Mit hintersinnigen Worten verabschiedet sich Wolfgang Röckle aus dem Leonberger Gemeinderat.

Leonberg - Dass die eigene Meinung stets eine Frage der individuellen Sichtweise ist, verdeutlicht der Vater dem Sohn an einem Beispiel: Vier Füchse und ein Hase sitzen am Waldesrand und diskutieren über das Abendessen. Wolfgang Röckle wählte dieses Bild vor vielen Jahren, als ihn sein Sohn, damals Schüler am Leonberger JKG, fragte, wer in der Demokratie am Ende nun recht hat.

 

Jetzt gibt der scheidende Stadtrat die kleine Geschichte seinen Kollegen als Hinweis auf die Debattenkultur im Leonberger Gemeinderat mit. Denn die hat in den vergangenen Monaten gelitten, „und das hat mich gestört“, gibt der Christdemokrat, dem es immer um die Sache ging, zum Abschied offen zu Protokoll.

Grüner Hut und Piccolo

Es ist nicht nur wegen des Abschieds des als „Fahrradhändler“ stadtbekannten Eltingers eine besondere Sitzung. Auch der Umstand, dass am Abend des Dienstags üblicherweise der Pferdemarkt seinem feucht-fröhlichen Höhepunkt entgegenschaukeln würde, macht dieses Ratstreffen besonders. Dass ausgerechnet am höchsten Leonberger Feiertag eine Arbeitssitzung terminiert ist, kann als einmalig bezeichnet werden. Und so hat Gudrun Sach denn auch einen großen grünen Hut auf dem Kopf. „Eigentlich ist heute Pferdemarkt“, steht auf der augenfälligen Kopfbedeckung der Ratsfrau von den Grünen, die sie sonst auf dem Umzug getragen hätte. Ihre Fraktion ist stets beim fröhlichen Marsch durch die Innenstadt dabei, so wie die meisten anderen Kräfte im Gemeinderat auch.

Eigentlich wäre am Dienstag ja Pferdemarkt: Die Grünen-Stadträtin Gudrun Sach.

Ungewöhnlich ist zudem, dass an allen Plätzen in der Stadthalle ein kleiner Piccolo zu finden ist. Der Schaumwein in Miniformat ist allerdings keine Geste der Stadtverwaltung, um dem politischen Einsatz einen Hauch von Festatmosphäre zu geben. Vielmehr ist es eine Gabe des Mannes, um den es besonders geht: ein Abschiedsgeschenk von Wolfgang Röckle.

Anlässlich seines 70. Geburtstages vor ein paar Wochen hat der Erfinder der Eltinger Putzete „Kutterschaufel“ seinen Rückzug aus der aktiven Kommunalpolitik verkündet. Da er aber noch formal bis 2024 gewählt ist, kann er nicht einfach so Schluss machen. Der Gemeinderat muss ihn per Mehrheitsentscheid „aus einem wichtigen Grund“ aus dem Amt entlassen. Sein Alter ist in diesem Fall Grund genug. Stadträte, die das 62. Lebensjahr überschritten haben, können auf eigenen Wunsch aufhören.

Der Vater des Traumpalasts

Röckle wollte eigentlich schon bei der Kommunalwahl vor knapp zwei Jahren nicht mehr antreten. Doch seine Fraktionschefin Elke Staubach überredete in seinerzeit, wenigstens auf einem hinteren Listenplatz zu kandidieren: Die Wahrscheinlichkeit, in den Gemeinderat zu kommen, sei damit recht gering.

5790 Wähler sahen das nicht so und hievten ihn erneut ins Stadtparlament. Genau diese Zahl prangt auf dem Trikot, das Martin Georg Cohn dem begeisterten Radfahrer zum Abschied überreicht. Der Oberbürgermeister (SPD) erinnert dabei an seine eigene erste Tour de Natur, jene Radrundfahrt, die Röckle maßgeblich mitorganisiert. „Prompt hatte mein Fahrrad den Geist aufgegeben“, plaudert Cohn. „Hätte er mir auf die Schnelle kein neues besorgt, wäre für mich die Tour schon am Anfang zu Ende gewesen.“

Röckle hat hinter den Kulissen einiges bewegt

Der OB war nicht der einzige, dem der begeisterte Radfahrer ohne großes Aufsehen aus der Patsche geholfen hatte. Wolfgang Röckle hat viel hinter den Kulissen bewegt. Sein größter Coup dürfte die diskrete Kontaktaufnahme zum Kinobetreiber Lochmann gewesen sein. Damit war sozusagen der Grundstein für den heutigen Traumpalast gelegt, jenes Großkino am Stadtrand, das demnächst mit einer der größten Leinwände weltweit zum überregionalen Magneten werden wird. Es ist symptomatisch für Röckles Art, dass er seine Vermittlung nur beiläufig erwähnt: „Wir haben nun ein schönes Kino.“

Seine Frau Monika wartet schon auf ihren Wolfgang, um ihm beim Abtransport der zahlreichen Geschenke zu helfen, als dessen Nachfolger Bernhard Kogel vom OB vereidigt wird. Doch einen Ratschlag hat der Routinier nach zwölf Ratsjahren für die anderen noch: „Gute Entscheidungen sind die, die im Sinne der Bürger von Leonberg sind. Selbst wenn man nicht immer persönlich davon überzeugt ist.“