Bevor die Abrissbagger rollen, hat sich Rose Fiedler in den Katakomben der Jahnhalle umgesehen.

Leonberg - Der Mundschutz ist nicht nur wegen der Corona-Viren nötig. Rose Fiedler und Florian Zürn können ihren Masken auch gut zur Staubabwehr gebrauchen. Denn von dem hat sich in der Jahnhalle einiger angesammelt.

 

Dort, wo sich einst Fußballer umzogen und Turner ihre Übungen machten, ist Tristesse eingekehrt. Die Umkleiden sind leer, die Halle wirkt gespenstisch. Der Fußballplatz erinnert an einen Salzsee.

Das einstige Gelände der TSG Leonberg ist schon lange geräumt. Hier beginnt in diesen Tagen der Kölner Bauträger Pandion mit dem Abriss. Die Sportstätten müssen Platz für ein neues Wohnquartier machen. Der Bauherr will insgesamt zehn mehrgeschossige Wohnhäuser unterschiedlicher Form und Größe mit rund 150 Wohnungen errichten. 25 Prozent der Wohnfläche, so ist es mit der Stadt Leonberg vereinbart, sollen als bezahlbarer Wohnraum ausgewiesen werden.

Doch bevor alles verschwindet, schlägt die Stunde der Kunst. Rose Fiedler arbeitet gerne mit alten Werkstoffen. Unter anderem bringt die diplomierte Gestalterin, die ihr Atelier in Rutesheim hat, ihren Schülern bei, dass nicht alles gleich weggeworfen werden muss. In ihren Berufsorientierungskursen für die Handwerkskammer Stuttgart hat sie schon mit Kronkorken und Eierschalen gearbeitet.

Da staunen die Schüler

Diesmal hat Fiedler die Kleiderhaken in den Umkleidekabinen und im einstigen Vereinslokal Turnerheim im Visier. „So etwas lässt sich wunderbar auf Holzplatten verarbeiten“, meint die Künstlerin. Ihre Schüler, die sich über die Berufe Raumausstatter, Schreiner oder auch Zahntechniker informieren, sind überrascht, was mit vermeintlich ausgedientem Material noch alles möglich ist. Beim Bauträger ist die Rutesheimerin mit ihrem Anliegen auf offene Ohren gestoßen. „Das ist eine schöne Idee und viel besser, als alles abzureißen“, sagt die Pandion-Sprecherin Mirjam Kohler. Gemeinsam mit dem Projektleiter Florian Zürn ist sie extra zur alten Sporthalle gekommen, um Rose Fiedler beim Abmontieren zu helfen: 50 Haken haben sie sich vorgenommen. Am Ende werden es sogar einige mehr. Damit lässt sich was anfangen.

Die Mitarbeiter des Kölner Unternehmens, das sich auf hochwertige Bauprojekte spezialisiert hat, haben noch andere Gründe, um sich auf dem Gelände zwischen Jahnstraße und Feuerbacher Straße umzusehen. Denn jetzt, da das Gelände offiziell von der Stadt für den Kaufpreis von 8,4 Millionen Euro an Pandion übergegangen ist, sind die Praktiker am Zuge.

Foto: factum

Sichtbarstes Zeichen ist der 350 Meter lange Zaun, der um das komplette Gelände gezogen wurde. „Das ist unser längster Bauzaun“, sagt Florian Zürn. Der für das Leonberger Projekt verantwortliche Mann hat es nicht so weit wie seine Kollegin von der Pressestelle in Köln. Zürn sitzt in der Stuttgarter Niederlassung, die im vergangenen Jahr eröffnet wurde.

„Das TSG-Gelände ist unser erstes Projekt in der Region Stuttgart“, erklärt Zürn. Deshalb soll es auch besonders gut werden. Die Arbeiten beginnen am nordöstlichen Ende des Sportplatzes. Der Kunstrasen wurde dafür schon abgetragen. Ein großer Teil davon bleibt aber für den Sport erhalten. Pandion hat 200 Quadratmeter den Leonberg Alligators geschenkt. Die Footballer nutzen das Rasenstück für ihre Trainingsfläche.

Rasenstück für die Alligators

In den nächsten Tagen werden die Gebäude entkernt. Nach Pfingsten rollen die Bagger an. Die Jahnhalle und das Turnerheim werden abgerissen. Danach wird die Baugrube ausgehoben.

Auf Nachfrage bestätigt die Unternehmenssprecherin Kohler, dass die Bäume des ehemaligen Biergartens weitgehend erhalten bleiben sollen. Hier könnten eine neue Gastronomie und kleinere Geschäfte entstehen. Der Gemeinderat und der Baubürgermeister Klaus Brenner hatten großen Wert darauf gelegt, dass das neue Quartier einen offenen platzartigen Eingang erhält, der von Bäumen gesäumt ist.