Neben einem dramatischen Imageverlust wäre eine Wahlverweigerung schlicht rechtswidrig. Nun ist dringend politische Führung nötig.

Leonberg - Was haben Leonberg und Stuttgart gemeinsam? Beide Städte haben ein Imageproblem, das jeweils zu weiten Teilen hausgemacht ist. In der Landesmetropole ist es der offenkundig zu laxe Umgang mit Massenkundgebungen von Coronaleugnern und deren Gesinnungsgenossen. Der unrühmliche Titel „Querdenker-Hauptstadt“ ist längst in der (digitalen) Welt und dürfte schwer wieder einzufangen sein.

 

Leonberg wiederum ist auf dem besten Wege, zu jener Stadt in Baden-Württemberg zu werden, die auf den schwarzen Listen potenzieller Führungskräfte steht. Wer will schon in einem kommunalen Umfeld arbeiten, in dem Entscheidungen immer wieder vertagt werden, die Stadtentwicklung mithin lahmgelegt ist?

Griechische Tragödie

In einem Umfeld, in dem noch nicht einmal die Wiederbesetzung einer verantwortlichen Position trotz mehrerer Versuche gelingt? Das Drama um die Neuwahl des Ersten Bürgermeisters erstreckt sich seit genau fünf Monaten und steuert der griechischen Tragödie gleich einem bitteren Finale entgegen. Sollte am Dienstag die Beigeordneten-Position tatsächlich nicht besetzt werden, würde sich Leonberg zur kommunalen Lachnummer weit über die Landesgrenzen hinaus machen.

Im Lauf von zwei Besetzungsverfahren haben sich die Stadträte um die 50 Aspiranten angeschaut. Niemand kann also sagen, es hätte keine Auswahl gegeben.

Fatale Gemengelage

Im Lichte der jetzigen verfahrenen Situation wundert es gar nicht mehr so sehr, dass der anfangs gewählte Maic Schillack einen Rückzieher gemacht hat. Womöglich hat der Niedersachse mit langer Kommunalerfahrung gemerkt, dass dieser Gemeinderat in Teilen unberechenbar ist und sein Handeln eher an persönlichen Befindlichkeiten und Parteiinteressen als an Sacherwägungen orientiert. Das dauerhaft angespannte Verhältnis zum Oberbürgermeister kommt erschwerend hinzu.

Nun steht zu befürchten, dass auch im zweiten Anlauf in dieser fatalen Gemengelage eine sehr respektable Kandidatin unter die Räder gerät. Hinzu kommt die offenkundige Neigung einiger Akteure, sich über Gepflogenheiten von Fairness und Anstand hinwegzusetzen, wie auch über die Gemeindeordnung. Denn die besagt eindeutig, dass die Position spätestens zum Ende einer vierteljährigen Vakanz wiederbesetzt werden muss.

Neue Gesprächskultur

Damit die untragbare Lage nicht vollends aus dem Ruder gerät, ist nun dringend politische Führung gefragt. Der Oberbürgermeister muss die Einhaltung der Gemeindeordnung durchsetzen. Vor allem aber muss er die Weichen für eine neue Gesprächs- und Umgangskultur stellen. Der Rückfall in eine bleierne Zeit, wie sie während des Hallenbadstreits vorgeherrscht hat, wäre fatal für die Stadt.

Die Wahl einer neuen Beigeordneten, die frische Impulse und Gedanken mit sich bringt, wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine bessere Zukunft.