Der 25-Jährige Jan Hambach will für die SPD Leonberg/Herrenberg wieder ein Mandat erringen

Renningen - Kann ein so junger Mann für die SPD in den Landtag kommen? Niemals! 2011 war es, als sich der damals 27-Jährige Florian Wahl im Wahlkreis Böblingen/Sindelfingen aufstellen lässt und mit seinen aussichtslosen Wahlkampf durchstartet. „Jeder hat mir gesagt: Du hast eh keine Chance“, erinnert er sich. Am Ende bekommt er 23,5 Prozent, nur 15 Stimmen über dem Durst, und er zieht in den Landtag ein.

 

Am Freitag nun sitzt Florian Wahl ganz hinten in der Renninger Stegwiesenhalle und beobachtet einen jungen Genossen, der heute fast so jung ist, wie Wahl damals. Es ist die Nominierungsversammlung der SPD im Wahlkreis Leonberg/Herrenberg, aber so spannend wie bei der gleichzeitig tagende Böblinger CDU ist es hier nicht. „Jan Hambach in den Landtag“, nimmt die Powerpoint-Folie auf der Bühne das Ergebnis schon vorweg. „Gibt es weitere Bewerber“, stellt die SPD-Kreisvorsitzende Jasmina Hostert die rhetorische Frage. Das ist wie erwartet natürlich nicht der Fall. Hambach bekommt am Ende 41 von 44 Stimmen.

Jetzt ist er der SPD-Landtagsmandat Kandidat für Leonberg/Herrenberg. Nicht nur im Nachbarwahlkreis bei Florian Wahl kann er abschauen, dass man sich die reellen Chancen selbst erarbeiten kann, der 25-jährige Wirtschaftswissenschaftler weiß das aus eigener Erfahrung. 2019 hat er für seine SPD beim Kommunalwahlkampf einen beeindruckenden Wahlkampf organisiert. Am Ende bekommt in Renningen die SPD mehr Stimmen als die CDU, nahm ihr einen Sitz im Gemeinderat weg, Hambach selbst bekommt als Stadtrat eines der besten Ergebnisse und bei der Landkreis-Wahl zieht er an der Erstplatzierten vorbei und in den Kreistag ein.

„Das Wahlrecht bietet uns Chancen, es zu schaffen“

Dieser Renninger Schwung soll jetzt auf den Wahlkreis überschwappen und der SPD nach zehn Jahren Abstinenz wieder einen Leonberger Sitz im Landtag bescheren. Jahrzehntelang hatte Birgit Kipfer Leonberg und Herrenberg in Stuttgart vertreten, bis sie 2009 an ihren Zweitkandidaten Tobias Brenner abgab. Der schaffte 2011 den Wiedereinzug nicht, denn seit dieser Wahl zählen nicht mehr die absoluten, sondern die prozentualen Stimmen – der sehr bevölkerungsreiche Wahlkreis Leonberg bietet also keine Vorteile mehr. Denn die Besonderheit im Landtagswahlrecht ist, dass es nur eine Stimme gibt. Nicht die Parteien bestimmen mittels Listen, wer Chancen hat, sondern jeder Kandidat vor Ort muss möglichst gut sein.

„Das Wahlrecht bietet uns Chancen, es zu schaffen“, schwört Jan Hambach seine Genossen in seiner Bewerbungsrede auf den Wahlkampf ein. „Die Bindung der Wähler zu einer Partei nimmt ab, es wird genauer geschaut: Wer tritt da an?“ Die Leute hätten ein Gespür, ob es der Kandidat ernst meine. „Und diese Stimmen will ich gewinnen“, gibt er die Linie für die kommenden Monate bis zur Wahl im März vor.

Dabei will er sich an konkreten Ideen messen lassen, die er am Freitag in der Stegwiesenhalle präsentiert. Beispiel Arbeitswelt: Hambach schlägt einen öffentlichen Beteiligungsfonds vor, mit dem Auto-Zulieferer unterstützt werden, die Beschäftigung sichern, neue Geschäftsfelder erschließen und Mitarbeiter weiterqualifizieren. „Wir sollten solche Bälle aufnehmen, anstatt Ideen von vorgestern wie die Autoprämie zu verfolgen“, ruft er in die Halle und kontert damit die Kritik der IG Metall, die sich – auch im Kreis Böblingen – im Stich gelassen fühlt, weil die SPD die Verbrenner-Kaufprämie im Konjunkturpaket verhindert hatte. „Und das ist kein Flirt mit grüner Politik, sondern meine innerste Überzeugung“, erklärt Hambach, der als Landesgeschäftsführer der Jusos arbeitet. Oder Beispiel Verkehr: Es brauche mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr. 2019 seien in Deutschland 183 Kilometer Bundes-Straße gebaut worden, aber keine zehn Kilometer Schiene. Fürs Land fordert er weniger Verkehrsverbünde und stattdessen das 365-Euro-Baden-Württemberg-Jahresticket.

Beispiel Schule: „Die Gemeinschaftsschule wird von der CDU ständig torpediert und von den Grünen im Stich gelassen“, sagt er. Wer krampfhaft am dreigliedrigen Schulsystem festhalte, komme nie an die Pisa-Spitze. „Es geht doch darum, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, dass also spätere Handwerkerinnen und Erzieherinnen genauso viel zählen“, erklärt er – dabei das jetzt bei der SPD offenbar jetzt übliche generische Femininum verwendend. In der Landespolitik jedenfalls fehlt die SPD, davon ist er überzeugt. „Die Grünen müssen sich seit 2016 mit den Schwarzen rumschlagen“, ruft er in die Halle, gefolgt vom Applaus seiner Genossen. „Wir kommen gern zurück, um den Laden zu schmeißen.“

Junge Altenpflegerin ist Zweitkandidatin

Jan Hambach hat sich dabei eine ebenfalls junge Herrenbergerin an seine Seite geholzt, die ihn als Zweitkandidatin (38 von 44 Ja-Stimmen) unterstützt. Pia Ellen Böttcher (26) ist Altenpflegerin und Mutter eines eineinhalbjährigen Sohnes. „2018 habe ich mich dermaßen über Kita-Gebühren aufgeregt“, berichtet sie in ihrer kurzen Vorstellungsrede. Dabei habe man sie auf die Kommunalpolitik aufmerksam gemacht. „So bin ich auf die SPD gestoßen – und geblieben.“ Am Gemeinderatsmandat ist sie knapp vorbeigeschlittert, dafür seit einer Woche Vize-Vorsitzende der SPD Herrenberg und jetzt Zeitkandidatin.

Jetzt beginnt für das junge Team um Jan Hambach und Pia Böttcher die Arbeit und das Stimmen sammeln, damit es klappt mit dem Mandat – so wie damals bei Florian Wahl, dem 2016 übrigens nur 200 Stimmen gefehlt haben, um wieder in den Landtag zukommen. Ganz einfach wird es nicht, auch weil auf die Ergebnisse der Kandidaten im Regierungsbezirk ankommt, und da gibt es mit dem Fraktionschef Andreas Stoch (Heidenheim) oder dem Generalsekretär Sascha Binder (Geislingen) weitere starke Kandidaten. Aber auch die Böblinger Kreisvorsitzende Jasmina Hostert ist optimistisch. „Bei einer Landtagswahl ist alles offen“, sagt sie. „Man muss eine solche Kandidatur langfristig vorbereiten, um bekannt zu sein. Und das hat Jan Hambach ganz gewiss.“