Eine Fahrt mit der Rennfahrerikone Eberhard Mahle ist etwas ganz Besonderes. Erst recht, wenn es in einem 1960er-Kleinserien-Porsche über die Solitude-Rennstrecke geht.

Ludwigsburg: Marius Venturini (mv)

Leonberg - Gurte? „Sind bei Oldtimern nicht vorgeschrieben“, sagt Eberhard Mahle. Aber ob Pflicht oder nicht – sie würden eine Fahrt mit der Solitude-Legende im Abarth-Porsche 356 doch etwas entspannter machen. Ein Gespräch zur Nervenberuhigung ist während der drei Runden über die frühere Rennstrecke nämlich nicht drin. Das silberne Gefährt aus dem Jahr 1960 röhrt so dermaßen laut, dass man im Innenraum sein eigenes Wort nicht versteht. Und bei einer Geschwindigkeit von rund 160 Kilometern pro Stunde auf den Geraden wäre so ein Gurt doch irgendwie beruhigend. Finde ich zumindest . . .

 

Vor dem Start im Fahrerlager: unzählige Modelle aus allen Epochen stehen in und neben den Pavillons des mobilen Porsche-Museums. In einem hellblauen Rennfahreranzug steigt der inzwischen 80-jährige Eberhard Mahle ans Steuer des Abarth. „Die Hose hat mir einst Juan Manuel Fangio geschenkt“, berichtet er stolz. Und schwelgt weiter in Erinnerungen. 1961 und 1962 wurde er mit einem Auto aus dieser Baureihe jeweils Zweiter beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. Nun stehen drei Runden auf der Solitude an.

Langsamer will er es angehen lassen, versichert er. „Dieses Auto hat den berühmten Fuhrmann-Motor“, erklärt Mahle. Wahnsinnig teuer sei das 1954 von Ernst Fuhrmann entwickelte Triebwerk. „Und es gibt heute kaum noch jemanden, der ihn richtig einstellen kann.“ Daher will sich Mahle an den Rat der Porsche-Museums-Crew halten: langsam machen.

Ein Blick in Mahles Gesicht verrät noch immer eine fast jugendliche Verschmitztheit. Wenn die Autobahn frei ist, seien mit einem Sportwagen schon mal 300 km/h drin, verrät er. „Aber wirklich nur, wenn es geht“, sagt die Solitude-Ikone, die auf der Leonberger Rennstrecke von 1954 bis 1959 fünf Klassensiege und einen Gesamtsieg feierte. Mahle kennt die Piste wie seine Westentasche.

Autofahren, das ist sein Sport. „Vieles habe ich schon an den Nagel gehängt“, sagt Mahle, „das Skilaufen oder den Golfsport.“ Aber das Fahren, das gehe noch. Nur einen eigenen Oldtimer zum Werkeln und Schrauben besitzt er nicht. „Ich bekomme die Fahrzeuge von Porsche und Mercedes gestellt, und mit 80 Jahren lege ich mich nicht mehr unter ein Auto“, sagt Mahle, der seit mittlerweile 16 Jahren im Leonberger Ramtel wohnt.

Los geht’s in die Startaufstellung. „Man muss im Leerlauf ab und an mal Stoff geben“, brüllt mir Mahle entgegen, „damit es den Motor durchpustet.“ WRUUUUUUM! Ohrenbetäubend. Links vor uns vermute ich in meinem motorsportlichen Halbwissen einen orangefarbenen Porsche 914 – und dessen Pilot denkt sich exakt das gleiche und lässt sein Aggregat aufheulen. Dann geht sie los, die wilde Fahrt.

Jetzt weiß ich auch, was ein Rennfahrer darunter versteht, es langsam angehen zu lassen. Vollgas auf der Geraden, dann nach links, am Glemseck vorbei, ’runterschalten, mit 120 den Berg hinauf. Wir passieren winkende Streckenposten, und bergab erreichen wir gut 160 Stundenkilometer. Wie gern hätte ich jetzt einen Gurt. Aber ich vertraue meinem Chauffeur.

Zu recht. Es gibt wohl kaum einen, der sich mit dem 356er-Abarth-Porsche so gut auskennt. „Ich musste mich nicht lange an das Auto gewöhnen“, ruft mir Mahle in einer langsameren, leiseren Passage zu, „als ich heute Vormittag zum ersten Mal wieder drin saß, war es wie früher.“

Am Kreisverkehr zwischen Magstadter- und Mahdentalstraße sind noch die Spuren des Unfalls vom Vormittag zu sehen (siehe Splitter-Text rechts). Macht nichts, aufs Gas und vorbei. Die erste und zweite Runde vergehen wie im Flug. Immer wieder vergewissere ich mich, ob denn die Beifahrertüre auch wirklich richtig und vollständig geschlossen ist.

Mit dem Überholen hält sich Mahle zurück, lässt einige wenige Schnellere vorbei – zum Beispiel jenen Porsche 914 vom Start. Bis ihn kurz vor dem Ende der dritten Runde in der Mahdentalstraße doch die Rennlust packt. Das „Opfer“: eine blecherne Rallye-Legende. Der berühmte Porsche 911 „Safari“ aus dem Jahr 1978. Der mit den rot-blauen Martini-Werbeaufklebern. Okay, er hat sich offenbar absichtlich zurückfallen lassen, aber dennoch: Mahle schert aus und gibt Gas. Der Motorlärm und die Vibrationen fahren in alle Glieder. Eberhard Mahle winkt seinem „Kontrahenten“ kurz zu und rast in Richtung Ziel. Wie war das noch gleich mit „langsam machen“?

Dann geht alles ganz schnell. Nach der Zieldurchfahrt hält Eberhard Mahle am Streckenrand an. „Wir wechseln jetzt die Beifahrer“, ruft einer der Porsche-Museums-Mitarbeiter zum Seitenfenster hinein. Ich bedanke mich bei Mahle für die Fahrt, schüttle ihm die Hand und quetsche mich zur Tür hinaus. Noch etwas wackelig auf den Beinen und mit einem leichten Klingeln in den Ohren suche ich den Weg zurück zum Fahrerlager. . .