Der Feinstaubalarm betrifft nicht nur Stuttgart. Eine Gruppe von Bürgern hat Messstationen in der Stadt aufgestellt.

Leonberg - Eigentlich ist die Sicht über Leonberg vom Eltinger Blick aus beeindruckend. Doch das Foto von Ewald Thoma vom Sonntag zeigt bei näherer Betrachtung: Da hängt eine ganz schöne Dunstglocke über der Stadt. „Die Feinstaubwerte sind momentan in der gesamten Region Stuttgart außerordentlich hoch“, sagt Thoma. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm (AGVL) engagiert er sich auch bei diesem Thema.

 

Dazu kommt das aktuelle Wetter. Es hat schon lange nicht mehr geregnet oder geschneit, was die Luft gereinigt hätte. Und bei den Minusgraden laufen die Heizungen auf Hochtouren, was noch mehr Abgase und Schmutz in den Himmel pustet. Verschärft wird die Situation in Leonberg durch die besondere Lage. Denn im Tal zwischen Engelberg und Warmbronn gibt es eine sogenannte Inversionswetterlage. Die oberen Luftschichten sind wärmer als die unteren. Damit können sich die Luftschichten nicht vermischen und etwa Feinstaub bleibt in Bodennähe in der Luft. Wer die Eltinger oder die Grabenstraße entlang läuft, der riecht und spürt den Dreck in der Luft deutlich.

Keine Feinstaubmessung durch Landesumweltamt mehr

Allerdings wird in Leonberg seit knapp einem Jahr kein Feinstaub mehr durch das Landesamt für Umwelt gemessen, da die Grenzwerte seit 2013 nicht mehr häufig genug überschritten wurden (siehe Infobox). In der Grabenstraße werden nur noch Stickstoffoxide erfasst.

„Es gibt seit diesem Winter aber eine Alternative“, informiert Ewald Thoma. Seit Oktober haben er und seine AGVL-Mitstreiter sieben Feinstaubmessstationen im Stadtgebiet aufgebaut, gemeinsam mit dem „OK Lab Stuttgart“. Es ist ein Programm der „Open Knowledge Foundation“, die Daten zur freien Nutzung zur Verfügung stellt, aus denen Bürger wiederum verschiedene Projekte entwickeln – von der Kartierung von Kinderspielplätzen oder Defibrillator-Standorten bis hin eben zum Feinstaub-Projekt. Die Stationen in Leonberg befinden sich im Silberberg (2), im Ezach, in der Gartenstadt, in Eltingen, im Ramtel und am Schumisberg.

Eine Bürger-Messstation für 30 Euro

Ewald Thoma gehört zum zehnköpfigen Kernteam des OK Lab Stuttgart. Zwei Treffen gibt es im Monat, einmal eine Besprechung, das andere Mal werden Messstationen unter Anleitung zusammengebaut. „Der Bausatz kostet 30 Euro. Die Spezialgeräte des Landesumweltamtes zum Vergleich kosten um die 10 000 Euro“, erklärt er.

Die Werte seien zwar nicht so genau wie die vom Landesumweltamt in Karlsruhe, aber für die Beurteilung der Situation brauchbar. „Das hat auch die Uni Stuttgart attestiert“, sagt Thoma. Zumal die Karlsruher Behörde nur Tagesmittelwerte bestimmte, die kleineren Messstationen aber Minutenwerte. Zudem erstreckt sich das Messnetz auf den gesamten Raum Stuttgart. Da überall die gleichen Sensoren verwendet würden, seien die Daten miteinander vergleichbar. Dem Landesumweltamt ist das Projekt im Raum Stuttgart bekannt, man stehe dem offen gegenüber. „Wir können derzeit aber keine Aussage zur Zuverlässigkeit der Messwerte und der Sensoren machen. Das geht erst nach einem längeren Vergleichszeitraum“, sagt eine Sprecherin.

Feinstaubwerte teilweise höher als in Stuttgart

In Leonberg seien die Messwerte derzeit teilweise sogar höher als in Stuttgart. „Weil der Wind auf Nordost gedreht hat und wir daher nicht nur den Dreck der Autobahnen, sondern auch teilweise Dreck aus dem Stuttgarter Norden abkriegen“, berichtet der Vorsitzende der AG Verkehrslärm. „Die derzeitige Situation ist akut gesundheitsgefährdend.“

Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen leiden

Dabei müsse man zwischen einer akuten und einer chronischen Belastung mit Feinstaub unterscheiden, sagt Professor Mark Dominik Alscher, der geschäftsführende Ärztliche Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart. Generell führe eine erhöhte Feinstaubbelastungvor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen zu Problemen. Und das nicht nur bei Krankheiten, die die Atemwege beträfen, sondern auch bei Herz-Kreislauf-Beschwerden. Jetzt im Winter gebe es eine Korrelation zwischen Feinstaubwerten und vermehrten Grippe- und Erkältungskrankheiten. „Bei einer chronisch erhöhten Belastung über Jahre gibt es erhöhte Nachweise von Tumoren“, sagt Alscher.

Ein Ende des Feinstaub-Alarms ist noch nicht in Sicht. „Die Smog-Lage wird voraussichtlich weiter anhalten und eventuell noch stärker werden“, meint Thoma.

Aktuelle Messwerte finden sich unter
: www.madavi.de/sensor/feinstaub-map-sds

Das belastet die Luft

Feinstaub
Er bezeichnet den Teil der Immissionen in der Luft, die eingeatmet werden können. Gröbere Teilchen wie Ruß werden von Nasenhaaren und Schleimhäuten zurückgehalten. In Städten ist der Verkehr der größte Produzent von Feinstaub, nicht nur aus Motoren, sondern auch durch Reifen- und Bremsabrieb. Weitere Quellen sind die Industrie, Heizungen, Kraftwerke, Schüttgutumschlag, aber auch Landwirtschaft. Der Feinstaub-Grenzwert liegt bei einem Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und darf nicht öfter als 35 Mal im Jahr überschritten werden. Dies war in der Leonberger Grabenstraße seit 2013 nicht mehr der Fall, weshalb hier seit einem Jahr nicht mehr gemessen wird.

Stickstoffdioxid
Es ist ein giftiges Gas, das entsteht, wenn fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl verbrannt werden. Wird es eingeatmet, kann es Schwindel und Kopfschmerzen auslösen, bei größeren Mengen Atemnot und Lungenödeme. Ab 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft ist es gesundheitsschädlich. Der Wert für 2015 betrug 47 Mikrogramm. Stickoxide werden weiterhin in der Grabenstraße durch das Landesumweltamt gemessen.