Der Jugendspielclub bringt mit Leidenschaft und hoher Bühnenpräsenz den modernen Klassiker „Hexenjagd“ nach Arthur Miller auf die Bühne.

Leonberg - Kontrastprogramm zur WM gefällig? Wer schon genug vom Fußball hat, der ist im Spitalhof richtig gewesen. Es war ein erlesener Kreis von Zuschauern, der den ersten Auftritt des neuen Jugendspielclubs unter Leitung der Theaterpädagogin Swantje Willems miterlebt hat. Das Publikum kennt die Regisseurin und Spielleiterin bereits aus Aufführungen des „Vollmondtheaters“, wo sie als tollpatschiger Gehilfe von Faust, als „Ritter von der traurigen Gestalt“ oder engagierte Sozialarbeiterin Furore gemacht hat.

 

Jetzt hat Swantje Willems, die früher selbst Mitglied im Leonberger Jugendspielclub „Bivak“ gewesen ist, gemeinsam mit Katja Rohloff vom Kulturamt, die ebenfalls anderswo auf den Bühnenbrettern steht, den neuen Jugendspielclub aus der Taufe gehoben. Bei Stückwahl und Rollenbesetzung haben die Jugendlichen mitentschieden, und in nur fünf Monaten Probenzeit ist das neue Ensemble zusammengewachsen und eine Inszenierung von hoher Intensität und dramatischer Dichte entstanden.

Schlichtes Bühnenbild

Arthur Millers (1915-2005) moderner Klassiker „Hexenjagd“ („Crucible“, was „Schmelztiegel“, aber auch „Feuerprobe“ bedeutet), entstanden in der von Kommunistenhatz geprägten McCarthy-Ära und schon in den 50er Jahren erstmals verfilmt nach einem Drehbuch von Jean-Paul Sartre, haben sich die jungen Akteure ausgesucht, die überwiegend zum allerersten Mal auf der Bühne stehen. Der Jugendspielclub trimmt das Stück nicht auf aktuell, sondern bleibt textnah im 17. Jahrhundert. Es wird so zur Parabel, was das reduzierte Bühnenbild und die schlichten Kostüme noch zusätzlich unterstreichen – die Vorgänge können sich jederzeit und überall wiederholen.

Junge Mädchen in blauen Glockenröcken und weißen Blusen tanzen zu Beginn barfuß auf der Bühne einen unschuldigen Tanz, bis der Stadtpfarrer John Proctor (Silas Rebelato) sie dabei beobachtet. Von nun an ist nichts mehr wie vorher. Von Anbeginn hängen drohend zwei schwarze Plakate mit der Aufschrift „Schuldig“ und „Unschuldig“ auf der Bühne – und genau darum geht es. In einer stickigen Atmosphäre von Bigotterie, Hass und Aggression eskalieren die Ereignisse bis zur gegenseitigen Bezichtigung, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Wenn „Gottes eisiger Wind“ durch die Stadt fegt, kann auch Abigails (Lisa Roller) beschwörende Erklärung „Wir haben getanzt, sonst nichts“ die Lawine aus Gerüchten, Unterstellungen und Lügen nicht mehr aufhalten, bis John Proctor selbst das Todesurteil droht.

Das junge Ensemble agiert mit Verve und sichtlicher Spielfreude. Silas Rebelato als John Proctor spielt leidenschaftlich und ausdrucksstark als gebrochene Figur, die ihre eigene Sündhaftigkeit auf andere projiziert – und dann aber zusammenbricht.

Lea Kulas als seine Ehefrau Elizabeth zeigt sich differenziert und einfühlsam. Lisa Roller als Abigail verblüfft durch eine erstaunliche Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten; mal naiv, dann verführerisch oder auch anklagend: „Gibt es keinen guten Menschen?“ Gül Aktas als Richterin Danforth agiert mit donnerndem Hammer und herrischem Ton und demonstriert überzeugend die autoritäre Einschüchterung, die die Macht des Staates hinter sich weiß.

Schuldig oder unschuldig?

Aber auch kleine Rollen, wie die Bettlerin Sarah Good (Lilly Erhardt) berühren: „Ich bin obdachlos, heimatlos, einsam – ich brauche jemand, der mir den Weg zeigt!“

Dazu imponieren zahlreiche Regieeinfälle: Figuren im „Freeze“, während andere weiterspielen, Proctor und seine Ehefrau sitzen an der Rampe, Stroh vor der Bühne in der Gefängnisszene, Masken und das demonstrative Zerreißen von Zetteln mit Wörtern, wie „Tod“, „Hexe“, „Hure“, „Teufel“, „Lüge“.

Zum Schluss sind auf dem Plakat mit der Aufschrift „Schuldig“ eindeutig mehr Striche als bei „Unschuldig“, und die Schauspieler hängen gemeinsam ein bühnengroßes Transparent mit Galgenschlingen auf.

Der Dramatiker Volker Braun hat das Theater einmal als Spiegel bezeichnet, „der schreit: So sind wir!“ Und er fordert: „Werden wir anders!“

Chapeau für die tolle Leistung des Ensembles und seiner Regisseurin Swantje Willems – Feuerprobe mit Bravour bestanden!