Betrunkener 40-Jähriger klaut Wein, Einweg-Bestecke und Geschirrtücher. Jetzt steht er vor Gericht.

Leonberg - Nach der Beweisaufnahme war der Richter Josef Weiß davon überzeugt, dass sich die Tat so zugetragen hatte, wie sie in der Anklageschrift dargelegt wurde – zumindest was den äußeren Hergang betrifft. „Auch wenn Sie sich nicht mehr erinnern können, ich habe keine Zweifel daran, dass Sie es waren“, sagte er in der Verhandlung am Leonberger Amtsgericht. Entgegen der Anklage war es für den Richter aber lediglich ein versuchter Diebstahl mit Waffen.

 

„Das Diebesgut befand sich noch auf dem Grundstück“, erklärte er und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, die er zur Bewährung aussetzte. Als Auflage muss der Mann 40 Arbeitsstunden ableisten.

Alkohol und Tabletten

Bei dem Urteil ging das Gericht von einem minderschweren Fall aus und wich damit vom üblichen Strafrahmen ab. „Es gibt Untersuchungen, die attestieren, dass Sie psychisch krank sind“, sagte Richter Weiß, der mit Blick auf die Tat von einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Mannes sprach. Dieser stand damals nicht nur unter Alkohol, er hatte offenbar auch Tabletten eingenommen. Eine folgenreiche Mischung, auf die auch der Pflichtverteidiger hingewiesen und in seinem Antrag von einer verminderten Schuldfähigkeit seines Mandanten gesprochen hatte. Sein Antrag: Drei Monate auf Bewährung.

Der 40-Jährige war im Oktober vor einem Jahr nachts in ein Gartenhaus in Weil der Stadt eingebrochen und ließ in einem Müllsack unter anderem Einweg-Bestecke, mehrere Weinflaschen sowie Geschirrtücher mitgehen.

Diebstahl mit Waffen

Weit war der Mann, der damals in der hiesigen Flüchtlingsunterkunft wohnte, aber nicht gekommen, denn die Polizei konnte ihn noch auf dem Grundstück dingfest machen. Das war nicht gerade schwierig – er war im Gestrüpp eingeschlafen.

Die Beamten fanden bei ihm ein Taschenmesser, was den Tatbestand des Diebstahls mit Waffen erfüllte. Alarmiert wurde die Polizei durch eine Anwohnerin, die klirrende Scheiben gehört hatte.

Der heute in Sindelfingen lebende Mann, der 2015 mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland kam und in seiner Heimat als Mechaniker arbeitete, ließ über den Dolmetscher erklären, dass er sich nicht mehr an die Tat erinnern konnte.

Damals habe er wieder einmal zu tief in die Flasche geschaut und auch noch Beruhigungsmittel genommen. „Meine Erinnerung setzt wieder ein, als ich auf der Polizeiwache war“, sagte er und erklärte, dass er schon seit der frühesten Jugend Alkohol in großen Mengen konsumiere.

Psychische Probleme und Halluzinationen

Außerdem leide er unter psychischen Problemen, weshalb er stark tablettensüchtig sei. Dies bestätigte auch ein gerichtsmedizinisches Gutachten aus dem Irak von 2013, in dem die Rede von Halluzinationen ist.

Gleiches ergab die Untersuchung eines Amtsarztes im letzten Jahr, der eine „chronische seelische Erkrankung“ erkannte und die Überweisung an einen Psychiater empfahl. Inzwischen hat der Mann eigener Aussage nach einen Arzt konsultiert.

Der geladene Polizeibeamte erklärte, dass ihn das Verhalten des Mannes stutzig gemacht habe. „Seine Alkoholisierung war nicht so hoch, um das Bewusstsein zu verlieren“, sagte er. Damals wurde bei dem 40-Jährigen ein Promille gemessen, eine Untersuchung auf andere Substanzen erfolgte aber nicht.

Plötzlich hellwach

Vielmehr glaubte der Polizist, dass der Angeklagte alles nur vorgetäuscht habe. „In der Zelle gab er sich leblos, als wir dann aber seinen Gürtel ausziehen wollten, war er plötzlich hellwach“, erzählte der Beamte, der es nicht für notwendig gehalten hatte, einen Arzt hinzuzuziehen.

Deshalb und auch weil der Mann Alkohol gewöhnt war, hatte der Staatsanwalt eine verminderte Schuldfähigkeit ausgeschlossen und eine fünfmonatige Bewährungsstrafe für den Familienvater beantragt. Richter Weiß teilte am Ende aber die Ansicht des Pflichtverteidigers. „Die Wechselwirkung lässt sich nun einmal nicht ausschließen“, befand er.

Dessen Antrag auf eine Therapie als Bewährungsauflage lehnte er hingegen ab. Der Richter zu dem Mann: „Eine Therapie ist in Ihrem ureigensten Interesse, und da sollte der Staat nicht eingreifen.“