Schwäbisches Hanami in der Feinau: Während es für die Obstbäume Entwarnung gibt, sieht es für die Reben teilweise schlecht aus.

„Wir haben Glück, dass man noch Blüten sieht“, sagt Martin Esslinger und zeigt auf die Bäume ringsum, die vereinzelt im Blütenkleid stehen. „Das sah Anfang des Monats noch anders aus“, so der Vorsitzende des Obst-, Garten- und Weinbauvereins Eltingen-Leonberg. Hat doch der April seinem Namen alle Ehre gemacht und getan, was er wollte: Regen, sommerlich warme Tage und Frostnächte wechselten sich ab. Problematisch dabei sei jedoch die immer frühere Blüte der Obstbäume und der Austrieb der Rebenknospen. „Wir haben früher die Blütenwanderung im Mai gemacht“, erklärt er, jetzt müsse man sie schon im April machen, um überhaupt noch Blüten zu sehen. Rund 45 Interessierte, unter ihnen der Landrat Roland Bernhard, sind am Sonntag in die Feinau gekommen, um nicht nur im Sinne von Hanami die Blüten zu betrachten, sondern sich über die möglichen Erträge zu informieren.

 

Rekordtemperaturen im Februar

Manfred Nuber, der Fachberater des Landkreises für Obst- und Gartenbau ist und in Schafhausen selbst einen Obsthof betreibt, schildert die besondere Wettersituation in diesem Frühjahr. Man habe eigentlich keinen richtigen Winter gehabt. Im Februar und März gab es Rekordtemperaturen. Dadurch begannen die Obstbäume viel zu früh auszutreiben, etwa Ende März schon die Kirschbäume. „Selbst die Bienen waren überrascht, wie schnell es dieses Jahr losging“, so der Imker. Nach besonders warmen Tagen habe es ab Mitte April einen Temperatursturz mit Nachtfrost gegeben.

Beim Rundgang in der Feinau bleibt die Gruppe vor einem besonders üppig blühenden Apfelbaum stehen. Manfred Nuber zupft eine Blüte ab und öffnet sie. Innen ist ein grüner Kern zu sehen, aus dem sich die Frucht entwickelt. „Wenn das Innere schwarz wäre, wäre es erfroren“, so Nuber. Man könne das der Blüte von außen nicht immer ansehen. In puncto Frost gibt er vorsichtige Entwarnung, dieser habe hier keinen großen Einfluss auf die Apfelernte, meint er. Was man jetzt allerdings noch nicht sieht, ist, ob die Früchte später sichtbare Frostringe haben. Das sei aber nur ein optischer Schönheitsfehler, für die Versaftung seien sie trotzdem geeignet.

Der Obstbau-Fachmann sieht derzeit nicht allzu schwarz, was mögliche Erträge betrifft. „Als Folge des schlechten Obstjahres 2023 haben wir dieses Jahr eine extrem gute Apfelblüte gehabt. Da könnten 95 Prozent kaputtgehen, und wir haben immer noch eine gute Ernte.“ Allerdings sei es bedenklich, wenn so viel Verlust allein durch den Frost entstehe, schließlich gebe es auch noch andere Gefahren, sei es durch das Wetter oder durch Schädlinge. Ein solcher Schädling ist die Mistel, ein Halbschmarotzer, der dem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe entzieht. „Die Landkreise ringsum sind schon betroffen, jetzt kommt sie bei uns mit Macht an“, so Nuber. Er rät, die Mistel, die durch Vögel verbreitet wird, herauszuschneiden, es könnten sonst ganze Bestände zusammenbrechen. Viele Misteln seien ein Zeichen für schlechte Pflege. Auch der schwarze Rindenbrand macht den Obstbauern zu schaffen.

„Die Vielfalt macht’s“

Manfred Nuber zeigt auf die Hänge und Wiesen in der Feinau, die von Wald auf der einen und der Autobahn auf der anderen Seite begrenzt wird. Weiter oben blühen noch einige Bäume, unten ist die Vollblüte schon beendet. „Die Vielfalt macht’s“, betont er. „Das ist auch unser Motto für den Landkreis“, greift der Landrat den Gedanken auf. Und das gelte ebenso für den Obstbau, so Nuber. In Zukunft würden sicher andere Baumarten wie Esskastanie, Maulbeere und Feige eine größere Rolle spielen. „In 30 bis 40 Jahren wird der Streuobstbau anders aussehen als heute“, ist er überzeugt.

Anders als beim Obst sind die Prognosen für den Weinbau – zumindest in der Feinau – eher durchwachsen. Stefan Hartmann, nach eigenem Bekunden einziger Besenwirt in Leonberg, zeigt den Blütenwanderern einen Trieb mit sieben Augen, „alle erfroren“, sagt er. „Beim Wein sieht’s leider sehr schlecht aus.“ Zwar könnten die Reben noch nachtreiben, aber das zeige erst die Zeit. Auf Nachfrage sagt er, dass er auf seiner Anbaufläche mit einem hohen Ausfall rechne. „Aber schauen Sie hier“, zeigt er auf Rebstöcke ein Stück weiter, die mit grünen Blättern gut dastehen, „es ist nicht alles erfroren.“ Der Frost schlägt an einer Stelle zu und an der anderen nicht. Deswegen wird es auch in diesem Herbst mit großer Wahrscheinlichkeit Wein aus der Feinau geben. Und darauf freut sich sicher nicht nur der Landrat, der im Sommer gern zum Wengerterfest kommt, wie er sagt. Schließlich ist die Feinau nach seinen Worten einer seiner drei Lieblingsorte im Landkreis.