Beim Neujahrsempfang der SPD bekennt sich der Chef des Klinikverbundes zum hiesigen Krankenhaus. Ein neuer Chefchirurg soll zur Profilierung beitragen.

Leonberg - Wie die Stimmungslage vor Ort ist, das teilt Ottmar Pfitzenmaier dem Hauptredner noch vor dessen Auftritt mit. „Über die Zukunft des Krankenhauses wird nicht im Leonberger Gemeinderat entschieden, sondern leider im fernen Böblingen“, erklärt der Chef der SPD-Fraktion beim Neujahrsempfang seiner Partei in der Steinturnhalle.

 

„Dort haben der Landrat und die Kreisräte aus der Böblinger Region des Landkreises die Rufe aus Leonberg nur zögerlich, widerwillig und vielleicht nicht dauerhaft gehört“, kritisiert Pfitzenmaier.

„Das Abziehen von Chefärzten und Pflegepersonal wird eine Abwärtsspirale beschleunigen, die zum Exitus führt.“ Doch die Hoffnung, dass die geplante Großklinik am Flugfeld für den Klinikverbund die ersehnte schwarze Null bringt, werde sich dennoch nicht erfüllen.

Standort soll trotz Millionen-Defizit erhalten bleiben

Der Adressat der klaren Worte gibt sich alle Mühe, die Bedenken zu zerstreuen. Die Vorsitzende der Leonberger SPD, Elviera Schüller-Tietze, hat den Chef des Klinikverbundes Südwest eingeladen. Jörg Noetzel soll den Gästen erklären, wie es mit den Krankenhäusern im Klinikverbund, besonders in Leonberg, weitergeht.

„Trotz eines verbundweiten Defizits von 20 Millionen Euro wollen wir alle Standorte erhalten“, erklärt der Medizinmanager. „Wir haben das Ziel, das nicht zu ändern.“

Ursache für die großen Verluste, so erklärt der Facharzt für Chirurgie, der ins Medizinmanagement gewechselt ist, sei weniger die Situation der Häuser vor Ort, sondern das Abrechnungssystem. Die Zeiten, in den die Krankenhäuser die Patientenbetreuung nach Tagen abrechnen konnten, sind seit 2010 vorbei. Jetzt gibt es die so genannten Fallpauschalen.

Der gebürtige Berliner nennt als Beispiel eine Blinddarmoperation, für die es 3000 Euro gibt – unabhängig davon, wie lange der Patient im Krankenhaus bleibt. „Der ideale Patient ist nur kurz da“, schildert Noetzel die Ausgangslage.

In Baden-Württemberg komme die überdurchschnittliche Gehaltsstruktur erschwerend hinzu: „Die Tarife steigen um 30 bis 40 Prozent, die Vergütung aber nur um 20 Prozent .“ Zudem halte sich das Land bei der Förderung von Investitionen sehr zurück. Wenn der Klinikverbund investiere, springe der Landkreis finanziell ein.

Wolfgang Steurer wird neuer Chef der Allgemein- und Bauchchirurgie

Auch die Zahl der Operationen berge Probleme. „Die Kunst ist es, nicht jeden zu operieren“, sagt der fast 55-Jährige, der vor 15 Monaten den Chefsessel im Klinikverbund eingenommen hat. Andererseits müsse jedes einzelne Krankenhaus in den jeweiligen Fachbereichen eine Mindestanzahl von Operationen durchführen, um dafür überhaupt zugelassen zu werden. Die pessimistische These des Medizinmanagers: Mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser arbeiten defizitär.

Der Klinikverbund will mit einer standortübergreifenden Zusammenarbeit die Kosten in den Griff bekommen. Nicht in allen Häusern wird alles angeboten:„Jeder Standort hat ein erkennbares Profil.“ Befürchtungen, dass für das Krankenhaus Leonberg kein Profil übrig bleibe, begegnet Jörg Noetzel mit der Verpflichtung eines neuen Chefarztes.

Am 1. April tritt Wolfgang Steurer die Nachfolge von Karl-Josef Paul als Chef der Allgemein- und Bauchchirurgie an. Der 54-Jährige gilt in Fachkreisen als Kapazität, hat schon in Innsbruck gearbeitet und ist derzeit noch am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Gemeinsam mit Barbara John, der Chefärztin der Gastroenterologie, soll er das Leonberger Krankenhaus als Bauchzentrum profilieren. Auf Nachfrage unser Zeitung erklärt Noetzel, dass dies als medizinisches Aushängeschild in Leonberg vorgesehen ist. Hier sollen Patienten aus dem gesamten Klinikverbund behandelt werden.

Bettenzahlen sind in fast allen Krankenhäusern rückläufig

Die Befürchtungen, dass Leonberg durch eine Reduzierung der Betten von jetzt 239 auf geplante 162 langfristig keine Zukunft habe, teilt Noetzel nicht. Durch die immer kürzer werdenden stationären Behandlungszeiten seien die Bettenzahlen in fast allen Häusern tendenziell rückläufig. Immer wichtiger werden in seinen Augen die ambulanten Behandlungen.

Und hier sei Leonberg auf einem guten Weg. Auch das in direkter Nachbarschaft geplante Strahlentherapiezentrum werde den Medizinstandort stärken. Wie berichtet, will ein Investor eine hochmoderne Behandlungsstätte für Krebspatienten neben dem Krankenhaus bauen. Mit der Realisierung ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Eine enge Kooperation mit dem Bauchzentrum biete sich dort an.

Als weiteren Pluspunkt für den Standort Leonberg nennt Noetzel die Zugehörigkeit zum Klinikverbund. Die Grundkosten, etwa im Einkauf oder beim Essen, könnten so deutlich niedriger gehalten werden.

„Wir wollen nicht die Kosten der einzelnen Standorte gegeneinander aufrechnen“, gibt der Klinikverbundchef den Gästen des SPD-Neujahrsempfangs mit auf den Weg. „Unter dem Strich muss es funktionieren.“

Das Krankenhaus Leonberg leiste für das Gesamtergebnis einen wichtigen Beitrag, weil die Akzeptanz der Klinik bei der Bevölkerung sehr gut sei.