Nach der politischen Ablehnung durch Grüne und Freie Wähler will die Bank weder ein neues Direktionsgebäude an der Sonnenkreuzung noch rund 70 Wohnungen realisieren.

Leonberg - Der Vorstand der Kreissparkasse musste die Geschehnisse im Leonberger Ratssaal erst einmal verdauen und eine Nacht drüber schlafen. Am Freitag dann die Entscheidung: Das öffentlich-rechtliche Kreditinstitut wird auf ihrem Gelände an der Sonnenkreuzung kein neues Direktionsgebäude und auch kein Quartier mit rund 70 Wohnungen bauen. Schluss, aus!

 

Der Rückzieher ist eine Reaktion auf eine Abstimmung des Leonberger Planungsausschusses. Das Fachgremium hatte am Donnerstag mit sechs zu fünf Stimmen, also der denkbar knappsten Mehrheit, gegen einen veränderten Entwurf für eine Neubebauung votiert. Den drei Vertretern der Grünen war das zurückgesetzte fünfte Geschoss eines Wohngebäudes an der Grabenstaße ein Dorn im Auge. Die drei Freien Wähler waren gegen den Stellplatzschlüssel 1 beim bezahlbaren Wohnraum. CDU, SPD und FDP hatten sich zuvor für den Entwurf ausgesprochen.

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Worum geht es?

Das 58 Jahre alte Direktionsgebäude, einst Hauptsitz der damals eigenständigen Kreissparkasse Leonberg, an der Ecke Grabenstraße/Stuttgarter Straße, ist deutlich in die Jahre gekommen. Das Kreditinstitut wollte daher nicht nur einen Neubau, sondern auf dem insgesamt 7100 Quadratmeter großen Gelände vier Häuser mit etwa 70 Wohnungen errichten. Ein Viertel davon sollte sozial geförderter Wohnraum sein. Zwei Tiefgaragen waren geplant, Wege zwischen den fünf Gebäuden sollten für Belüftung sorgen. Doch schon im September stießen die Pläne im Gemeinderat auf Widerstand. Kritiker befürchteten, dass die Grabenstraße ihrem Namen alle Ehre machen würde und mit den Neubauten eine Häuserschlucht entstünde, und sprachen sich gegen das fünfte Geschoss aus. Auch über Luftschadstoffe wurde diskutiert. In den vergangenen Jahren wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid im Jahresmittel stets überschritten. Deshalb wurde ein Luftgutachten von der Stadt eingefordert, das nun im Planungsausschuss vorgelegt wurde.

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Was ist das Ergebnis?

„Eine Verschlechterung der Luftschadstoffsituation kann prognostisch nicht ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Gutachten. Doch ob das geplante Wohnhaus direkt an der Grabenstraße nun vier oder ein zurückversetztes fünftes Stockwerk hat, macht laut der Expertise keinen Unterschied aus. „Wir haben beim Gutachter nachgefragt, wo die größte Stellschraube ist. Heraus kam, das Wohnhaus von der Straße weg zu versetzen“, berichtete Daniel Häußler, der Leiter der Bauorganisation bei der KSK, im Ausschuss.

Der Architekt habe entsprechend die Pläne angepasst, der Gutachter neu gerechnet. Demnach könnten die Grenzwerte beim Stickoxid knapp eingehalten werden. Auch werde genügend Platz geschaffen für eine Bushaltebucht für zwei Busse und für den geplanten Radschnellweg.

Jedoch reichte in einer Tiefgarage der Platz nicht für einen Stellplatzschlüssel von 1,5 Plätzen pro Wohnung. Stadt und KSK kamen daher überein, dort den geförderten Wohnraum unterzubringen mit nur einem Parkplatz pro Wohnung.

Wie lautet die Kritik?

Die Grünen kritisieren die Luftbelastung. „Die Situation wird schlechter sein als jetzt“, sagte der Fraktionsvorsitzende Bernd Murschel, und plädierte für vier Geschosse. „Wir Freien Wähler meinen, wir brauchen 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit. Sie sollten überlegen, ob Sie nicht um fünf bis sechs Wohnungen reduzieren“, schlug Axel Röckle vor.

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Kritik an den Kritikern

Christa Weiß (SPD) warf den Grünen vor, das Gutachten nicht richtig gelesen zu haben. „Ob nun fünftes Geschoss oder nicht, macht fast gar keinen Unterschied.“ Einen Unterschied mache aber das weiter zurückversetzte Wohnhaus, wie es im Beschlussvorschlag der Verwaltung steht.

Das wollte Murschel nicht auf sich sitzen lassen. Die Fehler, so meinte der Grüne, lägen nicht in den Plänen der Sparkasse, sondern seien schon in früheren Jahren im Rathaus bei der Gesamtplanung des Gebiets gemacht worden.

Das sagt die Kreissparkasse

„Wir bedauern, dass es für unser langfristiges Investitionsprojekt keinen ausreichenden politischen Rückhalt gibt. Dies auch mit Blick auf unsere jahrzehntelange Präsenz und die Bereitschaft, städtische Interessen umfassend zu berücksichtigen“, kommentiert der KSK-Vorstandschef Detlev Schmidt die politische Ablehnung. Die Stadt selbst trage aber keine Schuld an dem Rückzug: „Bedanken möchten wir uns bei der Rathausspitze sowie der Verwaltung für die stets konstruktive Unterstützung.“

Selbst wenn es bei der eigentlich geplanten finalen Abstimmung am Dienstag im Gemeinderat eine knappe Mehrheit für das Projekt gegeben hätte, sei das für die Sparkasse „keine gute Ausgangslage. So ist keine tragfähige Lösung in Sicht“.

Was sein Institut mit dem Gelände nun macht, ließ der Sparkassen-Chef auf Nachfrage unserer Zeitung offen. „Wir können und wollen uns nicht festlegen. Die Chance, dass die Stadt mit einem ihr geneigten Investor in einem sehr guten Miteinander eine städtebauliche Aufwertung realisiert, ist nicht für alle Zeiten vertan. Aber erst einmal ist die Luft raus.“

Schmidt wollte aber nicht ausschließen, dass die Sparkasse nun womöglich in Eigenregie privaten Wohnbau realisiert: „Wir sind Grundstückseigentümer und können aktiv werden. Unter wirtschaftlichen Aspekten lassen sich mit Eigentumswohnungen andere Ergebnisse erzielen.“

Denkbar sei aber auch, dass die Kreissparkasse ihre Leonberger Direktion in einen ganz anderen Teil der Stadt verlegt. Schmidt: „Alle Optionen sind offen. Wir werden jetzt in Ruhe nachdenken.“

Das sagt der Oberbürgermeister

Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) reagierte erkennbar betroffen. Den Grünen warf er vor, von Anfang an gegen ein fünftes Obergeschoss gewesen zu sein. „Dann hätten wir auf ein Gutachten verzichten können und so viel Geld und Zeit gespart.“ Die faktische Ablehnung im Planungsausschuss und das zu befürchtende „Nein“ des Gemeinderates seien insbesondere wegen der Wohnungsnot „ein falsches Signal in der heutigen Zeit.“