Die Corona-Krise führt in Leonberg zu beträchtlichen Einbrüchen bei den Steuereinnahmen.

Leonberg - Die Corona-Krise zeigt erste Auswirkungen auf den Leonberger Haushalt. Bei der Gewerbesteuer gibt es aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation bei den Betrieben, in Handel und Gastronomie, Ausfälle von fast siebeneinhalb Millionen Euro.

 

Bei der nicht minder wichtigen Einkommenssteuer, die sich an der finanziellen Situation der Einwohner orientiert, erwarten der Finanzbürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) und die Kämmerei-Leiterin Elke Gräter Mindereinnahmen in Höhe von fast vier Millionen Euro. Auch die Vergnügungssteuer, die sich in den vergangenen Jahren angesichts zahlreicher Spielhallen zu einer nicht unwichtigen Geldquelle entwickelt hat, wird beinahe eine halbe Million Euro weniger sprudeln, weil Spielsalons und ähnliche Etablissements über einen langen Zeitraum geschlossen waren.

Fixkosten laufen weiter

Knapp anderthalb Millionen Euro fehlen schließlich in der Stadtkasse, da seit dem Lockdown keine Eintrittsgelder und Gebühren für Volkshochschule, Jugendmusikschule, Bäder, Sauna und die Kindertagesbetreuung geflossen sind.

Für letztere Position wird sich die Summe noch erhöhen, da die Ausfälle aus dem Juni in dieser Rechnung nicht enthalten sind. Die Fixkosten für Personal, Mieten, Unterhalt oder Technik sind in der ganzen Zeit aber weitergelaufen.

Oktober unrealistisch

Wie es jetzt weitergeht, ist unsicher: Die Gefahr einer zweiten Corona-Welle ist vorhanden, und damit einhergehend mögliche weitere Ausfälle in der Wirtschaft. Bund und Land haben ihre Füllhörner zwar weit offen, aber wie viel finanzielle Unterstützung sich daraus ergießt, ist nicht wirklich absehbar. Und die kommende Steuerschätzung, für kommunale Finanzplaner ein wichtiger Anhaltspunkt, steht erst im September an.

Der seit Jahren praktizierte Fahrplan, wonach im Herbst ein von der Stadtkämmerei vorgelegter Etatentwurf diskutiert und kurz vor Weihnachten beschlossen wird, ist in weite Ferne gerückt: „Angesichts dieser Unwägbarkeiten ist es fast unmöglich, für Oktober einen vernünftigen und genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen“, sagt Ulrich Vonderheid.

Nur noch zwingende Ausgaben

Der Finanzbürgermeister spricht sich dafür aus, den Entwurf für den Haushalt 2021 im Dezember einzubringen. Die inhaltliche Diskussion im Gemeinderat könne dann in den ersten beiden Monaten des kommenden Jahres erfolgen. Im März soll der Etat beschlossen und dem Regierungspräsidium als kommunale Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden. Ein Vierteljahr später als sonst.

Mit Blick auf die schwierige Situation wird dieser Zeitplan vom Gemeinderat nicht in Frage gestellt. Die CDU vertritt dennoch die Auffassung, dass jetzt direkt mit dem Sparen begonnen werden muss. Der christdemokratische Wirtschaftsexperte Oliver Zander hält eine Haushaltssperre für das geeignete Instrument, um die Ausgaben wirksam zu reduzieren. Dann darf die Stadt nur noch das ausgeben, was sie wirklich muss: bei rechtswirksamen Verträgen etwa, oder um die Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Sogenannte freiwillige Leistungen, beispielsweise Zuschüsse für Vereine oder soziale Projekte, würden eingefroren.

Kritik am OB

Zander verbindet seine Forderung mit deutlicher Kritik an der Verwaltung, namentlich an Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD). Der habe schon mehrfach eine Haushaltsklausur in Aussicht gestellt, bei der nach langfristigen Lösungen gesucht werden solle, um die Strukturen positiv zu ändern. Geschehen sei aber nichts. Eine vom OB angebotene Klausur an einem Nachmittag sei ob der Kürze eine „reine Alibiveranstaltung.“ Zander: Dafür ist mir meine Zeit zu schade.“

Der Gescholtene sieht es anders: Der Gemeinderat habe unterschiedliche Vorstellungen von einer Klausur gehabt. So sei sein Vorschlag, ein ganzes Wochenende wegzufahren, nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Stattdessen soll es nun zwei Termine geben: einen ganzen Tag im September und einen halben im Oktober.

Cohn will kluge Entscheidungen

In der Sache selbst hält der Oberbürgermeister eine Haushaltssperre für nicht erforderlich: „Wir brauchen keine Sperren, sondern kluge Entscheidungen, die die Stadt weiterbringen.“ Im Sommer stünden ohnehin keine großen Ausgaben an, und dann komme direkt die Klausur.

Eine Auffassung, der sich die Mehrheit des Gemeinderates anschließt: „Eine Lenkungsfunktion einer Haushaltssperre kann ich nicht erkennen“, meint Grünen-Fraktionsvorsitzender Bernd Murschel. „Wir müssen bei den Haushaltsberatungen die nötigen Prioritäten setzen.“

Nicht bloß Streichen

„Eine Sperre beinhaltet die Botschaft: Wir müssen was machen“, analysiert Axel Röckle, der Fraktionschef der Freien Wähler. „Doch jetzt sind Ferien, dann steht die Klausur an. Dann müssen wir aber auch wirklich etwas machen.“ Sein SPD-Kollege Ottmar Pfitzenmaier hält eine intensive Diskussion für nötig: „Wir brauchen mehr als das Streichen von Zuschüssen.“