Bei Kaiser Alexander und Rubinola, Rotem Eisenapfel und Carpentin ist Bernhard Wanzki in seinem Element. Der Höfinger sammelt Apfelsorten wie andere Leute Briefmarken. Mehr als 200 Sorten wachsen auf seinen Wiesen.

Leonberg - Hier noch ein Zweigle weg und dort geprüft, wie fest der Stamm in der Erde sitzt – im März legt Bernhard Wanzki letzte Hand an seine Bäume. Er befreit die Baumscheiben von Unkraut, düngt mit Stickstoff und erneuert die Pfosten an den Jungpflanzen. Sein Blick schweift über die Knospen, die die Natur schon im vergangenen Sommer angelegt hat. Jetzt warten sie darauf, vom Frühling aufgeweckt zu werden. „Es ist jedes Jahr wieder ein Erlebnis zu sehen, was noch übrig ist nach dem Winter“, sagt der Apfelkenner. „Das weiß man aber erst, wenn der Baum blüht.“

 

Von November bis März ist der 61-Jährige auf seinen Flächen rund um Höfingen unterwegs. Für die Pflege der etwa 300 Bäume braucht der Pensionär viel Zeit. Doch die nimmt er sich gerne. Denn er weiß: „Je gepflegter ein Baum, desto besser die Früchte.“ Schließlich handele es sich überwiegend um wertvolle Gewächse. Zudem betrachtet er die Pflanzen als Lebewesen. Ja, er hat auch ein paar Zwetschgen, Mirabellen, Kirschen und Heidelbeeren an den Standorten Schöckinger Weg und Wieslesweg, Hinter der Wanne und Kuhbrünnele. Und 20 Bienenvölker.

Sein Herz schlägt eindeutig für die Äpfel

Doch sein Herz schlägt eindeutig für Äpfel. Mehr als 200 Sorten wachsen inzwischen auf seinen zwei Hektar Land, ganz alte oder solche, die in unseren Breitengraden selten sind. Und immer wieder kommen neue hinzu. „Ich bin ganz schleichend zu den Äpfeln gekommen“, erzählt der ehemalige technische Beamte. Schon als Kind, nachdem die Familie aus der Stuttgarter Innenstadt nach Höfingen gezogen war, faszinierten ihn Pflanzen. Doch sein Berufsweg ging zunächst in eine andere Richtung. Das Wachsen und Gedeihen der Natur ließ ihn aber nicht los. Irgendwann begann er, auf einem Stück Land selbst Obstbäume zu pflanzen. „Dann habe ich einmal den Katalog von einer Baumschule in die Hand bekommen“, schildert er den Beginn seiner Sammelleidenschaft. Die darin angebotenen seltenen Sorten weckten seine Neugier.

Bernhard Wanzki startete mit dem Kauf historischer Äpfel wie dem Roten Eisenapfel, der um das Jahr 1600 bekannt wurde, und den man bis zu zwei Jahre in Erdmieten lagern kann. Der Christkindler aus Russland oder der Carpentin, erstmals erwähnt 1628, kamen im Laufe der Jahre ebenso dazu wie der Kaiser Alexander aus dem 18. Jahrhundert, der aus der Ukraine stammt, oder der Welschisner aus Österreich etwa um 1600 – „der ist aber nichts Besonderes“, so Wanzki, „trotzdem war der mal weit verbreitet.“ In langen Listen hat der Apfelkundler seine Schätze verzeichnet. Er weiß genau, wo was wächst. In einem Arbeitsordner notiert er beispielsweise, wann in den Vorjahren die Früchte erntereif waren. Und das mache seine Äpfel – die er auf den Märkten in Höfingen und Leonberg, aber auch in der Region verkauft – so begehrt. Denn zur Erntezeit, die bei den vielen verschiedenen Sorten von August bis November dauert, geht er sonntags auf seine Wiesen und verkostet die Früchte.

„Bei mir kriegt man sie erst, wenn sie reif sind“, sagt er. Und das wüssten auch die Käufer zu schätzen. Von den ersten Klaräpfeln im Sommer über die Renette, den purpurroten Cousinot und den roten Kardinal im September, den Boskop, Brettacher oder den Manga Super – den weltgrößten Apfel – im Oktober bis zum Martini oder Trierer Weinapfel im November lässt die Sortenvielfalt fast keine Wünsche offen.

„Allerdings ist dies keine Massenproduktion“, sagt Wanzki, der inzwischen ausgebildeter Fachwart ist und auch Gruppen durch seine Obstwiesen führt. „In einem Jahr tragen die Bäume gut, im nächsten hängt weniger dran.“ Er hat schon seit Januar keine eigenen Früchte mehr. Die 24 Sorten, mit denen er jetzt auf den Markt geht, muss er zukaufen. Auch hier achtet der Pomologe auf Qualität. Schließlich ist er Mitglied in der Landesgruppe des Pomologen-Vereins. Und er ist schon mit der Eduard-Lucas-Medaille ausgezeichnet worden. Der „Verein zur Erhaltung und Förderung alter Obstsorten – Rettet die Champagner-Bratbirne e. V.“ hat sie dem Höfinger für sein Engagement verliehen.

„Ich will immer wissen, wie alte Sorten schmecken.“

Der so Geehrte geht weiter auf dem Weg in die Geschichte der Äpfel, und das nicht nur, weil historische Früchte immer mehr nachgefragt werden. „Ich bin neugierig. Ich will wissen, wie die schmecken.“ Bernhard Wanzki liest alte Bücher über Obstbau und tauscht sich mit anderen Fachleuten aus. Er ist ständig auf der Suche nach neuem Alten. „Ich schaue ab dem Jahr 1800, aber rückwärts“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Ich will immer mehr Sorten haben“, so gibt er zu. „Manche sammeln Briefmarken, ich Obstbäume.“

Die Familie trägt seine Leidenschaft zwar mit, die Arbeit draußen auf den Obstwiesen bleibt aber weitgehend ihm überlassen – mit einer Ausnahme: „Da gibt es den Winterbananenapfel aus dem 18. Jahrhundert. Der schmeckt supergut“, schwärmt er. „Wenn meine Familie mitkriegt, dass er reif ist, dann rennen die los.“