Juristisch hat die Ex-Bürgermeisterin von Weissach ihr Verfahren verloren. Doch der Rat kann Größe zeigen und zur Befriedung beitragen.

Weissach - Ohne offizielle Reaktion ist der Hilferuf geblieben, den die frühere Bürgermeisterin von Weissach in der vergangenen Woche an die Gemeinderäte und ihren Nachfolger geschickt hat. Ursula Kreutel muss mehr als 223 000 Euro Schadenersatz bezahlen. Genauer gesagt: Sie muss es nicht allein. Der frühere Kämmerer ist genauso verurteilt. Doch Horst Haindl ist abgetaucht, offenbar gesundheitlich schwer angeschlagen.

 

Die Höhe des Schadensersatzes entspricht weitgehend den Honoraren, die Kreutels Nachfolger Daniel Töpfer aufgewandt hatte, um Ordnung in die Gemeindekasse zu bringen: Über Jahre hinweg, schon lange vor Kreutels Amtszeit, war im reichen Porsche-Dorf kein ordentlicher Jahresabschluss gemacht worden. Gerügt hatten das damals übrigens weder der Gemeinderat noch das Landratsamt.

Edel-Aushilfe aus Fellbach

Um die ausstehenden Abschlüsse nachträglich zu erstellen, hatte Töpfer einen alten Profi sozusagen als Edel-Aushilfe engagiert: Fast 3800 Stunden hatte der frühere Kämmerer von Fellbach im Lauf von knapp vier Jahren im Weissacher Rathaus verbracht und dafür 214 219 Euro Honorar bekommen, was sich in Dimensionen von vier Jahresgehältern bewegt.

Ursula Kreutel, das streitet sie nicht ab, hat das Ausmaß der Mängel nicht erkannt. Doch sie hält es für ungerecht, dass sie allein die Verantwortung übernehmen soll. Juristisch ist ihre Verteidigung fehlgeschlagen. Als sie den Staranwalt Wolfgang Kubicki angeheuert hatte, war der erste Prozess schon gelaufen. Eine Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg abgelehnt.

Wenigstens ein vertretbarer Betrag

In ihrer Not, Kreutel erwartet mit Zinsen und Verfahrenskosten eine Gesamtsumme von rund 300 000 Euro, hat sie die Gemeinderäte und den Bürgermeister um Erlass, wenigstens aber um einen vertretbaren Betrag von 50 000 Euro gebeten.

Der Gemeinderat müsste sich mit der Bitte seiner einstigen Vorsitzenden befassen. Dass der jetzige Chef den Antrag der Vorgängerin auf die Tagesordnung nimmt, ist unwahrscheinlich. Töpfer macht keinen Hehl daraus, dass er das Agieren Kreutels für eine Mitleidstour hält.

Fader Beigeschmack bleibt

Dennoch könnte der Rat bei der Sitzung am Montag zumindest nichtöffentlich über Ursula Kreutels Bitte befinden. Denn wiewohl der Richterspruch gefallen ist: Ein mehr als fader Beigeschmack bleibt. Neben Paragrafen gibt es auch in der Politik Werte wie Anstand, Menschlichkeit und Selbstreflexion. Anlass zu letzterer hätten zumindest einige der Ratsmitglieder.

Und angesichts des 16-Millionen-Euro-Desasters durch die Pleite der Greensill-Bank steht der sonst so forsche Bürgermeister nicht mehr auf jenem Sockel der Unfehlbarkeit, auf den er sich selbst gerne stellt. Würden er und der Rat den Mut zur Größe zeigen und Ursula Kreutel entgegenkommen, so würden sie großen Schaden von der Gemeinde abwenden. Der ideelle wiegt manchmal sehr viel schwerer als der finanzielle.