auschwitz

Da waren die Besuche in Polen und in der Slowakei, in der Ukraine und in Belarus (dort im Einsatz zusammen mit der Ehefrau Beate für „Kinder von Tschernobyl“), dann die Konfrontation vor Ort mit zwei Brennpunkten der Geschichte: Verdun und Auschwitz und schließlich die persönliche Begegnung in Paris mit einem prominenten ehemaligen Häftling und Zwangsarbeiter im Leonberger KZ: mit dem polnischen Juden Samuel Pisar, der seine ganze Familie verloren und selber acht Konzentrationslager überlebt hatte.

Diese Lebensgeschichte liegt nun in einer zugänglichen und beeindruckenden Form vor. Sie enthält vielfältige Erfahrungen, die manchmal mehr Fragen stellen als Antworten geben; sie enthält auch Überlegungen, die nicht glatt bügeln und die gerade so in ihrer persönlichen Unverwechselbarkeit ein Beispiel geben, an dem sich auch jüngere Generationen reiben und orientieren können.

Unser Autor Hartmut Fritz war bis 2004 Leonberger Dekan und bis zu seinem Ruhestand Chef der Samariterstiftung.