Heute ist bereits zum 22. Mal der vom Verband Weißer Ring ins Leben gerufene „Tag der Kriminalitätsopfer“. Dieser Tag soll an die Menschen erinnern, die durch Kriminalität und Gewalt geschädigt wurden. Diese Gelegenheit nehmen wir zum Anlass, auf eine Aktion des Jugendhofs Seehaus Leonberg aufmerksam zu machen.

Leonberg – Heute ist bereits zum 22. Mal der vom Verband Weißer Ring ins Leben gerufene „Tag der Kriminalitätsopfer“. Dieser Tag soll an die Menschen erinnern, die durch Kriminalität und Gewalt geschädigt wurden. Diese Gelegenheit nehmen wir zum Anlass, auf eine Aktion des Jugendhofs Seehaus Leonberg aufmerksam zu machen. Im Seehaus werden jugendliche Straftäter betreut, die sich im April mit Kriminalitätsopfern zusammensetzen werden. Die Sozialpädagogin Irmela Abrell ist stellvertretende Leiterin des Seehauses und erklärt das Projekt. Sie glaubt an das Gute in den Jugendlichen und sieht das Projekt als große Chance.
Frau Abrell, was genau unterscheidet das Seehaus von einer gewöhnlichen Strafvollzugsanstalt?
Wir praktizieren einen Jugendstrafvollzug in freier Form, das heißt, die Täter sitzen nicht hinter Gittern, sondern sind den ganzen Tag in ein straffes Erziehungsprogramm eingebunden. Wir betreuen bis zu 15 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren, die in drei Wohngemeinschaften zusammenleben.

Was haben die Jugendlichen bei Ihnen für Möglichkeiten, die sie woanders nicht bekommen?
Sie können bei uns den erweiterten Hauptschulabschluss erlangen und das erste Lehrjahr in 15 Bauberufen oder als Schreiner abschließen. Außerdem sollen sie für ihre Straftat geradestehen und sie wenn möglich wieder gutmachen. Dazu trägt gemeinnützige Arbeit, wie zum Beispiel das Beseitigen von Graffiti in der Stadt bei und natürlich die Seminare und Gruppengespräche. Auch die Aktion Täter und Opfer im Gespräch ist ein wichtiger Schritt.

Wie wird diese Begegnung zwischen Tätern und Opfern ablaufen?
Die Gesprächsreihe wird an sechs Abenden mit vier bis sechs Tätern und ebenso vielen Opfern stattfinden. Ich werde gemeinsam mit einer Mitarbeiterin das Gespräch leiten. An den Abenden werden jeweils verschiedene Themen besprochen, vom zweiten Treffen an werden beide Seiten ihre Geschichten erzählen dürfen. Die Opfer dürfen ihre Wut rauslassen und die Täter können erzählen, was sie zu ihrer Tat bewogen hat und ihre Schuld abladen.

Wie wählen Sie die Teilnehmer aus?
Die Täter müssen sich in einem Bewerbungsgespräch für die Aktion bewerben. Wir werden dann diejenigen auswählen, die den Eindruck machen, dass sie wirklich am Opfer und den Folgen seiner Tat Interesse haben. Die Opfer suchen wir in der Umgebung. Wer Interesse hat und seine Erfahrung verarbeiten und eventuell den Täter besser verstehen und ihm sogar verzeihen möchte, kann sich melden.

Vor zwei Jahren, haben Sie dieses Projekt schon einmal veranstaltet. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Die Idee für eine solche Zusammenführung von Straftätern und Kriminalitätsopfern aus Neuseeland, wo Begegnungen solcher Art schon lange Programm sind. Als wir es vor zwei Jahren das erste Mal hier ausprobierten, hat es gut geklappt. Die Täter bekommen ein besseres Verständnis dafür, was sie angerichtet haben und das beispielsweise auch die Familie oder die Mitarbeiter des Betroffenen unter der Tat leiden. Die Opfer sollen merken, dass die Täter auch Menschen sind, die eine zweite Chance verdient haben. Ein Täter hat sich damals sogar mit seinem eigenen Opfer getroffen und sich ausgesprochen. Das ist natürlich das Optimum.

Was ist ihr Wunschziel?
Es soll Vergebung und Versöhnung zwischen beiden Parteien stattfinden und so den Heilungsprozess auf beiden Seiten beschleunigen.