Kaufmanns Plan: Gondeln schweben buchstäblich über den Staus hinweg und verbinden den Bahnhof mit dem Leo-Center, der Altstadt und Höfingen. Gerade Städte mit schwieriger Topografie haben so ihre Verkehrsprobleme gelöst.

Leonberg - Leonberg und La Paz haben mindestens zwei Gemeinsamkeiten: Die Topografie ist nicht gerade eben, der Verkehr alles andere als flüssig. Womöglich haben die Stadt am Engelberg und die bolivianische Metropole bald noch ein bemerkenswertes Attribut, das sie verbindet: eine Seilbahn als ganz normales Verkehrsmittel.

 

Die Idee klingt beim ersten Hinhören, gelinde gesagt, gewagt. Doch so unglaublich, wie es scheinen mag, ist der Einsatz von Gondeln durchaus nicht. Viele Städte lösen ihre Verkehrsprobleme mittlerweile in der Luft. So ist das Seilbahnnetz in La Paz das größte weltweit. Steillagen oder übervolle Straßen spielen hier keine Rolle.

Auch im chronisch verstopften Ankara trägt eine Seilbahn zur Entlastung bei. In London wird die Themse schwebend überwunden. Und im amerikanischen Portland fahren die Gondeln Passagierrekorde ein.

Warum also nicht auch in Leonberg? „Wir sollten auf jeden Fall die Realisierungschancen überprüfen“, sagt Oberbürgermeister Martin Kaufmann (SPD). Wo eine Seilbahn verlaufen könnte, das hat der   OB mit seiner neuen Mobilitätsbeauftragten Bärbel Sauer und den Experten des   österreichischen Seilbahn-Herstellers Doppelmayr schon ausgetüftelt.

Die Gondeln könnten im Dreieck zwischen Altstadt, Leo-Center und Bahnhof verkehren. Eine weitere Linie könnte über das Glemstal nach Höfingen führen. Die Höhenunterschiede, die jetzt noch den Stadtplanern große Probleme bereiten, wären dann sozusagen von oben überwunden.

Einstieg Pomeranzengarten

Die Innenstadtlinie wäre eine in sich geschlossene Verbindung. Der Altstadt-Zustieg ist in Höhe des Pomeranzengartens geplant. Am Neuköllner Platz sollen die Passagiere die Gondeln vom Obergeschoss des Leo-Centers erreichen. Lediglich am Bahnhof würde ein Aufzug hinauf zur Seilbahn führen.

Der Bahnhof wäre wie schon jetzt die Drehscheibe für den öffentlichen Verkehr. Von hier aus geht es zu den Zügen und den Bussen. Die Strecke übers Glemstal, so der Plan, endet am Bahnhof Höfingen. Von hier aus fahren autonome Kleinbusse. Die Seilbahn wäre Teil des Verkehrsverbundes.

Realisiert werden könnte das ehrgeizige Projekt im Zuge der Neugestaltung des Postareals und des Brückenschlags zwischen Neuköllner Platz und Marktplatz. „Die Stärke einer Seilbahn ist die problemlose städtebauliche Integrierbarkeit und die Möglichkeit, neue Verbindungen entstehen zu lassen“, sagt die Verkehrsexpertin Sauer. Denn zusätzlicher Platz würde für eine Seilbahn nicht gebraucht, weil alles eben oben sich abspielt.

Den Charme einer Seilbahn sieht Bärbel Sauer zudem in der völligen Unabhängigkeit vom restlichen Verkehr: „Das bringt Zeitvorteile, weil Busse ja oft selbst im Stau gefangen sind“, sagt die Mobilitätsbeauftragte. „Der Nutzen für die Fahrgäste ist deutlich höher, was die Nachfrage steigern wird. Ein Großteil des innerstädtischen Autoverkehrs kann so eingespart werden.“

Rechnet sich das Projekt?

Doch bis es soweit ist, müssen etliche Hürden überwunden werden. Eine Machbarkeitsstudie muss darüber Aufschluss geben, ob das Vorhaben überhaupt umsetzbar ist und sich am Ende rechnet.

Ob diese in Auftrag gegeben wird, darüber entscheidet im Herbst der Gemeinderat. Allein schon die Projektstudie könnte vom Land zur Hälfte finanziert werden, erwartet der Oberbürgermeister, der sich an das Verkehrsministerium gewandt hat.

Die eigentlichen Kosten, die im zweistelligen Millionenbereich liegen, dürften ebenfalls vom Land unterstützt werden.

Mit dem Seilbahn-Bauer Doppelmayr steht Kaufmann bereits in engem Kontakt. Die Österreicher sind nicht nur Spezialisten für Ski-Lifts, sondern bauen weltweit viele urbane Seilbahn-Systeme.

Zum Beispiel jene Flussüberquerung im rheinland-pfälzischen Koblenz. Die war eigentlich nur als Attraktion zur Bundesgartenschau 2011 geplant, ist aber mittlerweile so beliebt, dass die Gondeln weiterhin die Stadt mit der Festung Ehrenbreitstein auf der anderen Rheinseite verbinden. Geht es nach Einwohnern und Besuchern, soll das noch viele Jahre so bleiben.