Cohn will die Zuständigkeiten der Bürgermeister umverteilen. Doch die Mehrheit will darüber nicht mal reden.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Sind die Rezepte, die vor 10 oder 15 Jahren gut waren, auch heute noch die richtigen? Diese Frage treibt viele Chefs um, auch den Leonberger Oberbürgermeister. Deshalb hat Martin Georg Cohn (SPD) das Beratungsunternehmen Imaka beauftragt, die Strukturen im Rathaus einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Insbesondere die Dezernatsverteilung erscheint dem OB reformbedürftig. Ämter mit inhaltlichen Berührungspunkten würden durch unterschiedliche Dezernatszugehörigkeiten nicht effektiv genug zusammenarbeiten, bisweilen gar in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.

 

Die Experten von Imaka, ein international agierendes Unternehmen aus Leonberg, bestätigen die Befürchtungen des Oberbürgermeisters und empfehlen eine Umverteilung der Zuständigkeiten.

Zuständigkeiten bringen Reibungsverluste

Dazu muss man wissen, dass die Stadtverwaltung organisatorisch in drei Dezernate aufgeteilt ist, die von Martin Georg Cohn, dem Ersten Bürgermeister Ulrich Vonderheid und Bürgermeister Klaus Brenner geleitet werden. Letzterer trägt noch die Vorsilbe „Bau“ in seinem Titel, ist also für Städteplanung, Tiefbau, Bauverwaltung und Gebäudemanagement zuständig. Zu Vonderheids Bereich gehören Soziales, Jugend, Familie, Ordnung und die Kämmerei. Er ist der Herr des Geldes. In Cohns Ressort fallen das verwaltungsintern bedeutsame Hauptamt, Kultur, Marketing, Sport, das Rechnungsprüfungsamt, also die hausinterne Kontrolle, und die Stadthalle.

Diese Aufteilung der Zuständigkeiten, so sagt der Imaka-Chef Hans-Dieter Boss, bringe Reibungsverluste. Beispielsweise beim Ordnungsamt als Straßenverkehrsbehörde und dem Tiefbauamt als Baulastträger. Die Bereiche Familie/Jugend und Kultur hätten oft eine ähnliche Klientel, müssten also viel enger kooperieren. Auch die beim OB angesiedelte Stabsstelle für „innovative Mobilität“ wäre besser im Planungsdezernat angesiedelt.

Cohn hätte den wichtigsten Zuwachs

Diese inhaltlichen Änderungen würden die Verantwortlichkeiten der drei Bürgermeister gehörig durcheinanderwirbeln. Zum Baudezernat gehörte dann auch das Ordnungsamt. Außerdem, so sieht es die Empfehlung der Berater vor, würden die Stadtwerke, deren Leitung sich im Moment Ulrich Vonderheid als kaufmännischer und Klaus Brenner als technischer Geschäftsführer teilen, komplett zum Baubürgermeister wandern.

Den wichtigsten Zuwachs hätte aber der Oberbürgermeister selbst: Er wäre entsprechend dieses Konzeptes dann Kämmerer, behielte interessanterweise aber zudem das Rechnungsprüfungsamt, also die interne Finanzaufsicht. Verlierer dieses Szenarios wäre Ulrich Vonderheid, müsste er doch das wichtige Finanzdezernat an den OB abgeben. Dass das Kulturressort und die verlustreiche Stadthalle ein ausreichendes Trostpflaster wären, wird von Insidern bezweifelt.

Cohns’ Begehrlichkeiten nach den Finanzen

Martin Georg Cohn hat aus seinen Begehrlichkeiten nach dem Finanzdezernat nie einen Hehl gemacht. Regelmäßig verweist der Oberbürgermeister auf seine früheren Tätigkeiten, in denen er Finanzverantwortung getragen hat. Geht es im Gemeinderat ums Geld, ergreift der Chef zumeist das Wort. Der zuständige Fachdezernent darf oft nur bei Details oder kritischen Nachfragen Stellung beziehen.

Dennoch muss sich der Oberbürgermeister mit seinen Umstrukturierungsabsichten vorerst gedulden. Der Gemeinderat hat ihm mit großer Mehrheit die Gefolgschaft verweigert. Die aber braucht Cohn, um seine Pläne in die Tat umzusetzen. Noch nicht einmal diskutieren wollte die Mehrheit der Stadträte über die Cohn’schen Vorstellungen. Eine Aussprache wurde sowohl im zuständigen Finanz- und Verwaltungsausschuss wie auch im Gemeinderat abgelehnt.

Im Ausschuss gelang es dem OB gerade noch, dass der von ihm eingeladene Imaka-Chef Hans-Dieter Boss seine Dezernatsempfehlungen kurz erläutern durfte. Die von ihm angebotenen Nachfragen nahmen die Stadträte nicht in Anspruch. Sichtlich irritiert musste der Berater nach wenigen Minuten den Saal verlassen.

Christa Weiß: Das ist nun der Tiefpunkt

Dass sich mehrere Fraktionen im Vorfeld darauf verständigt haben, die Diskussion über eine Neustrukturierung schlicht abzublocken, wird hinter vorgehaltener Hand nicht bestritten. Der OB habe wissen müssen, dass er keine Mehrheit findet. Deshalb hätte er das heikle Thema erst gar nicht aufbringen sollen.

Cohn wiederum sagt klar, dass er mit den jetzigen Struktur nicht zufrieden ist: „Um das zu dokumentieren, nehme ich zwei Abstimmungsniederlagen in Kauf.“ Ihm zur Seite springt Christa Weiß: „Ich habe in 30 Jahren schon viel erlebt, was ärgerlich, betrüblich und total befremdlich war“, sagt die SPD-Fraktionsvize. „Dies ist nun der Tiefpunkt: Selbstentmachtung und ein Armutszeugnis für die Loyalität im Umgang miteinander.“