Die Polizei warnt vor dem Kriminalphänomen „Sextortion“. Dabei handelt es sich um eine Erpressung auf sexueller Grundlage. Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu.

Kreis Böblingen - Die Polizei warnt einmal mehr vor Betrügern im Internet. Dieses Mal geht es um „Sextortion“, organisierte Erpressung auf sexueller Grundlage. In den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg nimmt die Zahl solcher Fälle, die angezeigt werden, zu. Und darum geht es konkret:

 

Herr M. bekommt eine neue Freundschaftsanfrage über Facebook. Augenscheinlich handelt es sich um eine junge hübsche Frau. Der 44-jährige Herr M. nimmt die Anfrage an. Zunächst wird gechattet, dann schlägt die Frau vor, auf einen Videochat umzusteigen. Irgendwann fordert sie Herrn M. auf, sich auszuziehen und sexuelle Handlungen an sich selbst durchzuführen. Und gibt vor, dasselbe tun zu wollen. Dazu kommt es aber nicht. Und Herr M. stellt fest, dass er beim „Liebesspiel an sich selbst“ gefilmt wurde – dann bricht der Chat ab.

Einen Tag später wird Herr M. erneut kontaktiert: Er soll Geld überweisen, sonst würden die kompromittierenden Aufnahmen auf diversen sozialen Medien veröffentlicht. Die Angst vor der Veröffentlichung der intimen Aufnahmen treibt Herrn M. dazu, zweimal knapp 100 Euro zu überweisen. Die Transaktionen gehen an eine Adresse in Afrika. Einen Tag später fordern die Betrüger weitere 250 Euro. Herr M. erstattet Anzeige.

Es gibt zwei Betrugsvarianten

So wie Herrn M. ergeht es vielen. Dieses Kriminalitätsphänomen nennt sich „Sextortion“. Vor allem zwei Varianten dieser Masche werden häufig zur Anzeige gebracht:

Bei der „Klassischen Variante“ lernt der Betroffene, wie im Fallbeispiel, zunächst eine fremde Person über ein soziales Netzwerk wie Twitter, Snapchat, Instagram oder Facebook kennen, man kommuniziert miteinander. Mit dem Ziel, das potenzielle Opfer dazu zu überreden, sich vor seiner Webcam auszuziehen und sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen, lenken die Täter die Kommunikation schnell auf eine Video-Telefonie um. Dabei zeichnen sie diese sexuellen Handlungen auf und drohen im Anschluss daran, dieses Video oder Bild im Internet zu veröffentlichen, falls der geforderte Geldbetrag nicht gezahlt würde.

Bei der sogenannten „Spam-Variante“ verschicken die Täter an ihre Opfer per E-Mail ein Erpresserschreiben, in dem sie behaupten, von ihrem Opfer kompromittierende Sexvideos aufgenommen zu haben und dann Geldbeträge fordern, damit diese dann nicht veröffentlicht werden. Häufig werden derartige E-Mails massenweise ohne konkretes Ziel als Spam-Mails verschickt.

Die meisten Opfer sind Männer

Das Phänomen „Sextortion“ betrifft mehrheitlich zwar Männer, aber immer wieder werden auch Frauen Opfer dieser Betrugsmasche. Die Zahl der angezeigten Fälle steigt, die Aufklärungsquote der Sextortion-Fälle ist jedoch gering. Meistens sind die Drahtzieher in Banden organisiert, operieren vom Ausland aus oder nutzen sogenannte Bots (ein Computerprogramm, das das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf eine Interaktion mit einem menschlichen Benutzer angewiesen zu sei), um ihre Erpresserschreiben per Mail zu verteilen.

Die steigenden Fallzahlen zeigen, dass es sich um ein anwachsendes Problem handelt. Die Kriminalpolizei geht zudem von einer gewaltigen Dunkelziffer aus. Scham dürfte viele Opfer, die bereits Geld an die Erpresser gezahlt haben, von einer Anzeigenerstattung abhalten.

Das rät die Polizei

Um nicht Opfer dieser Erpressungsmasche „Sextorsion“ zu werden, gibt die Polizei folgende Empfehlungen:

- Nehmen Sie nie Freundschaftsanfragen von fremden Personen an

- Prüfen Sie regelmäßig Ihre Account- und Privatsphäre-Einstellungen

- Seien Sie zurückhaltend mit der Veröffentlichung persönlicher Daten wie Anschrift, Geburtsdatum oder Arbeitgeber

- Stimmen Sie nicht vorschnell einem Videochat zu. Im Zweifel: kleben Sie die Chatkamera zunächst ab, um lediglich verbal zu kommunizieren und das Geschehen zu beobachten

- Stimmen Sie keinen Entblößungen oder intimen Handlungen in Videochats zu, wenn Sie die Person erst seit kurzem kennen

- Halten Sie Betriebs- sowie Virenschutzsysteme auf Ihren online-genutzten Endgeräten wie Smartphone, Laptop, Tablet oder Computer immer auf dem aktuellen Stand, um sich vor Schadsoftware, sogenannter Malware, zu schützen. Es gibt Malware, die Ihre Webcam problemlos aktiviert und Sie damit jederzeit filmen kann

Was tun, wenn man schon erpresst wurde?

Sollte es bereits dennoch zu einer Erpressung gekommen sein, wird folgendes Handlungsmuster empfohlen:

- Überweisen Sie kein Geld. Die Erpressung hört nach der Zahlung meist nicht auf

- Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei

- Kontaktieren Sie den Betreiber der Seite und veranlassen Sie, dass das Bildmaterial gelöscht wird. Nicht angemessene Inhalte kann man dem Seitenbetreiber über eigens hierfür eingerichtete Buttons melden

- Brechen Sie den Kontakt zu der anonymen Person sofort ab, reagieren Sie nicht auf Nachrichten

- Sichern Sie die Chatverläufe und Nachrichten mittels Screenshot