Es ist viel diskutiert und gestritten worden. Doch es haben sich viele Wünsche der Hesse-Bahn-Kritiker erfüllt.

Renningen - Viel böses Blut ist über die Gleise der ehemaligen Schwarzwaldbahn, bald Hermann-Hesse-Bahn, geflossen. Die Fronten zwischen den Landkreisen Böblingen und Calw, zwischen Befürwortern und Kritikern, waren verhärtet, niemand war gut auf den anderen zu sprechen. Es gab Zeiten, da verging keine Woche ohne eine Pressemitteilung einer Behörde oder einer Bürgerinitiative, die ihre Sicht der Dinge darlegen wollte. Der Kreis Calw wurde mit Klagen überzogen, erst vom Naturschutzbund wegen der Fledermäuse in alten Bahntunneln, dann von der Stadt Weil der Stadt wegen einer neuen Brücke und dem Umbau ihres Bahnhofs, und schließlich noch von der Stadt Renningen wegen deren Bahnhof.

 

Wer hätte damit gerechnet?

Dass in Sachen Hesse-Bahn nach so vielen Jahren eine Lösung erzielt wird, mit der so viele Menschen so gut leben können, hätte bis vor ein paar Jahren sicher kaum jemand gedacht. Zu verdanken ist das vor allem der Hartnäckigkeit der Beteiligten: der Calwer und des Verkehrsministeriums, die die Hesse-Bahn unbedingt wollten. Und der Betroffenen im Kreis Böblingen, die sich mit ihren Forderungen nicht einfach so abwimmeln ließen.

Das Ergebnis dürfte für niemanden perfekt sein. Das ist das Wesen von Kompromissen. Aber es ist ein Kompromiss, der niemanden im Regen stehen lässt. Damit hat das Projekt Hesse-Bahn vor allem eines gezeigt: Dass es sich lohnt, am Ball zu bleiben und für seine Sache einzutreten. Hätten die Calwer in Anbetracht der Klagen und anderer Widerstände die weiße Flagge gehisst, wäre es zu einer Reaktivierung in der jetzigen Form wohl nie gekommen. Gleichzeitig waren die Initiatoren letztlich gewillt, auf Forderungen der Gegenparteien einzugehen.

Hat sich das Engagement gelohnt

Aus deren Sicht hat sich der Einsatz für die eigene Sache ebenfalls absolut gelohnt: Die S-Bahn erhält Vorrang vor der Hesse-Bahn. Der Nabu bekommt Trennwände in den Tunneln, die die Fledermäuse von den Zügen abschirmen. Das ohnehin klamme Weil der Stadt darf beim Umbau des Bahnhofs ein Wörtchen mitreden und bekommt für die neue Bahnbrücke über die Südumfahrung und für die Bahnübergänge einen Zuschuss von 75 Prozent statt nur 50 Prozent. Und die Renninger bekommen die leisen Batteriezüge vor ihrer „Haustür“ – wobei der Einsatz moderner, emissionsarmer Züge schon früh ein Anliegen in den Planungen war, aber eben erst jetzt offiziell angekündigt wurde.

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Unglücklich nur, dass die Gräben, die in dieser langen Zeit entstanden sind, sich wohl durch keinen Kompromiss der Welt so schnell zuschütten lassen. Und ebenso unglücklich, dass auf dem Weg hin zu diesen Kompromissen viel Zeit und Geld auf der Strecke geblieben ist, die man sich hätte sparen können, hätten die Beteiligten viel früher an einem Strang gezogen.

Aber solange niemand bereit ist, einen Schritt näher auf den anderen zuzugehen als unbedingt nötig oder als vom Gericht vorgeschrieben, werden sich wohl auch künftige Großprojekte auf die gleiche Art und Weise entwickeln.