Den Handballern steht eine Strukturreform bevor. Kernpunkt ist die Einführung einer neuen Spielklasse.

Leonberg - Dem Handballsport in Württemberg stehen einige Veränderungen bevor. Die Verbandsliga, das ist der Kernpunkt, soll wieder eingeführt werden. Michael Roll, der Vorsitzende im Verbandsausschuss Spieltechnik des Handballverbandes Württemberg (HVW), spricht im Interview über die geplante Strukturreform.

 

In diesen Wochen machen in den Sporthallen immer wieder Gerüchte die Runde. Klar ist, dass Reformen anstehen. Auf was genau müssen sich die Handballer denn einstellen?

Wir arbeiten an einer neuen Spielklassenstrukturreform. Die Planungen dafür haben wir inzwischen eingetütet und den Vereinen das Modell vorgestellt. Angedacht ist die Einführung einer neuen Spielklasse, der Verbandsliga. Diese soll zwischen der Landesliga und der Württemberg-Liga liegen. Im Zuge unserer Reform soll zudem auf die Relegationsspiele am Ende einer Saison verzichtet werden, auch um den Mehrabstieg aus der Baden-Württemberg-Oberliga in den Verband zu kompensieren, da hier in den vergangenen Jahren mehr Mannschaften aus der Baden-Württemberg-Oberliga abgestiegen sind als in diese aufgestiegen.

Wie sehen die Planungen für die bestehenden Ligen konkret aus?

Aktuell haben wir zwei Württemberg-Liga-Staffeln, hier soll es von der Saison 2020/2021 an nur noch eine geben. Darunter sind dann zwei Verbandsliga-Staffeln geplant. Anstatt der drei Landesliga-Staffeln soll es vier geben. Die acht Bezirksliga-Gruppen bleiben erhalten. Somit sind wir wieder bei einer stabilen 1-2-4-8er-Pyramide und können einfacher Staffelgrößen anpassen, auf Mehrabstieg von oben reagieren und sind deutlich flexibler als mit der bisherigen 2-3-8er-Pyramide.

Wird sich in diesem Zuge innerhalb der Ligen etwas ändern?

Ja, wir wollen die Anzahl der Mannschaften in den einzelnen Ligen reduzieren. Ein Beispiel: Derzeit haben wir zwei Württemberg-Liga-Staffeln mit jeweils 15 Mannschaften. Künftig soll es dann nur noch eine mit 14 Mannschaften geben. Darunter zwei Verbandsliga-Gruppen mit je zwölf Teams und vier Zehner-Staffeln in der Landesliga.

Ausgeglichene Staffeln

Was ist der Grund, dass man über so grundlegende Dinge nachdenkt?

Es gibt einige Gründe. Ein großer ist, dass die sportliche Attraktivität der einzelnen Ligen gesteigert wird. Man kann sich auf spannende, ausgeglichene Staffeln freuen, in denen es kaum noch Mannschaften geben wird, bei denen man als Gegner weiß, da hole ich die Punkte sowieso. Zudem entzerrt sich zeitlich alles etwas aufgrund der Neueinteilung und der geringeren Anzahl an Spielen. Je breitensportorientierter die Liga ist, desto weniger Fahrtkilometer fallen an. Je leistungssportorientierter, desto konzentrierter ist die Liga.

Was verbessert sich noch?

Unser Schiedsrichterproblem wird etwas entzerrt. Nach heutigem Stand haben wir bei den Männern 70 Mannschaften in den zwei Württemberg-Liga-Staffeln und den drei Landesliga-Staffeln, die zusammen 910 Spiele austragen. Nach der Reform werden es 806 Spiele für 78 Teams sein. Das sind 104 Spiele weniger, die gepfiffen werden müssen. Das ist eine ganze Menge. Im Dezember hatten wir nämlich beispielsweise das Problem, dass wir in der Frauen-Württemberg-Liga und der Männer-Landesliga zum Teil einzelne Schiedsrichter pfeifen lassen mussten anstatt eines Duos. Aber auch der zeitliche Druck, die Liga-Spiele anzusetzen, wird deutlich reduziert.

Die Relegation entfällt

Welche Rolle spielen die Relegationsspiele in diesem ganzen Zusammenhang?

Mit der Relegation brauche ich am Saisonende Zeit. Lasse ich sie weg, habe ich mehrere Wochen mehr Zeit, um Meisterschaftsspiele zu absolvieren, eventuell auch Pokalspiele am Wochenende stattfinden zu lassen oder auch einmal eine Vereinsveranstaltung zu planen. In manchen Ligen war es zum Teil so blöd, dass Mannschaften wochenlang warten mussten, bis es endlich in die Relegation geht. In dieser Saison ist am 5. Mai der letzte Runden-Spieltag und Ende Juni wäre dann erst die Relegation. Keine Mannschaft hält sich gerne zwei Monate lang fit für ein Spiel.

Aber geht mit den Relegationsspielen nicht etwas verloren?

Ja – aber nur für die direkt beteiligten Vereine. Die anderen gewinnen alle – und zwar mehr Zeit für ihre Spiele. Und ich weiß am Saisonende: Bin ich nun aufgestiegen oder nicht. Ein Relegationsmarathon mit unsicherem Ausgang über Auf- und Abstieg schadet doch mehr als er hilft. Und manchmal weiß man erst hinterher, ob die Relegationsspiele überhaupt notwendig waren.

Wie sieht nun der aktuelle Zeitplan hinsichtlich der Strukturreform aus?

Im April wird die Spielklassenstrukturreform dem Präsidium zum Beschluss vorgelegt. Die Einwände und Vorschläge aller Vereine sind im aktuellen Modell eingearbeitet. Haben wir hier überall das Okay, werden wir vor Ostern noch alle Vereine endgültig informieren und in die Feinplanung gehen. Bis zum 1. Juli deses Jahres müssen wir alle Modalitäten festgelegt haben: Wer steigt auf, wer steigt ab? Das muss klar sein, bevor die kommende Handball-Runde startet. Ein genaues Studium der Durchführungsbestimmungen lohnt sich dann definitiv.

Einschätzungen der Trainer

Wird die Württembergliga von der Saison 2020/2021 an eingleisig, dann gibt es schon in der kommenden Runde ein großes Hauen und Stechen. Wer weiterhin in der höchsten württembergischen Staffel spielen will, muss auf einem der ersten sechs oder sieben Plätze landen, um sich für die dann eingleisige Liga zu qualifizieren.

Der einfachste Weg für den SV Leonberg/Eltingen, dem Gerangel zu entgehen: Die Mannschaft schafft in dieser Saison als Meister oder über die Relegation den Aufstieg in die Baden-Württemberg-Oberliga. Entweder gelingt dort dann der Klassenerhalt oder es geht als Absteiger runter in die Württembergliga. Trainer Tobias Müller sieht der ganzen Sache mit eher gemischten Gefühlen entgegen. „Das Argument mit der gesteigerten Attraktivität zieht für mich nicht“, sagt er, hat sich aber noch kein abschließendes Urteil über die Spielklassenreform gebildet. Die Prämisse ist für ihn aber jetzt schon klar: „Wir wollen uns für die eingleisige Württembergliga qualifizieren.“

Zehn Teams sind zu wenig

Für Jörg Kaaden, Trainer des Landesligisten TSF Ditzingen, macht eine Zehner-Staffel nur Sinn, wenn eine Änderung des Rahmenterminplans damit einhergeht. Saisonbeginn dürfte dann erst zwei Wochen nach Ferienende sein, und auch der Start zum Jahresbeginn müsste nach hinten verschoben werden. Zum Spielbetrieb mit zehn Teams sagt er aber generell: „Das halte ich für zu wenig. Mit 14 Mannschaften ist es knackig, aber machbar.“

Unter dem Strich ist für ihn die Einführung der Verbandsliga gerade für Mannschaften wie für die TSF Ditzingen durchaus sinnvoll: „Die Verbandsliga wäre eine ganz gute Chance für alle Mannschaften, die immer so dazwischenliegen.“ Dreimal gelang den TSF Ditzingen in den vergangenen sieben Jahren der Aufstieg in die Württembergliga, jedes Mal ging es wieder zurück in die Landesliga. Von ihrer Linie wollen die Verantwortlichen deshalb aber nicht abweichen. Kaaden: „Wir setzen auch weiterhin auf eine kontinuierliche Entwicklung der Mannschaft.“