Der erste Waldkindergarten in der Stadt feiert mit einem Theaterstück Geburtstag: Seit 15 Jahren lernen die Kleinen, die Natur zu schützen und sich auch ohne Plastikspielzeug und Barbie-Puppe im Freien zu vergnügen.

Leonberg – Leises Stimmengewirr, hektisches Fußgetrappel. Stille. Der Vorhang hebt sich: Bühne frei für die Kinder des Waldkindergartens Leonberg. Wochenlang haben sich die Großen, die Kleinen und die Allerkleinsten darauf vorbereitet. „Kamfu mir helfen?“, ein Stück nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Barbara Schmidt, handelt von einem Elefanten, der auf den Rüssel gefallen ist und deswegen nicht mehr richtig sprechen kann.

 

Wie ihm seine Freunde helfen, führen die Waldkinder bei der 15-Jahr-Feier ihres Kindergartens vor. Ob als sprechender Ameisenbär oder Statist, jeder aus der Gruppe hat eine Rolle bekommen. Die Kinder durften sie selbst aussuchen und sagen, wie viel sie sich bereits zutrauen.

Kräfte und Können einschätzen

Diese Selbstständigkeit und -einschätzung seien Eigenschaften, die die Drei- bis Sechsjährigen auf jeden Fall hier inmitten der Natur lernen, erklärt Antje Jüttner, die Leiterin des ersten Waldkindergartens in Leonberg. Mit Blick auf die Kleinen, die wie die Äffchen in den Bäumen herumkraxeln, meint sie: „Durch das Ausprobieren in der Natur sind sie in der Lage, ihre Kräfte und ihr Können besser einzuschätzen. Sie erreichen ihre Grenzen und weiten diese auch aus, aber sie überschätzen sich nicht.“

Die 42-Jährige macht diesen Job nun schon seit 13 Jahren. Früher arbeitete sie als Jugend- und Heimleiterin, doch dann bekam sie einen Sohn und sie entschied sich umzusatteln. Und so wurde der Waldkindergarten ihr neues Steckenpferd. Als sie das erste Mal das Grundstück betrat, habe sie sofort bemerkt, dass dies absolut „ihr Ding“ sei. Damals waren es nur etwa zehn Kinder, mittlerweile sind es schon an die 20 – Tendenz steigend.

Verantwortungsvoller Umgang mit der Natur

Der Kindergarten der besonderen Art entstand eines lauen Sommerabends in einem Garten. Zehn Eltern initiierten das Projekt aus dem Wunsch heraus, ihre Kinder mehr mit der Natur zu verbinden. Sie trafen sich im Wald und wollten ihrem Nachwuchs zeigen, verantwortungsvoll mit sich und ihrer Umwelt umzugehen. So wurde aus der Mutter-Kind-Betreuung im Grünen, die anfangs im Höfinger Täle angesiedelt war, bald eine offizielle Einrichtung. Heute steht der Bauwagen der Wurzelkinder im Wald beim Stadtteil Silberberg.

Der typische Tagesablauf fängt mit einem Morgenkreis an. Die Spiele, Rätsel und Lieder drehen sich dann entweder um die aktuelle Jahreszeit und das Tier oder die Pflanze der Woche. Dann geht’s auch schon raus auf Entdeckungstour. Um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, wird das anschließende Vesper immer zusammen gegessen. Dann rotten sich die hungrigen Mäuler auf der Bank rund um den kleinen Tisch im Bauwagen zusammen und es heißt, Essen fassen.

Gestärkt geht es am Nachmittag weiter mit dem freien Spielen. Dabei können sich die Kinder in selbst ausgedachten Rollenspielen kreativ ausleben. Da kann schon mal das Laub zum Waldmonster und der Stock zur gefährlichen Waffe werden. Um sich handwerklich zu verausgaben, gibt es immer Material zum Tonen, Basteln, Malen oder Laubsägen. Doch ist das nicht gefährlich und viel zu schwer für Kleinkinder? „Man muss manches auch einfach früher wagen, als man es selber erfahren hat“, antwortet Jüttner.

Durch den Bezug zur Natur und die Eigeninitiative, die das fordert, erweitern die Waldkinder vor allem ihre Kreativität und ihre Selbstständigkeit, denn es gibt keine vorgegebenen Spielzeuge oder Abläufe. Sie lernen durch ihr selbstbestimmtes Spiel auch, Konflikte friedlich zu lösen. Ein weiterer großer Unterschied zu herkömmlichen Kindergärten: „Wir haben keinen Freizeitstress“, meint Jüttner, „es ist einfach schön, dass wir auf die Kinder eingehen können und die Zeit für den Einzelnen haben. Es ist nicht alles durchgetaktet.“

Und so geht das 15. Jahr ins Land. Das Theaterstück ist zu Ende. Der Vorhang fällt. Die Darsteller kommen noch einmal heraus und verbeugen sich. Stolz sind sie.