Mit dem Gesetz zur Bon-Pflicht soll gegen Steuerbetrug vorgegangen werden. Allerdings fürchtet der Einzelhandel den hohen Aufwand und die Kosten für die Umstellung.

Leonberg - Das ist unsinnig“, sind sich der Leonberger Bäckermeister Rainer Zachert und der Höfinger Gärtnermeister Klaus Stammel einig. Was beide auf die Palme bringt: Von 2020 an soll der deutsche Einzelhandel verpflichtet werden, Kassenbons auszugeben. So will das Finanzministerium sicherstellen, dass keine Einnahmen an der Steuer vorbeigeschleust werden.

 

Was im Supermarkt oder etwa in Elektronikgeschäften längst üblich ist, stellt hingegen für kleinere Läden wie etwa Bäckereien oder den Wochenmarktbeschicker eine große Herausforderung dar. Sie müssen nicht nur ihre Kassensysteme aufwendig nachrüsten lassen. Sie sehen neben einem Mehraufwand für das Personal auch eine ungewollte Flut an Müll auf sich zukommen.

„Was hat es für einen Sinn, einen Kassenbon auszudrucken, den der Kunde nicht mitnehmen muss?“, fragt sich Rainer Zachert. Etwas anderes sei es, wenn – wie in anderen Ländern üblich – Finanzbeamte um die Läden lauern und die Bons zur Kontrolle einfordern können. „Wenn jemand einen Bon will, der auch für die Kollegen Brezeln und Brötchen mit einkauft, bekommt schon jetzt einen Kassenzettel, wenn er es wünscht“, erläutert der Leonberger Bäckermeister.

Fünf Milliarden Bons

Fünf Milliarden neue Kassenbons würden so allein bei Deutschlands Bäckern entstehen, hat der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ausgerechnet. „In Zeiten, in denen wir und die Gesellschaft zunehmend auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten, ist es wenig hilfreich, wenn für den Kauf von ein paar Brötchen ein Kassenzettel gedruckt werden muss“, meint Zachert. Der Zentralverband hat errechnet, dass der Anteil der Kunden, die einen Bon brauchen, unter drei Prozent liege.

„Wir unterstützen natürlich die Absicht des Gesetzes und machen auch alles mit, wenn es Sinn macht“, sagt Rainer Zachert. Es sei es gar nicht möglich, an der Kasse vorbei zu wirtschaften. „Jede berührte Taste wird gespeichert“, sagt der Bäckermeister. Hinter der Umrüstung stehe für die Betriebe auch ein finanzieller Kraftakt. Zachert hat rechtzeitig investiert. „Aber das haben nur wenige Kollegen auch schon getan“, weiß er vom jüngsten Innungstreffen.

Für jede der acht Kassen in seinen sechs Filialen hat Zachert rund 6500 Euro investieren müssen. Mit einem Tastendruck am Zentralrechner im Firmensitz in der Breslauer Straße könne der Bon-Ausdruck freigegeben werden. Diese neuen Kassen seien so ausgestattet, dass sie einen eigenen Speicher haben, von dem die Finanzbeamten die Daten auf einen USB-Stick oder das Laptop herunterladen können. „Das macht die Kassen so teuer“, sagt der Bäckermeister. Ist eine solche Kasse kaputt, kann der Bäckermeister sie nicht einfach entsorgen, sondern er muss sie zehn Jahre lang wegen der gespeicherten Daten aufbewahren.

Problem: Beschichtetes Papier

Zachert sieht noch ein anderes Problemin der Bon-Flut: „Überall wird über Umweltschutz diskutiert und über die Verringerung der Coffee-to-go-Becher. Auf der anderen Seite werden jetzt Müllberge aus beschichtetem Papier geschaffen.“ Dieses Papier darf nicht ins verwertbare Papier, sondern muss als Restmüll entsorgt werden. Das Papier enthält nämlich Bisphenol, das als eine Art hormoneller Schadstoff gilt, da er eine östrogen-ähnliche Wirkung hat und den Hormonhaushalt verändert.

Theoretisch könnten die Finanzbehörden eine Ausnahme machen, wenn ihrem Ermessen nach bei dem Verkauf von Waren an viele verschiedene, unbekannte Menschen die Zumutbarkeit überstiegen wird. Was die Bäcker erbost, ist, dass das Gesetz zwar Ausnahmemöglichkeiten vorsehe, diese würden allerdings vom Bundesministerium der Finanzen zu streng ausgelegt, sodass bislang kein Handwerksbäcker eine Befreiung erhalten hat. „Man lässt die Bäcker alleine und im Regen stehen“, so der Vorwurf in Richtung Berlin.

Die Kassenbon-Pflicht ist Teil der Kassensicherungsverordnung, die Steuerbetrug an der Ladenkasse verhindern soll. Demnach sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten alle Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Bundesfinanzministerium hat die Frist bis Ende September verlängert.

„Es wäre vieles einfacher, wenn vieles einfacher wäre“

„Es wäre vieles einfacher, wenn vieles einfacher wäre“, bringt es der Höfinger Gärtnermeister Klaus Stammel auf den Punkt. Er führt an seinen Ständen auf den Wochenmärkten eine sogenannte offene Ladenkasse. Die kommt ohne große technische Elemente aus, trotzdem muss die Buchhaltung stimmen und für das Finanzamt nachvollziehbar sein, denn in einem Kassenbericht ermitteln die Händler die Summe der Tageseinnahmen. Trotzdem bekomme schon heute jeder Kunde, der es wünscht, einen Kassenbon, sagt der Gärtnermeister. „Ältere Semester haben ihn gern als Beleg in der Haushaltskasse“, weiß er aus Erfahrung.

Das kontrolliert wird, findet Stammel in Ordnung. „An der Kasse vorbei zu wirtschaften oder Schwarzarbeit, ist nicht gut für den Betrieb“, lautet sein Credo. Dieses Risiko gehe man gar nicht erst ein. Letztendlich produziere man nicht nur gläsern für die Kundschaft, sondern sei auch „gläsern“ für das Finanzamt. Als Produzent müsse er melden, auf welcher Fläche was und wie viel angepflanzt werde. „Da kann ich nicht auf 1000 Quadratmeter zig Tonnen Tomaten ernten und verkaufen“, sagt Klaus Stammel. Aber auch er werde nicht umhinkommen, nach und nach seine sechs Kassen entsprechend umzurüsten.