An der Täufer-Johannes-Kirche tauschen Spezialisten der Leonberger Zimmerei Ziegler das marode Fachwerk aus.

Sascha Sonnet hat einen luftigen Arbeitsplatz am rund 30 Meter hohen Turm der evangelischen Kirche mitten in Warmbronn. Der Zimmerer mit einer Zusatzausbildung als Fachkraft für Restaurierungsarbeiten ersetzt an dem 1784 errichteten Bauwerk die morschen Balken an der Westfassade der Holzkonstruktion. Seit April sind zwei Mitarbeiter des Zimmereibetriebs von Jürgen Ziegler aus Leonberg damit beschäftigt, das Fachwerk so zu restaurieren, dass es wieder für lange Zeit trägt. Das Denkmalamt spricht dabei ein Wörtchen mit, wie das zu geschehen hat. Wurde ursprünglich Eiche als Bauholz verwendet, so muss das gleiche Material jetzt wieder verbaut werden, und zwar als Massivholz. Für die gut 30 Zentimeter starken Balken werden Bäume aus Norddeutschland verwendet. Was vom ursprünglichen Material noch gerettet werden kann, wird weiterverwendet, morsches Holz wird wie in einem Puzzle durch neues ersetzt, aber auch ganze Balken werden ausgetauscht – eine diffizile Arbeit.

 

Jürgen Ziegler, Zimmermeister und Restaurator im Zimmererhandwerk, und sein Team haben reichlich Erfahrung mit der Renovierung altehrwürdiger Gebäude wie etwa der Johannes-Kirche in Rutesheim, der Zehntscheune in Flacht oder der Räume des Galerievereins Leonberg. Vor den Arbeiten an dem Kirchturm hat das Team 2020 schon umfangreich den Dachstuhl der Täufer-Johannes-Kirche saniert. „Unsere Mitarbeiter sind gern an solchen Projekten tätig“, sagt er. Dabei sei ein Gespür für die Materialien nötig, „und man muss Achtung haben vor dem, was die Altvorderen gemacht haben“, betont Ziegler.

200 Jahre altes Holz

Mit dem Baustellenaufzug an der Westseite des Turms geht es hoch bis auf 20 Meter. Die restlichen Meter müssen die Handwerker über das Gerüst bewältigen. Jürgen Ziegler zeigt, wie sich das 200 Jahre alte Holz mit dem neuen von heute zu einer tragfähigen Einheit verbindet. Schon vor einem Jahr war jedes einzelne Teil des vorhandenen Fachwerks von einem Sachverständigen für Holzbau auf seinen Zustand hin genau untersucht und das weitere Vorgehen im Detail festgelegt worden, erklärt der Architekt Siegfried Gergs vom Stuttgarter Büro Blum Schempp Haar-Architekten. Eine Statikerin hat die Konstruktion geprüft. Sie stellte laut Gergs fest, dass auf der Westseite des Turms die Stabilität so weit angegriffen ist, dass ein Austausch des Fachwerks nötig ist.

Denn um die Stabilität des Turms war es zuletzt nicht besonders gut bestellt. Ende der 1980er Jahre wurde der Turm, der durch die Bewegung der Glocken schwankt, schon einmal renoviert. Auf vorhandene Risse im nicht sehr elastischen Kalkzementputz wurde eine Schindelverkleidung aufgebracht. Doch eindringende Feuchtigkeit konnte das Holz vor allem auf der Wetterseite im Westen, aber auch auf der Südseite angreifen. „Mittelfristig wäre der Turm gebrochen, wenn man die Verkleidung nicht entfernt und die Beschädigungen entdeckt hätte“, so der Architekt.

Denkmalamt ist gegen offenes Fachwerk

Noch ein paar Wochen werden die Zimmerleute am Fachwerk arbeiten. 25 Kubikmeter Holz werden sie dann verarbeitet haben. „Das ist so viel, wie man für zwei Dächer auf Einfamilienhäusern braucht“, erklärt Jürgen Ziegler. Danach kommen die Maurer, die das Fachwerk ausmauern. Anschließend wird der Turm mit einem Kalkputz verkleidet, unter den zuvor eine Trennlage aus Schilfrohrmatten verlegt wird. „Manche Leute fragen, warum man das Fachwerk nicht offen sichtbar lässt“, erzählt Jürgen Ziegler. Schließlich sieht man das auch an einigen Häusern im alten Warmbronner Ortskern. Doch das Denkmalamt wolle den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, erklärt er. Auch sei das Fachwerk mit einem Verputz darüber haltbarer.

Nicht nur der Turm, auch die Täufer-Johannes-Kirche selbst wurde seit 2020 umfangreich saniert. Innen ist die Predigtsaalkirche, die keinen Chor hat, inzwischen fertig und erstrahlt in Weiß gehalten hell und freundlich. Ins richtige Licht rückt sie eine neue Beleuchtungsanlage. Die Kassettendecke wurde freigelegt und restauriert, die Fenster restauriert, der Boden gefliest und Heizungen unter den Sitzbänken angebracht. Was noch fehlt, sind die Erneuerung des Außenputzes und ein neuer Anstrich. Dies soll nach der Turmrenovierung sozusagen von oben nach unten geschehen. Der Architekt Gergs zählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf, welche Handwerker für die runderneuerte Kirche sorgen: Zimmerleute, Stuckateure, Flaschner, Steinmetze, Maurer, Elektriker, Schreiner, Maler, Fliesenleger, Glaser, Gerüstbauer.

Diese aufwendigen und jahrelangen Arbeiten schlagen ordentlich zu Buche. Mit knapp einer Million Euro an Kosten hatten die Bauherren von der evangelischen Kirchengemeinde in Warmbronn und der Gesamtkirchengemeinde Leonberg zunächst gerechnet. Als der schlechte Zustand der Turmkonstruktion festgestellt wurde, kamen noch einmal 300 000 Euro obendrauf, zählt der Architekt Gergs auf. Da wirken die 32 280 Euro, die das Land im Rahmen der Denkmalförderung 2022 für die Restaurierung des Fachwerks am Turm der Täufer-Johannes-Kirche jetzt zur Verfügung stellt, fast wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Doch weil der Turm nicht nur das Ortsbild prägt, sondern mit seiner weithin sichtbaren Turmuhr und den Glocken auch eine „weltliche“ Bedeutung hat, beteiligt sich die Stadt Leonberg laut Pressesprecherin Leila Fendrich mit 50 Prozent. Grundlage dafür ist das württembergische Kirchengemeindegesetz von 1887. Darin werden die Kommunen verpflichtet, sich an den Kosten entsprechend dem jeweiligen Maß der Nutzung des Turms, der Turmuhr sowie der Glocken- und Läuteanlagen zu beteiligen. Der jeweilige Anteil dafür wurde in sogenannten Ausscheidungs- und Abfindungsurkunden festgelegt.