Das erste Weihnachtsfest im Hoffnungshaus vereint die Kulturen auf besondere Art und Weise. „Wir setzen uns zusammen, genießen das Essen, hören Musik und die Weihnachtsgeschichte und wichteln“, beschreibt der Leiter Thomas Röhm den geplanten Ablauf.

Leonberg -

 

Die Vorfreude auf das erste gemeinsame Weihnachtsfest steht den Bewohnern des Hoffnungshauses in der Heinrich-Längerer-Straße in Leonberg förmlich ins Gesicht geschrieben. Vor allem die Kinder sind schon ganz aufgeregt und können die Bescherung an Heiligabend kaum erwarten – mögen die Kulturen und Traditionen auch noch so unterschiedlich sein. Das wird bei einem Gespräch mit vier Bewohnern deutlich.

Chris Hewitt stammt aus Trinidad und Tobago, ist mit einer Deutschen verheiratet und lebte einige Jahre in Brasilien. Im Sommer ist er mit seiner Frau Nicola und seinen beiden Kindern ins Hoffnungshaus eingezogen. Die Familie möchte helfen, dass die Integration der Mitbewohner aus Syrien und Afghanistan, die vor Krieg und Terror geflohen sind, gelingt.

Wenn man mit Chris über Weihnachten in seiner Heimat spricht, leuchten seine Augen. „Alles dreht sich um Essen, Familie und Freundschaft“, sagt er. Unverzichtbare kulinarische Genüsse sind der Weihnachtsschinken, ein Obstkuchen, dessen Früchte zuvor in Rum und Wein eingelegt werden, sowie der landestypische Punch a creme, ein Cocktail mit Rum, Ei und Bitteraromen.

Extra für Weihnachten putzen die Leute ihre Häuser heraus. „Wenn es nötig ist, werden sogar die Wände frisch gestrichen. Dann schmückt man den Weihnachtsbaum – der meist aus Plastik ist – und legt die Geschenke darunter“, schildert Chris weiter. Der 24. Dezember ist in Trinidad und Tobago ein normaler Arbeitstag. Die Feierlichkeiten beginnen erst einen Tag später. „Morgens zwischen sechs und sieben Uhr ist Gottesdienst. Danach werden die Geschenke aufgemacht. Mittags gibt es ein Festessen mit der Familie – meistens Truthahn. Dann besucht man Verwandte und Freunde.“

Der 26. Dezember ist ein Feiertag. „Den braucht man auch ganz dringend, um sich von den Strapazen des Vortags auszuruhen und neue Kräfte für die Zeit bis Jahresende zu sammeln“, sagt Chris lachend. Die Tage bis zum 31. Dezember hätten es noch einmal in sich. „Da gehen die Besuche munter weiter – mit reichlich Obstkuchen, Weihnachtsschinken und Punch a creme.“

In Brasilien habe er viel von den Weihnachtstraditionen seiner karibischen Heimat vermisst. Dort spiele der Kommerz eine größere Rolle. An Heiligabend gingen die meisten Brasilianer abends in den Gottesdienst. Gegen 22 Uhr treffe man sich in der Großfamilie zum Weihnachtsdinner – verschiedene Salate und Reis mit Hühnchen oder Truthahn. „Um Mitternacht werden die Geschenke geöffnet. Anschließend feiern die Leute bis in die Morgenstunden.“ Am 25. Dezember schlafen die Leute aus und am 26. müssen viele schon wieder arbeiten.

Chris Hewitt hoff auf Schnee an Weihnachten

Für Heiligabend im Hoffnungshaus hat Chris Hewitt einen Wunsch: „Ich hoffe, wir bekommen ein wenig Schnee.“ Und irgendwann möchte er eine Weihnachtsgans probieren – die hat ihm bislang noch niemand kredenzt.

Die 27-jährige Lubna aus Syrien freut sich auf die Weihnachtsparty. „Das wird sicherlich ein wunderbares Fest, wenn alle etwas dazu beitragen“, meint sie. Obwohl sie selbst Muslimin ist, hat sie eine besondere Beziehung zu Weihnachten. „Meine Großmutter ist Christin. Außerdem habe ich etliche christliche Freunde. Sie feiern traditionell mit einem Gottesdienst und haben zu Hause einen Weihnachtsbaum.“ So traf sich Lubna oft mit Familienangehörigen und Freunden an den Weihnachtstagen. „Wir haben miteinander gegessen und geredet. Das fand ich immer schön!“

Eine völlig neue Erfahrung wird das Fest im Hoffnungshaus für die elfjährige Arghawan. „In Afghanistan wird kein Weihnachten gefeiert. Trotzdem gab es in den Gärten mit Lichtern geschmückte Bäume. Wir Kindern fanden das toll. Geschenke wie neue Puppenkleider gab es auch. Die kamen vom Nikolaus“, erzählt das Mädchen, das seit September mit ihren Eltern und Geschwistern im Hoffnungshaus lebt. „Es ist super, dass wir dieses Jahr Weihnachten auch zusammen mit Deutschen feiern können.“ Gespannt sei sie vor allem auf all die Christbäume mit den bunten Kugeln. „Mal sehen, ob sie auch so herrlich leuchten wie die Bäume in den afghanischen Gärten.“

Zehn Jahre Entwicklungshilfe in Chile

Der Leiter des Hoffnungshauses, Thomas Röhm, blickt dem gemeinsamen Fest genauso erwartungsvoll entgegen wie alle anderen. Er und seine Familie mussten zwischendurch zehn Jahre auf so manche lieb gewonnene schwäbische Weihnachtstradition verzichten. Der Grund: die Röhms arbeiteten in der Atacama-Wüste in Chile in der Entwicklungshilfe, gut 200 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. „Wir konnten nicht schnell mal Geschenke kaufen. Hinzu kommt, dass Weihnachten in die heißeste Zeit des Jahres fiel. Man sehnte sich eher nach einem Sprung in den kühlen Pool als nach einer Feier drinnen vorm Plastikbaum.“ Nicht einmal in der Kirche habe es einen extra Gottesdienst gegeben, erzählt der 41-jährige.

Umso mehr will die Familie den Heiligabend im Hoffnungshaus genießen. „Wir setzen uns zusammen, genießen das Essen, hören Musik und die Weihnachtsgeschichte und wichteln“, beschreibt Röhm den geplanten Ablauf – mit unverkennbarer Vorfreude in den Augen.