Sind die Strukturen für ein lebendiges Stadtleben erst zerschlagen, dauert es Jahrzehnte, bis neue aufgebaut sind. Mit allen Risiken.

Leonberg - Wir nehmen die Zahlen fast schon routinemäßig wahr: 75, 90, 100 Prozent Kurzarbeit. Hauptsache, die Leute werden nicht arbeitslos. Doch bis das soweit ist, dauert es nicht mehr lange, im Gegenteil: Die für das zweite Quartal prophezeiten Insolvenzen haben schon begonnen. Dass ein Traditionsgeschäft in Gerlingen zumacht, ist ein erster lokaler Vorgeschmack.

 

Die Konsequenzen von Corona, aber auch von einer Alltagswelt, die sich zusehends im Internet abspielt, sind von Weil der Stadt bis Korntal tagtäglich zu sehen: Innenstädte sind bisweilen nur ein Schatten von einst, hinter jeder geschlossenen Ladentür verbirgt sich ein menschliches Schicksal, nicht selten eine Tragödie. Viele Händler und Gastronomen können nicht mehr, haben oft das letzte eigene Hab und Gut verpfändet, um den Betrieb aufrecht zu halten. In der vagen Hoffnung, dass es irgendwann besser laufen werde.

Hilfe vor allem mit Rat

Die Kommunen können ihren örtlichen Geschäften, Dienstleistern und der Gastronomie mehr mit Zuspruch und Rat, weniger aber mit Tat zur Seite stehen: Die Stadt Leonberg veröffentlicht regelmäßig in der Zeitung und im Netz Sonderseiten, auf denen Unternehmen ihre Leistungen, Angebote und Öffnungszeiten publizieren können. Das Citymanagement hält die Gewerbetreibenden ausführlich über die sich regelmäßig ändernden Corona-Verordnungen und deren praktische Auswirkungen auf dem Laufenden. Rutesheim bietet den Betrieben Kurse an.

Das Konsumverhalten entscheidet

Doch der Schlüssel zum Überleben der heimischen Gesellschaftskultur, zu der Handel und Gastronomie zweifellos gehören, liegt in unser aller Hände. Unser Konsumverhalten ist ganz wesentlich für die Überlebens- und Zukunftschancen des Modegeschäftes um die Ecke, des Blumenladens in der Nachbarschaft oder des Stammrestaurants verantwortlich. Wenn wir ihnen jetzt nicht die Treue halten, werden sie in den Nach-Corona-Zeiten einfach nicht mehr da sein.

Damit verschwinden auch die Alleinstellungsmerkmale des lokalen Handels: die persönliche Ansprache, die kompetente Beratung, kurzum: die persönliche Dimension. Dass Einkaufen viel mehr ist als das schlichte Besorgen bestimmter Waren, das merken viele gerade in diesen Monaten. Doch bei manchen hat sich eine gewisse Lethargie breit gemacht: Irgendwie geht es ja trotzdem weiter.

Die Marktmacht der Kraken

Aber irgendwann geht es eben nicht mehr weiter! Sind die Strukturen für ein lebendiges Stadtleben erst einmal zerschlagen, wird es Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, bis neue hergestellt sind. Dass diese dann von einigen wenigen Großkonzernen gesteuert werden, denen die Belange der Gemeinden und deren Menschen herzlich egal sind, liegt nahe.

Jeder einzelne sollte sich genau überlegen, was ihm ein funktionierendes Gemeinwohl wert ist. Gibt es das nicht mehr, sind alle der Marktmacht der Kraken ausgeliefert. Ohne die Chance auf Rückkehr.