Die Stadt Renningen kauft Tablets und Arbeitsprogramme für die städtische Musikschule. Damit werden die Abläufe hinter den Kulissen verbessert, aber auch während der Pandemie die Voraussetzungen für einen Online-Unterricht geschaffen.

Renningen - Glücklich waren die Renninger Gemeinderäte nicht, als sie ad hoc eine Entscheidung treffen sollten über fast 45 000 Euro plus vierstellige jährliche Folgekosten. Spontan nämlich hatte der Bürgermeister Wolfgang Faißt (Freie Wähler) den Vorschlag eingebracht, die Musikschule zum „digitalen Standort“ zu machen und weitreichend mit Tablets und entsprechenden Verwaltungs- und Arbeitsprogrammen auszustatten.

 

Es sei eine Entscheidung, die in den kommenden Monaten und Jahren ohnehin anstehen werde, jetzt aber könne man noch die 16 Prozent Mehrwertsteuer ausnutzen und erneute Lockdowns besser überbrücken.

Trotz einiger Bedenken aus den Reihen der Fraktionen ging die Entscheidung mehrheitlich durch, bei 13 Ja-Stimmen zu drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen. Wie sich bald darauf herausgestellt hat: Keine Minute zu früh. Dank der frühzeitigen Anschaffung der nötigen Geräte und Einführung der nötigen Apps konnte die Musikschule gut vorbereitet in den erneuten Lockdown starten.

Bei der Entscheidung war dieser Umstand allerdings noch nicht bekannt. „Das ist nicht billig“, schickte der Bürgermeister daher vorweg. „Aber in den kommenden Jahren müssen wir ohnehin in diese Richtung gehen“, andere Kommunen hätten ihre Musikschulen bereits entsprechend ausgestattet. Vor allem geht es dabei um die Umstellung des Verwaltungssystems und eine allgemeine Digitalisierung bei allen Vorgängen hinter den Kulissen. Ganz aktuell geht es außerdem um Möglichkeiten für den digitalen Unterricht. Der Unterricht hatte während der Corona-Phase 2020 stark gelitten.

„Zum Teil wurde über das Telefon unterrichtet“

„Da wurde zum Teil über das Telefon unterrichtet, das war so gut wie unmöglich“, berichtete Wolfgang Faißt. Trotzdem hätten die Eltern der Musikschule die Treue gehalten und weiter ihre Gebühren bezahlt. „Doch das ist kein Selbstläufer“, ergänzte der Erste Beigeordnete, Peter Müller. Wenn die Voraussetzungen so bestehen bleiben, könnten die Nutzerzahlen auf Dauer einbrechen. Ganz besonders bei weiteren Lockdowns.

Die Anschaffungskosten liegen bei rund 44000 Euro, die Folgekosten für Lizenzen, Wartung und dergleichen bei jährlich 9000 Euro. Die Kosten für das bisherige Verwaltungssystem müssen davon aber noch abgezogen werden.

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Die Politiker zeigten sich über die Fraktionen hinweg zunächst mehr als skeptisch. Vor allem Jürgen Lauffer von den Freien Wählern äußerte großen Unmut über die Vorgehensweise des Bürgermeisters. „Ich bin diese schnellen Entscheidungen nicht gewohnt“, beklagte er. „Ich werde daher nicht zustimmen, weil ich mich nicht treiben lassen möchte.“

Marcus Schautt (Freie Wähler) sah es als äußerst übertrieben an, für vielleicht ein halbes Jahr, in der der digitale Unterricht vielleicht noch erforderlich ist, rund 50 000 Euro auszugeben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Unterricht langfristig digital stattfinden kann.“ Ähnlich sah es Monika Breitweg von den Grünen. „Ich bin ja selbst Schülerin an der Musikschule, und ich denke auch: Irgendwann muss die Pandemie ja vorbei sein.“ Sie stellte daher den Kosten-Nutzen-Faktor infrage. Lisa Zimmer von den Grünen erinnerte außerdem daran, dass die Finanzlage aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin sehr angespannt sei.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Die Umstellung sei aber nicht allein der Pandemie geschuldet, wiederholte Wolfgang Faißt seine Ausführungen. „Die Digitalisierung schreitet insgesamt voran.“ Auch an Schulen habe man entsprechende Investitionen bereits vorgenommen. Jetzt habe man aber die Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Wenn die Digitalisierung zeitnah umgesetzt werde und nicht erst in ein bis zwei Jahren, könnte man damit auch den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und ähnlichen Vorfällen besser begegnen.

Für den Leiter der Renninger Musikschule, Christoph-Rin Dolge, ist das Ja des Gemeinderats eine sehr gute Nachricht, nicht nur wegen der Pandemie: „Die Digitalisierung ist ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Musikschule Renningen und ein weit in die Zukunft hineinreichender notwendiger Schritt“, sagt er.

Die Vorteile während der laufenden Pandemie erklären sich quasi von selbst. Darüber hinaus ermögliche die Digitalisierung im Zusammenhang mit einer speziellen Musikschul-App eine datenschutzkonforme Kommunikation zwischen der Eltern- und Schülerschaft, den Lehrkräften und der Verwaltung der Musikschule, für Rechnungen, Anmeldungen und Ähnliches. „Sie wird künftig zur zentralen Informationsquelle.“ Auf der digitalen Pinnwand können außerdem Ensembles nach Musikern suchen, Veranstaltungen bekannt gegeben werden oder ein Schüler zum Beispiel ein Instrument zum Verkauf anbieten. Gerade, wenn es um die Veranstaltungen geht, spare die neue App Kosten für Porto und Marketing.