Wenn es im Strohgäu weithin blau leuchtet auf den Feldern, steht der Lein in voller Blüte. Zwei Landwirte haben sich an die Nischenpflanze herangewagt.

Frank Hagenlocher sah sich in den vergangenen Wochen mit immer derselben Frage konfrontiert: Was blüht denn da? Der Bio-Landwirt aus Ditzingen-Hirschlanden hat zum ersten Mal Lein angebaut, blaue Blüten leuchteten weithin. Er habe eine Kultur gesucht, um die Vielfalt der Fruchtfolge auf seinen Feldern zu stärken. Auch wenn der Lein eine Nischenkultur sei, so habe sie doch den Vorteil, dass er „mit keiner anderen Nutzpflanze verwandt sei“, sagt Hagenlocher.

 

Ein weiterer Vorteil sei, dass die Pflanze „wenig Ansprüche an den Boden“ stelle. Dass die Biodiversität gesteigert würde durch die Insekten, sei ein „wichtiger Nebeneffekt“. Selbst wenn er von einer höheren Wertschöpfung als beim Getreide ausgeht, so will er endgültig erst in zwei bis drei Jahren Bilanz ziehen. Denn Zeit bedürfe es bei einer neuen Kultur immer. Aber Frank Hagenlocher sagt auch: „Ein gewisser Pioniergeist gehört dazu.“

„Logistische Herausforderung“ ist das Trocknen

Hagenlocher hat auf vier Hektar Lein angebaut. Er rechnet mit einem Ertrag von anderthalb Tonnen pro Hektar. Das gepresste Öl soll auch im Hofladen verkauft werden. Doch noch ist es nicht soweit. „Der Lein ist in der Ernte und Nachbehandlung eine große Herausforderung.“ Er müsse sehr schnell getrocknet werden.

Weil das zeitlich mitten in die Erntezeit falle, sei dies eine „logistische Herausforderung“ – zumal es landesweit nur wenige Betriebe gebe, die dies anbieten, darunter der Schulbauernhof Korntal-Münchingen. Andreas Abrell, der die Landwirtschaft leitet, pflanzt Lein seit mehr als acht Jahren auf sechs Hektar an. Er hatte die Hand gehoben, als die Illinger Ölmühle im Enzkreis Betriebe suchte, die für sie die Kulturpflanze anbauen. Abrell beschloss: „Das probieren wir“ – und bereut es keinen Tag. „Der Anbau macht Spaß“, sagt der Techniker für ökologischen Landbau. Ihm ist die „Vielfalt der Landwirtschaft“ ebenso wichtig wie Regionalität und nahe Wertschöpfung. Gereinigt wird der getrocknete Lein in Hohenlohe, das Öl verkauft die Illinger Mühle.

Vor der Ernte kann noch einiges passieren

Von guten Erträgen, eine Tonne und auch mehr pro Hektar, berichtet Abrell – schon im ersten Jahr und auch jetzt. „Ich bin sehr zufrieden, wie der Lein zurzeit dasteht.“ Es sehe alles nach einer „guten Tonne“ aus. Andreas Abrell äußert sich zurückhaltend, er will sich nicht zu früh freuen: Bis zur Ernte zwischen Mitte August und Anfang September könne noch alles passieren, zum Beispiel Hagel oder Trockenheit die Ernte ruinieren.

Der Erdfloh jedenfalls verschonte den Lein dieses Jahr. Vor zwei Jahren habe der Schädling alles aufgefressen, berichtet Abrell. „Hilflos“ sei er da gewesen, unterliegt der Öko-Landbau etwa beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln strengen Regeln. Am Ende gedieh auf der Fläche Hirse für die Biogasanlage. Abrell sagt, für die Saat gelte es, den „bestmöglichen Zeitpunkt“ zu finden: Es ist warm und regnet genug, aber nicht zu viel. „Dann wächst der Lein zügig, schneller, als der Erdfloh ihn fressen kann.“

Flachs als Faser wird nach und nach wiederentdeckt

Die Leinpflanze ist laut der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg bereits zu Beginn des Ackerbaus vor mehr als 5000 Jahren kultiviert worden. In den 1950er Jahren erlosch der Leinanbau in Westdeutschland vollständig. Der Trend zu gesundheitsbewusster Ernährung aus regionaler Erzeugung hat die Situation in den vergangenen Jahren verändert. Die Voraussetzungen für eine langfristige Vermarktung der Nutzpflanze schien günstig – wenngleich der Schwerpunkt heute auf dem Öl liegt, nicht auf der Faser, dem Flachs. „Noch nicht“, sagt Annemarie Arnold von der Illinger Ölmühle. Der Flachs als Faser wird nach und nach wiederentdeckt – wenngleich der Flachswickel, das dem gedrehten Flachs nachempfundene Gebäck, bei heute geblieben ist.

Abrell und Hagenlocher lassen beide den Lein in Illingen pressen. Die Ölmühle sei dank der vollständig erhaltenen Originaleinrichtung von 1904 als technisches Kulturdenkmal eine Rarität, teilt die Gemeindeverwaltung mit. Familie Krauth betreibt die Ölmühle in sechster Generation. Der Vater des heutigen Geschäftsführers Jürgen Krauth und seiner Schwester Annemarie Arnold reaktivierte die Technik nach vier Jahrzehnten. Inzwischen kam eine zweite Presse hinzu. „Wir pressen täglich“, sagt Arnold. Mittlerweile arbeitet die Mühle mit sechs Landwirten, sie entwickelte sich zum Vollerwerbsbetrieb mit zehn Angestellten. Vor 150 Jahren gab es praktisch in jedem siebten Dorf eine Ölmühle. Waren es in Baden-Württemberg vor 50 Jahren insgesamt rund 200 Ölmühlen, so sind es heute laut den Illingern nur noch eine Handvoll, die Speiseöl produzieren.

Ölmühle in jedem siebten Dorf