Er versprach ihnen hinter den Wäldern in Transsilvanien Grund und Boden sowie als freie Untertanen reichlich Gelegenheit, gegen „Heiden“ zu kämpfen. Ein Großteil derer, die sich auf den Weg ins Heilige Land aufgemacht hattet, wurde Siedler. Sie bauten ihre sieben großen Burgen und viele kleine rund um ihre Kirchen.

Im Laufe der Jahrhunderte gab es mehr Gelegenheit, gegen Ungläubige zu kämpfen, als ihnen lieb war: Kumanen, Türken und Tataren hatten es auf ihren Wohlstand abgesehen. Warum sie allerdings Sachsen genannt wurden und werden, weiß man bis heute nicht so richtig. Wenn aber einer ihnen aus der Seele gesprochen hat, war es Martin Luther. Bereits drei Jahre vor seinem Tod 1546 waren sie reformiert. Seine Lehre gab ihnen eine gemeinsame Sprache, ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und eine gute Portion Stolz. Wer es nicht glaubt, der muss meine Frau kennenlernen.

Bei meiner Familie ist es etwas bunter zugegangen. Als die Türken 1683 nach dem „Goldenen Apfel Wien“ griffen und Europa das Kaffeetrinken beibrachten, kam sie das teuer zu stehen. Gute 30 Jahre später räumte Prinz Eugen von Savoyen mit ihren Gebieten nördlich der Donau auf.

Plötzlich standen den österreichischen Kaisern riesige und sehr fruchtbare Ländereien zur Verfügung. Darunter ein Gebiet von der Größe Belgiens zwischen dem Strom Theiß und den Karpaten: das Banat.

Den Anfang gemacht haben die Siebenbürger Sachsen, die Vorfahren meiner Frau. Begonnen hatte es damit, dass 1144 irgendwelche Ungläubigen ein kleines Nest im Heiligen Land eroberten – für Papst Eugen III der Grund, den zweiten Kreuzzug auszurufen. Und so zog der Stauferkönig Konrad III drei Jahre später mit einem Gefolge aus Edelleuten nach Konstantinopel. Weil seinerzeit mit Kind und Kegel in den Krieg gezogen wurde, fragte sich der ungarische König Geza II: Wieso diese Menschen weiterziehen zu lassen?

Wie die Schwaben nach Transsilvanien kamen

Er versprach ihnen hinter den Wäldern in Transsilvanien Grund und Boden sowie als freie Untertanen reichlich Gelegenheit, gegen „Heiden“ zu kämpfen. Ein Großteil derer, die sich auf den Weg ins Heilige Land aufgemacht hattet, wurde Siedler. Sie bauten ihre sieben großen Burgen und viele kleine rund um ihre Kirchen.

Im Laufe der Jahrhunderte gab es mehr Gelegenheit, gegen Ungläubige zu kämpfen, als ihnen lieb war: Kumanen, Türken und Tataren hatten es auf ihren Wohlstand abgesehen. Warum sie allerdings Sachsen genannt wurden und werden, weiß man bis heute nicht so richtig. Wenn aber einer ihnen aus der Seele gesprochen hat, war es Martin Luther. Bereits drei Jahre vor seinem Tod 1546 waren sie reformiert. Seine Lehre gab ihnen eine gemeinsame Sprache, ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und eine gute Portion Stolz. Wer es nicht glaubt, der muss meine Frau kennenlernen.

Bei meiner Familie ist es etwas bunter zugegangen. Als die Türken 1683 nach dem „Goldenen Apfel Wien“ griffen und Europa das Kaffeetrinken beibrachten, kam sie das teuer zu stehen. Gute 30 Jahre später räumte Prinz Eugen von Savoyen mit ihren Gebieten nördlich der Donau auf.

Plötzlich standen den österreichischen Kaisern riesige und sehr fruchtbare Ländereien zur Verfügung. Darunter ein Gebiet von der Größe Belgiens zwischen dem Strom Theiß und den Karpaten: das Banat.

Bald grasten hier riesige Rinderherden. Doch einige kaiserliche Beamte setzten den Viehbaronen, die sich vor den Steuern drückten, Siedler vor die Nase. Etwa 150 000 wurden gezielt bis 1780 in der Pfalz, in Elsass und Lothringen, in Schwaben und in Franken angeworben – und im erzkatholischen Österreich mussten sie natürlich auch katholisch sein.

Sie kamen gern, denn viele waren damit ihre Armut und die Leibeigenschaft los. Sie bekamen ein Haus, Boden, landwirtschaftliche Geräte und sie mussten keine Streuern zahlen – zehn Jahre lang. Ihren Namen haben die Banater Schwaben von ihren Nachbarn, den Serben und Rumänen bekommen. Die waren bis an den Rhein gekommen und nannten alle, die sie für Deutsch hielten „Schwabo“. Es gab auch richtige Schwaben unter uns.

Neue Heimat in der Fremde

Die ungarischen Grafen Karoly mit riesigen Gütern in der Gegend der westrumänischen Stadt Sathmar, dachten sich: Was die österreichischen Kaiser können, das schaffen wir auch. Sie brachten im 18. Jahrhundert 8000 Siedler auf ihre von Krieg und Epidemien entvölkerten Gebiete.

Es waren Bauern, Handwerker, Waldarbeiter. Katholiken aus Oberschwaben, vorwiegend aus den Landkreisen Biberach, Ravensburg und Sigmaringen. Sie erhielten Ackerboden, Wiesen und Wald unentgeltlich zur Nutzung, Zugvieh, Getreide, Bauholz. Und sie waren keine Leibeigenen mehr. Der Familienüberlieferung zu Folge, war unter ihnen auch der unverheiratete Zimmermann Paul Einholz, der aus Gammertingen auf der Alb ausgewandert war.

Als Teil ihrer neuen Heimat erlebten die Siedler das geschichtliche Auf und Ab jener Landstriche. Als 1919 nach dem Ersten Weltkrieg die Landkarten neu gezeichnet wurden und Österreich-Ungarn verschwand, fielen Siebenbürgen und große Teile des Banats an Rumänien, der Rest an Ungarn und Serbien. Das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben erlebte eine Zeit der Blüte, denn die Rumänen, selbst lange Zeit unter fremder Herrschaft, waren liberal, was die Rechte der mitwohnenden Nationalitäten betraf.

In der Zeit kamen die Sathmarschwaben Einholz ins Banat, wo später der Müllergeselle Wendelin Einholz, das in der Mühle tätige Bürofräulein Anna Kowenz, eine Banater Schwäbin, heiratete – meine Eltern.

Zeitenwende mit dem Zweiten Weltkrieg

Doch der Antritt des geschassten georgischen orthodoxen Priesterstudenten Josef Dugaschwilli alias Stalin und des verkrachten Postkartenmalers und böhmischen Gefreiten Adolf Schicklgruber, alias Hitler, läutete das Ende der Rumäniendeutschen als homogene Gruppe ein.

Von den rund 800 000 in der Zeit davor, waren nach dem Ende des großen Weltbrandes viele Tausende auf der Flucht und etwa 50 000 Männer von England bis Sibirien in Kriegefangenschaft.

Zudem mussten mehr als 80 000 rumäniendeutsche Männer zwischen 16 und 45 Jahren und Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren als Deportierte in der Sowjetunion mit ihrer Zwangsarbeit die Reparationskosten Rumäniens bezahlen. Das hatte bis August 1944 auf der Seite des sogenannten Dritten Reiches gegen die Rote Armee gekämpft.

Meine Frau und ich wurden Mitte der 50er Jahre geboren, als die Wunden des Krieges nicht mehr so frisch waren. Während andere Staaten ihre Deutschen vertrieben, hielt Rumänien sie zurück. Langsam setzte eine Tauperiode ein, sie bekamen mehr Rechte – darunter auch Schulunterricht in der Muttersprache.

Und so hatte ich das Privileg, als erster aus unserem Dorf, in der Großstadt Temeswar, das neu gegründete vierzügige deutsche Gymnasium, die „Lenauschule“ zu besuchen.

Es ist nicht spurlos geblieben, was uns Jugendlichen vier Jahre lang im Foyer des Gymnasiums begrüßt hat. Die Büste eines verwegen blickenden Dichters Nikolaus Lenau und seine Verse: „Ihr kriegt mich nicht nieder, / Ohnmächtige Tröpfe, / Ich kehre wieder und wieder / Und meine steigenden Lieder / Wachsen begrabend Euch über die Köpfe!“ Die Securitate, der rumänische Geheimdienst, hat wohl geschlafen.

Ein schüchterner Internatsschüler

Hier an der Lenauschule hatte ich als schüchterner Internatler vom Dorf , der die Klasse 9 als einziger Junge mit 32 Mädchen besuchte, bei der Mitarbeit an der Schülerzeitung eine strenge Mentorin aus der Klasse 12: Sie hieß Herta Müller.

Wo trifft ein banatschwäbischer Journalistik-Student auf eine sächsische Jugendarbeiterin? Beim Studium in der Landeshauptstadt Bukarest. Unsere Söhne wurden in Temeswar geboren, wo auch mein Arbeitsplatz war, die Redaktion der deutschsprachigen Tageszeitung „Neue Banater Zeitung“.

Sie wurden in einer Zeit geboren, als ein seniler Diktator Ceausescu und seine grausame Ehefrau das Land an den Rand einer Hungersnot brachten, um die Staatsschulden abzubauen.

Ein gefragter „Exportartikel“ waren jährlich 13 000 Rumäniendeutsche, für die die Bundesrepublik 8000 Mark pro Kopf bezahlte. Im Halbverborgenen kassierte die Securitate von ihnen hohe Erpressungsgelder und schacherte mit ihren enteigneten Häusern und Wohnungen.

Doch als um Weihnachten 1989 das Diktator-Ehepaar Ceausescu nach einem kurzen Prozess im Kugelhagel des Exekutionskommandos starb, brachen für die Rumäniendeutschen alle Dämme. Die Revolution, die die Welt am Fernseher erlebte, war in Temeswar ausgebrochen, in der Stadt, die der Diktator, wohl im böser Vorahnung, wegen ihres westlichen Flairs so hasste,

Mehr als 250 000 Menschen, von denen viele Tausend seit Jahren auf gepackten Koffern saßen und ihnen dafür übel mitgespielt wurde, machten sich innerhalb von zwei Jahren auf den Weg nach Deutschland. Sie kamen in stillgelegten Bundeswehrkasernen, umgebauten Turnhallen oder heruntergekommen Pensionen unter.

Alle Leser der Zeitung sind weg

Nachdem fast alle unsere Leser ausgewandert waren, hatten auch wir uns zu dem Schritt entschlossen. Zuvor hatten wir unsere schon vor Jahren fortgegangenen Eltern und Geschwister besucht.

Unsere gute Bildung, die ein knitzer schwäbischer Beamte an unseren Söhnen getestet hat, bescherte uns Baden-Württemberg als neue Heimat. Wer nicht ganz fit drauf war, wurde in die neuen Bundesländer „abgeschoben“, hieß es damals. Für 20 Monate sollte das Übergangswohnheim im Möglingen unser neues Zuhause werden. Mit zwei weiteren Familien, insgesamt zehn Menschen, haben wir uns eine Drei-Zimmer-Wohnung mit gemeinsamer Küche und Bad geteilt. Für unser 18 Quadratmeter großes Zimmer kassierte das Landratsamt in den letzten Monaten 750 Mark Miete. Allerdings gab es auch Wohngeld.

Übrigens: einem Flüchtling in der Anschlussunterbringung stehen heute in Baden-Württemberg mindestens zehn Quadratmeter Wohnfläche zu.

Für die Kinder war der Schulbesuch kein Problem, wohl aber für die Eltern, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Unsere ausgewanderten Landsleute und viele Hunderttausende ehemalige DDR-Bürger, auf der Suche nach einem neuen Glück, hatten den Wohnungs- und den Arbeitsmarkt abgegrast. Als es uns finanziell am schlechtesten ging, haben wir trotzdem den Schritt in eine teure eigene Drei-Zimmer-Wohnung in Ludwigsburg gewagt.

Noch schwerer war es mit einem Job. Nach mehr als einem Jahr als freier Mitarbeiter der Leonberger Kreiszeitung, einem halbjährigen Praktikum bei den Stuttgarter Nachrichten und Dank des Zuspruchs einer guten Freundin, hatte sich Ende September 1993 das Blatt gewendet.

Wenn das Thema im Gespräch mit Freuden aufschlägt, erzählt meine Frau die Episode so: „Eines Abends ist er nach einem Termin bei der Zeitung und vor der Nachtsschicht bei UPS mit einer Flasche Sekt nach Hause gekommen. Er hat vier Gläser genommen, Sekt eingefüllt, alle in der Küche zusammengerufen und nur gesagt: Trinkt! Da dachte ich, jetzt ist er völlig übergeschnappt. Doch dann fiel mir der Groschen: Oder hast du Arbeit? Ein kurzes Ja war die Antwort. Und weil uns Eltern die Tränen über die Wangen liefen, haben die Jungs auch mitgeweint. Jetzt waren wir wirklich in Deutschland angekommen!“