Zwei außergewöhnliche Ausstellungen im Rathaus und auf der alten Autobahntrasse gehen zu Ende.

Leonberg - Sie haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind beide seit Sonntag beendet. Und keiner weiß bislang, ob und wo es eine Zukunft für sie gibt. Die Rede ist von den beiden Ausstellungen „Grenzüberschreitungen“ auf der alten Autobahntrasse und „Line Follower“ im Rathaus. Die eine zeigte, dass das Jahrhunderte alte Handwerk des Steinmetzes durchaus sehr lebendig und aktuell wie auch künstlerisch wertvoll sein kann. Die andere zeigt mit Technik aus dem Bereich Wirtschaft 4.0, wohin der Selbstoptimierungswahn uns geführt hat und vielleicht auch noch führen wird.

 

Besucher benötigen Hinweise

Auch wenn Letzteres nicht immer ganz so offensichtlich war, wie Katja Rohloff vom Kulturamt der Stadt beobachtet hat. „Oft war es hilfreich, ein, zwei Sätze zu sagen, dann hat es sich den Betrachtern aber schnell erschlossen“, berichtet die Sachgebietsleiterin Kultur. Nach einigen technischen Problemen zum Start habe das Projekt „Line Follower“, das Teil der alle zwei Jahre stattfindenden Großveranstaltung der Kulturregion Stuttgart war, dann doch Fahrt aufgenommen. „Wir hatten sogar zweimal Bustouren hier, die über die Kulturregion organisiert worden waren. Aber neben einigen Kunstinteressierten, die extra nach Leonberg gekommen sind, haben sich auch ganz normale Rathausbesucher dafür interessiert, was dieser Computer da macht“, erzählt Rohloff. Das übergreifende Thema der Schau war ‚Industrie trifft Kunst’. In Leonberg traf eine von der hiesigen Firma Ipoplan entwickelte Software auf den Berliner Künstler Sebastian Schmieg.

Was sonst dazu dient, in Unternehmen mit großen Hallen, etwa zur Lagerung, optimale Laufwege zu finden, das übersetzte der Künstler in den allzu aktuellen Selbstoptimierungswahn, der uns durchs Leben treibt. Wie kann ich schnell abnehmen? Wie kann ich besser schlafen? Wie werde ich besser bei Pokemon Go? Diese ernsten wie lustigen Fragen hat der Berliner, der selbst gelernter Programmierer ist, sich nicht ausgedacht, sondern Suchmaschinenanfragen entnommen und in kurzen Filmchen aufgearbeitet. Diese liefen auf einem Bildschirm, der auf dem „Line Follower“ angebracht war. Wer die Filmchen sehen wollte, der war allerdings gezwungen, wie der Roboter der aufgeklebten Linie im Rathaus-Foyer zu folgen.

Die Linien sind noch da, werden erst in einigen Tagen verschwinden. Was dann mit dem Roboter und dem Multimedia-Projekt passiert? „Darüber haben wir keine Informationen. Das Projekt wurde aber eigens für die Ausstellung ‚Drehmoment’ und für Leonberg entwickelt“, sagt Katja Rohloff vom Kulturamt. Im Haushalt eingestellt waren dafür 10 000 Euro. „Das wird aber wohl nicht ganz reichen“, fügt sie hinzu. Während der Schau in Leonberg sei aber auch noch ein zweites Objekt in den Fokus der Kunstinteressierten gerückt: die Rathaus-Architektur. „Viele, die noch nie drin waren, haben die Guggenheim-Optik staunend bewundert“, sagt Rohloff mit Bezug auf das berühmte Museum in New York mit seinen weißen geschwungenen Formen.

Mehr als nur Grabmale

Ganz so hoch hinaus wollte die Steinmetz- und Steinbildhauerinnung Ludwigsburg-Böblingen-Rems-Murr mit ihrer Schau „Grenzüberschreitungen“ auf der alten Autobahntrasse zwar nicht. (Hier geht es zu den verschiedenen Artikeln über die Ausstellungen: „Die Ecksteine unserer Gesellschaft“, „Dieses Kunstwerk hat ganz schön viel PS“ und „Ein Engel freut sich über die begrünte Autobahn“.) „Es ist uns aber gelungen, das Kreative in unserer Arbeit weit weg vom Grabmal-Bereich auszuleben“, sagt Stefan Machmer aus Ditzingen, der Obermeister der Innung. Generell werde sein Handwerk darüber hinaus kaum noch als solches wahrgenommen. „Hier hatten wir die Chance, mal zu zeigen, was wir machen können“, meint der Ditzinger.

Gemeinsamer Nenner aller 18 Kunstwerke ist ein einheitlicher Sockel aus einem gepressten Schrott-Auto. Auch wenn die Ausstellung offiziell beendet ist, so sind die Werke weiterhin über den Grünstreifen verstreut. „Wir warten derzeit auf eine Entscheidung der Stadt Leonberg. Denkbar ist vieles“, meint Machmer. Etwa die Kunstwerke dort in einer Art Skulpturenpark zu belassen. Oder nur einzelne Stücke als Leihgabe zu behalten. Oder die ganze Schau an einem anderen Ort erneut zu zeigen. „Wir sind daran interessiert, dass alles stehen bleibt. Aber es gibt auch anderweitige Anfragen“, berichtet der Steinmetzmeister.