Dass viele Kommunalpolitiker andere Prioritäten setzen, ärgert die Initiative für eine Komplettsanierung.

Leonberg - Die Künstler in der alten Schuhfabrik gehen in die Offensive. Nachdem mehrere Leonberger Lokalpolitiker in den Sommergesprächen unserer Zeitung eine Sanierung des ehemaligen Fabrikgebäudes in der Innenstadt als nicht vordringlich bezeichnet oder gar ganz abgelehnt hatten, melden sich jetzt Karin Albrecht und Chris Heinemann von der Initiative „Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg“ zu Wort.

 

„Bei der von uns angestrebten Sanierung der Schuhfabrik geht es nicht – wie immer wieder behauptet - um ein ,paar Künstler’ , sondern um die Umgestaltung in eine Kulturfabrik“, erklären Karin Albrecht und Chris Heinemann. Dieses neue Angebot gehe über das des jetzigen Künstlerhauses hinaus und unterscheide sich „in Art und Umfang deutlich von der Stadthalle“. Der Leonberger Initiative geht es „um ein kulturelles Begegnungszentrum im Herzen der Stadt mit aktiven Betätigungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger“.

Nur für einen begrenzten Personenkreis?

Im Sommergespräch mit unserer Zeitung hatten der SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier und seine Stellvertreterin Christa Weiß erklärt, dass die Schuhfabrik als Kulturzentrum allein schon aus finanziellen Gründen keine Priorität habe. Für die Kunst gebe es den Galerieverein, für Kulturevents die Stadthalle und den Spitalhof.

Noch mehr ärgert sich die Initiative über die Aussagen von Axel Röckle. Der Fraktionschef der Freien Wähler hatte im Sommergespräch gesagt, dass die alte Schuhfabrik „nur einem äußerst begrenzten Personenkreis“ diene. „Es ist immer von mehreren Leonberger Künstlern die Rede, in Wirklichkeit gibt es nur eine Künstlerin aus Leonberg. Bei den anderen ist der einzige Lokalbezug die Schuhfabrik selbst“, erklärte Axel Röckle.

„Provinzielle Denkweise“

„Diese Aussage ist fehlerhaft und geht obendrein an der Sache vorbei“, widersprechen Karin Albrecht und Chris Heinemann. Derzeit wohnten zwei von insgesamt sieben im Haus tätigen Künstlerinnen und Künstlern in Leonberg, zwei weitere seien kürzlich in die nähere Umgebung umgezogen.

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„Abgesehen davon, dass sowohl die ortsansässigen als auch die auswärtigen Künstler im Haus einen Beitrag zur Bereicherung der Stadtkultur leisten, zeugt der zwischen den Zeilen schwingende Vorwurf eines mangelnden Lokalbezugs von zutiefst provinzieller Denkweise“, sagen die beiden Initiativensprecher. „Andere Kommunen sind dankbar, wenn sich auch auswärtige Kreative in die städtische Kunst- und Kulturszene einbringen.“

Kombination Wohnen und Ateliers

Nach einer mehrere Jahre währenden Diskussion hatte sich der Gemeinderat vor den Ferien auf einen Teilabriss des Gebäudes in der Steinstraße verständigt. Allein die Grüne-Fraktion hatte sich voll hinter die Initiative gestellt und eine komplette Sanierung des genau 200 Jahre alten Hauses gefordert, in dem bis 1977 noch Schuhe produziert wurden, dafür aber keine Mehrheit gefunden.

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Für die anderen Fraktionen sind in einem sanierten historischen Kern mit Anbauten sowohl Wohnungen als auch Ateliers denkbar. Dass die künftigen Preise aber für die Künstler so günstig wie im Moment sein werden, hält nicht nur der FDP-Fraktionschef Dieter Maurmaier für unwahrscheinlich. Die Stadt will sich nun auf die Suche nach einem Investor machen, der die Themen Wohnen und Kunst miteinander vereinen soll.

Auch die Volkshochschule ist dabei

Die Initiative lehnt diese Kombination ab. Bereits jetzt werde die Schuhfabrik vielfältig genutzt. „Den Stadträten müsste bekannt sein, dass der Kunstunterricht und die Sprachkurse der Volkshochschule, die fast das gesamte zweite Obergeschoss abdecken, von Bürgerinnen und Bürgern aller städtischen Milieus genutzt werden“, argumentieren Karin Albrecht und Chris Heinemann.

„Nebenbei bemerkt, belegt die Stadt mit ihrem Museumsdepot ebenso fast die gesamte erste Etage. Das im Erdgeschoss angesiedelte Fachgeschäft mit angeschlossener Galerie, wo bis zur Corona-Epidemie immer wieder sehr gut besuchte Ausstellungen stattfanden, kann sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen.“ Auch die große Resonanz bei den „Langen Kunstnächten“ spreche für die Kreativen: „Die drei Gemeinschaftsateliers, die im hinteren Anbau die bei weitem kleinste Fläche in Anspruch nehmen, waren bei den Kunstnächten – mit Ausnahme der sehr kurzfristig anberaumten Kleinen Kunstnacht am 24. Juli – Anziehungspunkt für Hunderte, wenn nicht Tausende von Besuchern aus Leonberg und Umgebung.“

„Weniger Lebensqualität für die Allgemeinheit

Durch die „Verweigerung städtischer Gelder für eine Sanierung“, so sieht es die Initiative, werde „Lebensqualität für die Allgemeinheit“ geschmälert.